OGH 3Ob216/10a

OGH3Ob216/10a14.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden und den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, *****, gegen die beklagte Partei DI M***** M*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung (Streitwert 4.745.202,70 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juli 2010, GZ 15 R 81/10g-14, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 5. März 2010, GZ 2 Cg 79/09s-10, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Republik Österreich begehrte unter Hinweis auf die rechtskräftig festgestellte Steuerschuld des Vaters des Beklagten (4.745.202,70 EUR) den Beklagten schuldig zu erkennen, die Exekution gegen näher bezeichnete Liegenschaften des Steuerschuldners zu dulden. Der Beklagte könne sich von dieser Verpflichtung durch die Zahlung der Steuerschuld befreien. Der Abgabenschuldner sei Eigentümer der genannten Liegenschaften, auf diesen sei für die Mutter des Beklagten ebenso wie für diesen selbst das Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt. Das Verbot zu Gunsten der Mutter habe die Klägerin bereits zu AZ 23 Cg 201/97h des Landesgerichts Wiener Neustadt nach den Bestimmungen der Anfechtungsordnung, insbesondere nach den §§ 2 Z 3 und 3 Z 1 AnfO angefochten. Mit notariellem Übereinkommen vom 30. November 1999 habe der Abgabenschuldner dem damals noch minderjährigen Beklagten, der zum Zweck dieses Übereinkommens für volljährig erklärt worden sei, gleichfalls das Veräußerungs- und Belastungsverbot eingeräumt, welches in der Folge auch verbüchert worden sei. Die Einräumung des Veräußerungs- und Belastungsverbots sei ohne Gegenleistung und in der dem Beklagten bekannten Absicht erfolgt, die genannten Vermögenswerte dem exekutiven Zugriff der Abgabenbehörde zu entziehen und die Klägerin als Gläubigerin zu benachteiligen. Die Liegenschaften seien abgesehen von einem Vorpfandrecht ob einer Liegenschaft und des Veräußerungs- und Belastungsverbots zu Gunsten der Mutter des Beklagten unbelastet. Die Anfechtung sei daher befriedigungstauglich.

Der Beklagte wendete ein, die Anfechtungsansprüche seien verfristet und verjährt. Befriedigungstauglichkeit fehle, weil ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten der Mutter des Beklagten einverleibt sei. Zwar habe die Klägerin diese Rechtshandlung angefochten, die Anfechtungsklage aber nicht gehörig fortgesetzt. Sie werde erfolglos bleiben. Die Anfechtung sei schon deshalb nicht befriedigungstauglich, weil ihr das gegenüber der Ehefrau des Abgabenschuldners eingeräumte Veräußerungs- und Belastungsverbot entgegenstehe und die Klägerin selbst im Erfolgsfall nicht Exekution führen könne.

Das Verfahren 23 Cg 201/97k des Landesgerichts Wiener Neustadt ist nicht rechtskräftig beendet. Das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wurde vom Berufungsgericht aufgehoben.

Das Erstgericht wies die Anfechtungsklage ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Die Liegenschaften seien mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten der Mutter des Beklagten belastet. Das Vorbringen der Klägerin, das auch gegen diese weitere Verbotsberechtigte eine Anfechtungsklage eingebracht sei, sei unbeachtlich, weil kein rechtskräftiges klagestattgebendes Urteil vorliege. Mangels Tatsachenvorbringens der Klägerin, weshalb die Anfechtungsklage berechtigt sei, könnten deren Erfolgsaussichten nicht beurteilt werden. Die für den Anfechtungsanspruch erforderliche Befriedigungstauglichkeit fehle daher.

Das Berufungsgericht hob das klageabweisende Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zu einem vergleichbaren Sachverhalt Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Wenn zur Erweiterung der Haftungsgrundlage für den vollstreckbaren Anspruch des Anfechtungsgläubigers anfechtbar begründete Rechtspositionen zweier verschiedener Personen angefochten werden müssen, könnten mehrere Anfechtungsgegner in getrennten Prozessen geklagt werden, auch wenn die Befriedigungstauglichkeit vom Gesamterfolg abhänge. Dies sage aber noch nichts darüber aus, dass der Erfolg der einen Klage den Erfolg der anderen Klage bedinge. Die vorliegende Klage sei im Hinblick darauf, dass auch das zu Gunsten der Mutter des Beklagten begründete Belastungs- und Veräußerungsverbot angefochten und das Verfahren anhängig sei, grundsätzlich geeignet, die Aussichten auf Befriedigung der Klägerin zu fördern. Der Beklagte habe ein Vorbringen dahin erstattet, dass die Klage wegen nicht gehöriger Fortsetzung nicht erfolgreich sein werde. Damit habe sich das Erstgericht aber nicht befasst. Selbst bei einem Unterliegen der Klägerin gegenüber der anderen Verbotsberechtigten bliebe ein Wegfall des erfolglos angefochtenen Belastungs- und Veräußerungsverbots aus anderen Gründen möglich, etwa durch einen Verzicht auf das eingeräumte Recht im Zuge einer Ehescheidung oder durch das Ableben der Verbotsberechtigten vor Eintritt der Vollstreckungsverjährung für die Abgabenschuld. Auf eine neuerliche Klageführung nach einer solchen Änderung der Sachlage könne der durch die Schuldnerhandlung beeinträchtigte Gläubiger aber schon wegen der Verjährungsfrist nach der Anfechtungsordnung nicht ohne weiteres verwiesen werden. Außerdem könnte ein Schuldner durch die sukzessive Begründung einer Mehrzahl von Belastungs- und Veräußerungsverboten die Liegenschaften dem Zugriff seiner Gläubiger endgültig entziehen, wenn der Erfolg einer Einzelanfechtung stets voraussetzen sollte, dass bei Schluss der Verhandlung hinsichtlich der übrigen Verbotsberechtigten bereits rechtskräftige, der Anfechtung stattgebende Urteile vorliegen müssten.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten, mit dem er die Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Neben einer - im vorliegenden Fall unstrittigen - Befriedigungsverletzung ist die Befriedigungstauglichkeit Voraussetzung für eine erfolgreiche Anfechtung. Die Anfechtung ist befriedigungstauglich, wenn die Beseitigung der Rückwirkungen der Schuldnerhandlung die Befriedigungsaussichten des Anfechtungsklägers zu fördern im Stande ist. Es genügt dabei, dass die damit bewirkte Verbesserung der Befriedigungsaussichten wahrscheinlich ist. Jede Erweiterung der Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers auf das Schuldnervermögen ist grundsätzlich als befriedigungstauglich anzusehen. Es genügt, wenn ohne das geschlossene Geschäft für den Gläubiger eine bessere Lage bestünde (RIS-Justiz RS0064645, RS0050591, RS0050483; RS0050698). Im Zweifel ist zu Gunsten der Anfechtung zu entscheiden (2 Ob 518/90 mwN).

Grundsätzlich ist zwar in einem Fall, in dem zur Erweiterung der Haftungsgrundlage für den vollstreckbaren Anspruch des Anfechtungsgläubigers anfechtbar begründete Rechtspositionen zweier verschiedener Personen angefochten werden müssten, die erfolgreiche Anfechtung gegenüber dem einen Anfechtungsgegner jeweils Voraussetzung für die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung gegenüber dem anderen Anfechtungsgegner, die Anfechtung muss aber nicht gegen alle Anfechtungsgegner als notwendige Streitgenossen gemeinsam verfolgt werden, sondern ist in getrennten Prozessen zulässig (6 Ob 523/92; RIS-Justiz RS0050478). Der Ausnahmefall, dass beide Anfechtungsprozesse nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führen dürfen (vgl 5 Ob 196/00k = SZ 73/193: Ehegattenwohnungseigentum), liegt hier nicht vor.

Die Befriedigungstauglichkeit im Sinn der durch die erfolgreiche Anfechtung wahrscheinlich erleichterten Zugriffsmöglichkeit auf das Schuldnervermögen ist unter Zugrundelegung des von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalts zu bejahen. Selbst wenn die Anfechtung des Belastungs- und Veräußerungsverbots zu Gunsten der Mutter des Beklagten nicht erfolgreich sein sollte, verbessert die Beseitigung des zu Gunsten des Beklagten einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbots gegenüber der Klägerin deren Befriedigungsaussicht. Bereits mehrfach hat der Oberste Gerichtshof in einem Veräußerungs- und Belastungsverbot zu Gunsten eines älteren Verbotsberechtigten kein Anfechtungshindernis erblickt (2 Ob 518/90; 1 Ob 2178/96t; 6 Ob 175/01f; König, Anfechtung4 Rz 5/13 mwN). Es wäre am Anfechtungsgegner gelegen, der aus den Klagebehauptungen abzuleitenden Wahrscheinlichkeit einer Befriedigungstauglichkeit entgegenzutreten und darzulegen, warum mit einem Erlöschen des Belastungs- und Veräußerungsverbots bzw mit einem Verzicht gegenüber der Klägerin in absehbarer Zeit nicht zu rechnen wäre. Der Hinweis des Beklagten auf die lange Verfahrensdauer in Ansehung des gegen seine Mutter geführten Anfechtungsprozesses geht fehl. Aus der langen Verfahrensdauer ist nichts über den Ausgang des Verfahrens zu gewinnen. Im Hinblick auf die Befristung des Anfechtungsrechts kann der Gläubiger auch nicht auf eine erst nach tatsächlicher Änderung der Sachlage in Ansehung des anderen Belastungs- und Veräußerungsverbots (zu Gunsten der Mutter des Beklagten) verwiesen werden. Die Befriedigungstauglichkeit ist eben schon bei Wahrscheinlichkeit der Verbesserung der Befriedigungslage in absehbarer Zeit zu bejahen (vgl 6 Ob 175/01f zu einer mit diesem Fall vergleichbaren Sachlage).

Das Berufungsgericht ist daher zutreffend zur Auffassung gelangt, dass von der Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung auszugehen und vom Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren die weiteren Voraussetzungen des geltend gemachten Anfechtungsanspruchs zu prüfen sind.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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