OGH 9Ob76/10g

OGH9Ob76/10g24.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** W*****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 81.129 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 17. August 2010, GZ 2 R 63/10i-70, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Ausführungen des Klägers zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vermögen keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Dies gilt auch für das Unterbleiben einer mündlichen Berufungsverhandlung. Gemäß § 480 Abs 1 ZPO idFd Budget-Begleitgesetzes BGBl I 2009/52 ist eine Berufungsverhandlung nur mehr dann anzuberaumen, wenn der Berufungssenat dies im Einzelfall für erforderlich hält. Richtig ist, dass Art 6 EMRK das Recht garantiert, dass über zivilrechtliche Ansprüche von einem Gericht entschieden und die Tatfrage im Rahmen einer mündlichen Verhandlung geklärt wird. Dies bedeutet allerdings nicht, dass - ohne Notwendigkeit einer Beweiswiederholung oder Beweisergänzung - auch im Rechtsmittelverfahren zwingend eine mündliche Verhandlung stattfinden müsste.

Die vom Berufungsgericht verneinten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens können vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

2. Die dauerhafte Überlassung von Standardsoftware gegen Zahlung eines einmaligen Entgelts wird von der Rechtsprechung als Kaufvertrag qualifiziert (RIS-Justiz RS0108702). Dies gilt allgemein für Softwareüberlassungsverträge, bei denen der Vertragszweck in der unbeschränkten und unbefristeten Verwendung der Software besteht und die Eigentumsübertragung dem Willen der Parteien entspricht.

Warum die Beklagte aufgrund des Umstands, dass der MS-Konzern ein Netzwerk an Firmen für Vertrieb und Support eingerichtet hat, „direkter Vertragspartner“ des Klägers im Support geworden sein soll, vermag die außerordentliche Revision nicht schlüssig zu begründen.

3. Nach ständiger Rechtsprechung werden die Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis grundsätzlich auch auf Dritte erstreckt, wenn diese erkennbar durch die Vertragserfüllung erhöht gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. Erfasst werden unter anderem Dritte, an denen der Vertragspartner ein sichtbares eigenes Interesse hat oder hinsichtlich derer ihm selbst offensichtlich eine Fürsorgepflicht zukommt (8 Ob 131/09m; 8 Ob 155/09s). Stehen dem Dritten gegen einen der beiden Vertragspartner allerdings selbst Ansprüche aus einem eigenen Vertrag zu, so sind nach der Rechtsprechung Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter nicht zu unterstellen. Dies gilt etwa für Verträge zwischen dem Geschäftsherrn und seinem Erfüllungsgehilfen (RIS-Justiz RS0022814; Reischauer in Rummel 3 § 1295 ABGB Rz 30a, 32 und 32e).

Auf den Lizenzvertrag kann sich der Kläger im gegebenen Zusammenhang nicht stützen, zumal er Partei dieses Vertrags ist. Zu dem in der außerordentlichen Revision erwähnten Supportvertrag (zwischen der Beklagten und der MS-Corp) führt der Kläger im Wesentlichen nur aus, dass dann, wenn man jegliche Haftung zu Gunsten Dritter verneinte, eine Haftung nach § 1300 ABGB bliebe. Abgesehen von dieser unzureichenden Begründung handelt es sich beim Kläger auch im Hinblick auf den Supportvertrag nicht um einen Dritten, sondern um den Vertragspartner der MS-Corp, demgegenüber der Beklagten die Eigenschaft als Erfüllungsgehilfin zukommt. Für eine derartige Konstellation steht das Institut der vertraglichen Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter nicht zur Verfügung.

4. Die Haftung für Rat und Auskunft nach § 1300 Satz 1 ABGB setzt nach ständiger Rechtsprechung nicht Entgeltlichkeit voraus. Vielmehr genügt es, dass der Rat oder die Auskunft nicht aus bloßer Gefälligkeit erteilt wurde (RIS-Justiz RS0044121; vgl auch RS0026596). Während ein Teil der Lehre eine schuldrechtliche Sonderbeziehung verlangt, wird vom anderen Teil der Fokus nur darauf gerichtet, dass sich der Auskunftsgeber einen materiellen Vorteil verschaffen will. Nach Machold kommt es darauf an, dass der Auskunftsgeber eine besondere Gefahrensituation für die bloßen Vermögensinteressen des Informationsempfängers schafft (vgl dazu Machold, Zur Haftung eines Sachverständigen nach § 1300 Satz 1 ABGB, Zak 2010/636, 371).

Bei Bejahung dieser Voraussetzungen wäre eine Haftung der Beklagten vom Vorliegen eines fahrlässigen Fehlverhaltens abhängig. Soweit der Kläger in der außerordentlichen Revision anführt, dass er auf eine 100%ige Kompatibilitätsgarantie verwiesen worden sei, weicht er von der Sachverhaltsgrundlage ab. Nach den Feststellungen war bei den Anrufen des Klägers bei der Beklagten von einer 100%igen Abwärtskompatibilität nie die Rede. Vor April 2004 wandte er sich bei seinen Anrufen mit allgemeinen Fragen an die Beklagte, ohne sich auf konkrete Problemstellungen zu beziehen. Aus dem Umstand, dass er sich nach den wesentlichen Neuerungen erkundigte, konnte auch bei sorgfältiger Beratung nicht auf ein umfassendes Aufklärungsbedürfnis geschlossen werden. Aufgrund der allgemeinen Fragestellungen des Klägers musste er auch nicht darauf hingewiesen werden, dass spezielle Aufträge zur Problembehebung erteilt werden müssten. Außerdem bezog sich das mit dem Endbenutzer-Lizenzvertrag im Zusammenhang stehende MS-Service nur auf einen kostenlosen Standard-Support.

5. Auf die Verletzung (gesonderter) vorvertraglicher Aufklärungspflichten kann sich der Kläger ebenfalls nicht berufen, weil an einen Vertragsabschluss mit der Beklagten nicht gedacht war. Der Unterschied zur Haftung eines Reisebüros im Fall einer Informationspflichtverletzung aus dem Reisebürovermittlungsvertrag (4 Ob 130/09k) besteht darin, dass der Kläger mit der Beklagten keinen Vertrag, auch keinen Vermittlungsvertrag, abgeschlossen hat und überhaupt erst nach dem Kauf der Software mit der Beklagten in Kontakt getreten ist.

6. Auch zur (verneinten) Haftung für den Inhalt auf der Website von MS-Deutschland liegt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor. Ohne vertragliche Pflichtverletzung ist die Verantwortlichkeit des Linksetzers für rechtswidrige Inhalte auf der verlinkten Website grundsätzlich nach § 17 ECG zu beurteilen. Darauf, dass die Beklagte die Informationen auf der Website von MS-Deutschland als die eigenen dargestellt (§ 17 Abs 2 ECG) oder vom pflichtverletzenden Inhalt Kenntnis bzw grob fahrlässig keine Kenntnis gehabt habe (§ 17 Abs 1 ECG; vgl dazu Brenn, ECG 286), hat sich der Kläger nicht berufen. Selbst für die Haftung eines Mittäters im Zusammenhang mit einem lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsgebot, für das die horizontale Haftungsbeschränkung des § 17 ECG nicht gilt (Brenn aaO 294), wird von der Rechtsprechung verlangt, dass der Linksetzer den Inhalt der über den Link erreichbaren fremden Website derart in seine eigene Website eingliedert, dass sie zu deren Bestandteil wird, insbesondere wenn die Website des Linksetzers keine eigenen inhaltlichen Angebote enthält (4 Ob 219/03i). Die Ansicht, dass sich die Beklagte den Inhalt der verlinkten Website von MS-Deutschland nicht zurechnen lassen müsse, ist nach den dargestellten Grundsätzen jedenfalls vertretbar.

7. Zu der vom Berufungsgericht verneinten Haftung nach den Bestimmungen des Mediengesetzes weist die außerordentliche Revision selbst darauf hin, dass derartige Ansprüche nicht geltend gemacht worden seien.

8. Die behaupteten Verstöße gegen das Kartellrecht zufolge Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, aus denen der Kläger offenbar eine unionsrechtliche Schadenersatzpflicht ableiten will, bezieht er selbst auf die MS-Corp. Dazu wird lediglich pauschal die Behauptung aufgestellt, dass die Beklagte mithafte, weil sie gemäß EU-Kartellrecht Teil eines Gesamtunternehmens sei. Dieses Argument ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil eine Mithaftung voraussetzen würde, dass der Beklagten ein bestimmender Einfluss auf die operative Geschäftsführung der MS-Corp möglich wäre. Davon abgesehen könnte sich ein - vom Kläger nicht näher begründeter - Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung etwa nur darauf beziehen, dass die MS-Corp den Abschluss eines Lizenzvertrags mit einem bestimmten Marktteilnehmer aus unsachlichen Gründen verweigert oder mangels Schnittstellen zu ihren Produkten deren Nutzung in Kombination mit den Softwareprodukten anderer Anbieter verhindert. Demgegenüber leitet der Kläger seine Ansprüche aus einer Inkompatibilität einer MS-Folgeversion gegenüber der älteren Softwareversion ab.

9. Zur Fehlerbehebung („Problemlösung“) lässt sich aus den Feststellungen weder eine ausdrückliche noch eine schlüssige Übernahme einer eigenständigen vorvertraglichen oder vertraglichen Verpflichtung durch die Beklagte ableiten. Mit den Ausführungen, die sich im gegebenen Zusammenhang auf das Prozessvorbringen und diverse Beweisergebnisse beziehen, bekämpft der Kläger in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Dem Umstand, dass der Kläger entgegen den technischen Standards für Softwareentwickler weder die Funktionalität seines digitalen Spiels noch die an ihn ausgelieferten CDs mit PowerPoint 2003 ordnungsgemäß testete, kommt keine Bedeutung mehr zu.

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