OGH 13Os121/10h (13Os122/10f)

OGH13Os121/10h (13Os122/10f)18.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Saadati als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Christian R***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über den Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie über seine Nichtigkeitsbeschwerde und seine Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 1. Juli 2010, GZ 21 Hv 62/10s-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt und der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 13. September 2010, GZ 21 Hv 62/10s-44, womit die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen zurückgewiesen wurde, beseitigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil ordnete das Landesgericht Linz die Unterbringung des Christian R***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB an, weil er am 10. Februar 2010 in Linz unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich einer „undifferenzierten Schizophrenie“, beruhte, folgende Personen durch gegenüber Wilma P***** getätigte Äußerungen gefährlich mit dem Tod bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

(1) Gerlinde K***** durch die Äußerung, er werde sie jedenfalls umbringen;

(2) Dr. Klaus B***** und Mag. Ralf S***** durch die auf diese bezogene Äußerung, er werde alle umbringen, die mit seinem Fall zu tun hatten,

und dadurch Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB beging.

Unmittelbar nach Verkündung des Urteils hat der Betroffene gegen dieses nach Rücksprache mit seinem Verteidiger - ohne Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen - Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet (ON 40 S 43).

Die schriftliche Urteilsausfertigung wurde dem Verteidiger am 9. August 2010 zugestellt. Mit Beschluss vom 13. September 2010, GZ 21 Hv 62/10s-44, hat der Vorsitzende die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285a Z 2 StPO zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Zum Antrag auf Wiedereinsetzung:

Der Verteidiger bringt dazu - hinreichend deutlich - im Wesentlichen vor, seine Kanzleileiterin sei selbständig für die Eintragungen von Fristen in den Fristenkalender zuständig und erfülle diese Aufgabe seit mehreren Jahren zuverlässig und gewissenhaft. Im konkreten Fall habe sie erstmalig - somit für den Verteidiger unvorhersehbar - „übersehen“, dass es sich vorliegend „um eine Strafsache handelt und die Gerichtsferien auf den Lauf der Rechtsmittelfrist keine Anwendung finden“. Der Verteidiger habe erst am 13. September 2010 (also nach Ablauf der Frist für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde) von deren Versäumung durch einen Anruf des Vorsitzenden des Schöffengerichts erfahren. Das Vorbringen wird durch entsprechende schriftliche Erklärungen des Verteidigers und seiner Kanzleileiterin bescheinigt.

Wiedereinsetzung ist gemäß § 364 Abs 1 Z 1 StPO unter anderem dann zu bewilligen, wenn die Einhaltung der Frist durch ein unvorhersehbares Ereignis unmöglich war, es sei denn, dem Verfahrensbeteiligten oder seinem Vertreter liegt ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last.

Nach ständiger Rechtsprechung steht der Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht entgegen, dass die Versäumung der Frist auf einem einmaligen Versehen einer Kanzleiangestellten beruht, sofern den Verteidiger, der angesichts deren Verlässlichkeit und Bewährung auf die selbstständige und korrekte Wahrnehmung der an sie übertragenen Aufgaben vertrauen durfte, kein Organisationsverschulden (etwa in Form unterlassener Kontrolltätigkeit) trifft (RIS-Justiz RS0101310). Von einem derartigen Organisationsverschulden ist hier - ungeachtet der durchaus schweren Fehlleistung der Kanzleileiterin - nach dem nicht widerlegten und entsprechend bescheinigten Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers nicht auszugehen.

Die Wiedereinsetzung wurde fristgerecht nach dem behaupteten Aufhören des Hindernisses durch (elektronisch) am 24. September 2010 eingebrachten Schriftsatz beantragt; unter einem wurde die Ausführung der auf die Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde nachgeholt, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Diese verfehlt durchwegs die prozessordnungsgemäße Darstellung, indem sie einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zur auf Kenntnisnahme der in Abwesenheit Bedrohten gerichteten Absicht des Beschwerdeführers einwendet, dabei allerdings die genau in diesem Sinn getroffenen Konstatierungen (US 7 iVm 13 f) übergeht (RIS-Justiz RS0099810).

Gleiches gilt für die - zudem ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz aufgestellte - Behauptung, die „im Zorn“ gefallenen Drohungen erfüllten (gemeint offenbar: mangels Ernsthaftigkeit) den Tatbestand des § 107 StGB nicht, welche sich über die gegenteiligen Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinwegsetzt (US 7 und 13 f).

Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

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