OGH 2Ob159/10m

OGH2Ob159/10m11.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bettina H*****, vertreten durch GKP Gabl Kogler Papesch Leitner Rechtsanwälte OG in Linz, der Nebenintervenientin auf Klagsseite B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Günther Dobretsberger, Dr. Martin Steininger, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Landeshauptstadt Linz, 4041 Linz, Hauptplatz 1, vertreten durch Rechtsanwälte Weixelbaum Humer & Partner OG in Linz, wegen 7.703,51 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Mai 2010, GZ 6 R 96/10w-17, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 11. März 2010, GZ 3 Cg 88/09k-13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 818,66 EUR (darin 136,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Die Klägerin stürzte am 9. Februar 2009 um 7:30 Uhr auf der St. Peter Straße in Linz beim Übersteigen einer zwischen der Fahrbahn und dem (von Fußgängern und Radfahrern gemeinsam zu benützenden) Geh- und Radweg befindlichen Schneewechte auf einer Eisplatte auf dem Geh-und Radweg, wobei sie sich verletzte. Sie begehrt von der beklagten Stadtgemeinde Schadenersatz, bestehend aus Schmerzengeld, Haushaltshilfekosten, Therapiekosten etc, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden aus dem Unfall. Die Beklagte habe von der Anrainerin gemäß § 93 Abs 1 StVO, der auf Klagsseite beigetretenen Nebenintervenientin, die Streu- und Räumpflicht nach der genannten Gesetzesbestimmung gemäß Abs 5 leg cit übernommen. Dieser Verpflichtung habe die Beklagte nicht entsprochen. Sie hafte darüber hinaus wegen des mangelhaften Zustands des Wegs gemäß § 1319a ABGB.

Die Beklagte wendete ein, sie habe die Streu- und Räumverpflichtung von der Anrainerin nicht übernommen, für eine Haftung nach § 1319a ABGB mangle es an ihrer groben Fahrlässigkeit, in eventu treffe die Klägerin ein Mitverschulden am Unfall.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab, wobei sie sich in rechtlicher Hinsicht - vom Mitverschuldenseinwand abgesehen - der Rechtsansicht der Beklagten anschlossen.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, da die Entscheidung sowohl hinsichtlich der Beurteilung der konkludenten Übernahme der Anrainerpflichten nach § 93 Abs 1 StVO als auch hinsichtlich des Vorliegens grob fahrlässigen Verhaltens der Beklagten von der in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht entschiedenen Frage der Anwendbarkeit des § 93 Abs 1 StVO auf Geh- und Radwege iSd § 52 lit b Z 17a StVO abhänge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

1. Die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung hat regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge eine krasse Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor (RIS-Justiz RS0043253 [T8] ua).

Wenn die Beklagte gerade jenen an die Liegenschaft der Nebenintervenientin unmittelbar angrenzenden Streifen des Geh- und Radwegs, der (nach Pürstl, StVO12 § 93 Anm 3a, in der Breite von einem Meter) der Streu- und Räumpflicht gemäß § 93 Abs 1 StVO unterfällt, nicht geräumt hat, stellt die Beurteilung der Vorinstanzen, die beklagte Stadtgemeinde habe die Anrainerpflichten nicht schlüssig von der Nebenintervenientin als Anrainerin übernommen, jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Auslegungsfragen zu § 52 lit b Z 17a lit a StVO stellen sich hier nicht.

2. Die Beurteilung des Verschuldensgrads unter Anwendung der richtig dargestellten Grundsätze, ohne dass ein wesentlicher Verstoß gegen maßgebliche Abgrenzungskriterien vorliege, kann - von einer krassen Verkennung der Rechtslage abgesehen - wegen ihrer Einzelfallbezogenheit nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (RIS-Justiz RS0087606 [T2]).

Was die Kenntnis der Beklagten von der Vernachlässigung der Anrainerpflichten durch die Nebenintervenientin anlangt, ist darauf zu verweisen, dass sich der Unfall auf dem von der Beklagten betreuten, der Fahrbahn zugewandten Wegteil ereignet hat.

Im Übrigen enthalten auch diese Rechtsausführungen des Berufungsgerichts jedenfalls keine auffallende, vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Der Umstand, dass es sich um einen Geh- und Radweg gemäß § 52 lit b Z 17a lit a StVO gehandelt hat, ist auch für die Frage des Verschuldensgrads der beklagten Partei irrelevant.

3. Auch die Klägerin zeigt in ihrer Revision keine (sonstige) Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb die Revision zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

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