Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde A***** des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens (richtig: der Vergehen) der Blutschande nach §§ 15 Abs 1, 211 Abs 2 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er in der Zeit von 2005 bis Ende Juni 2008 in L***** in wiederholten Angriffen
I./ dadurch, dass er der am 21. September 2000 geborenen J***** sein Glied und seine Finger in deren Scheide und After einzuführen suchte, sie veranlasste, sein Glied in den Mund zu nehmen und ihn mit der Hand zu befriedigen, mit einer unmündigen Person den Beischlaf sowie dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen;
II./ durch die unter I./ bezeichnete Tat versucht, eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, nämlich seine Enkelin J***** zum Beischlaf zu verführen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen gestützt auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Die Verfahrenrüge (Z 3) behauptet Unklarheiten über die Zeit und die Anzahl der Angriffe und macht damit einen Verstoß gegen das Individualisierungsgebot des § 260 Abs 1 Z 1 StPO geltend, ohne prozessordnungsgemäß darzulegen (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO; vgl RIS-Justiz RS0117498), weshalb die Schilderung der im Urteil durch Anführung des Deliktszeitraums, der Art der wiederholten Tathandlungen und durch die Bezeichnung des Tatopfers zu einer gleichartigen Verbrechensmenge zusammengefassten Taten (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 291; RIS-Justiz RS0119552) einen Konflikt mit dem ne bis in idem-Gebot bewirken sollte. Die Kritik (Z 3) übersieht nämlich, dass im Fall einer nachfolgenden Verurteilung allfällige Zweifel an der Individualisierungsgrundlage für die Annahme von Tatidentität und damit das Vorliegen eines aus dem 16. Hauptstück der StPO resultierenden Verfolgungshindernisses streiten (vgl RIS-Justiz RS0120226).
Soweit das (verfehlt auf Z 3 gestützte) Vorbringen den Schuldspruch wegen der Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB mit der Behauptung bekämpft, eine Analpenetration stelle keine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung dar, macht der Rechtsmittelwerber den materiellen Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO geltend. Indem er dabei aber die weiteren Urteilsannahmen vernachlässigt, wonach der Angeklagte sein Glied an der Scheide seiner unmündigen Enkelin ansetzte (versuchte Vaginalpenetration) und diese zudem veranlasste, sein erregtes Glied in den Mund (Oralpenetration) zu nehmen (US 3 f), verfehlt er den gebotenen Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem von den Tatrichtern insgesamt festgestellten Sachverhalt und damit auch die prozessordnungsgemäße Darstellung des Nichtigkeitsgrundes (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).
Die Behauptung des Rechtsmittelwerbers, wonach die Konstatierungen eine Subsumtion unter § 206 Abs 1 StGB nicht tragen können (der Sache nach ebenfalls Z 9 lit a), verabsäumt die geforderte methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).
Im Übrigen steht die vom Nichtigkeitswerber mit Blick auf § 206 Abs 1 StGB kritisierte Analpenetration (ob mit dem Finger oder dem Penis) einer vaginalen Penetration weder in der Intensität der sexuellen Inanspruchnahme noch in der Schwere des Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung des im Tatzeitraum zwischen fünf und acht Jahre alten Opfers nach und ist demnach im Vergleich zum Beischlaf genauso als diesem gleichzusetzende und gleich sozial schädliche Form eines sexuellen Missbrauchs anzusehen (vgl Philipp in WK2 § 201 Rz 25; Fabrizy StGB10 § 201 Rz 2a; RIS-Justiz RS0115232, RS0120457; 15 Os 100/09h; einschränkend auf eine Penetration des Afters mit dem männlichen Geschlechtsorgan: Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 Vorbem §§ 201 ff Rz 48 f; Hinterhofer SbgK § 201 Rz 50).
Die den Schuldspruch I./ betreffende Rüge nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO (der Sache nach Z 10) lässt erneut die dargelegten Anfechtungskriterien zur Geltendmachung materieller Nichtigkeit vermissen, indem sie behauptet, es fehle an der gebotenen Berührung der Geschlechtsorgane von Täter und Opfer, übergeht sie doch die entsprechenden Urteilannahmen, wonach der Angeklagte J***** veranlasste, sein erregtes Glied in den Mund zu nehmen (US 4).
Im Übrigen spricht der Beschwerdeführer mit der im Rahmen der Subsumtionrüge (Z 10) vorgebrachten Kritik an der rechtlichen Annahme von Vollendung statt Versuch keine entscheidende Tatsache an (vgl verst Senat 12 Os 119/06a).
Der weitere Einwand (Z 3), wonach ein Verstoß gegen das Individualisierungsgebot des § 260 Abs 1 Z 1 StPO zufolge fehlender Feststellungen zur inneren Tatseite vorliege, verkennt, dass es im Spruch des Erkenntnisses keines Hinweises auf den Vorsatz des Verurteilten bedarf, soweit - wie hier - § 7 Abs 1 StGB einen zur Anwendung gelangenden Tatbestand ergänzt (vgl RIS-Justiz RS0089089; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 283).
Im Hinblick auf § 281 Abs 1 Z 3 StPO unbeachtlich ist es, wenn die Aussprüche nach § 260 Abs 1 Z 1 und 2 StPO nicht übereinstimmen. Ob der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage basiert, ist allein unter dem Blickwinkel der Rechts- und Subsumtionsrüge von Belang (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 274).
Die den Schuldspruch I./ betreffende Behauptung, (der Sache nach Z 11), die Feststellung, wonach der Angeklagte J***** sein Glied und seine Finger durch Ansetzen an deren Scheide und After einzuführen suchte (US 3), könne die rechtliche Annahme der Vollendung nicht tragen, entbehrt neuerlich einer methodengerechten Ableitung aus dem Gesetz.
Im Übrigen besteht die Tathandlung nach § 206 Abs 1 StGB im Unternehmen des Beischlafs oder einer beischlafähnlichen Handlung. Unternommen ist ein Beischlaf auch dann, wenn es zu keiner Vereinigung der Geschlechtsteile kommt, wohl aber dazu mit Penetrationsvorsatz angesetzt worden ist (vgl Philipp in WK2 § 206 Rz 10 f; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 206 - 207 Rz 29 f; RIS-Justiz RS0095114). Die Bestreitung einer solchen dem Ansetzen entsprechenden Berührung in der Beschwerde ignoriert die darauf abstellenden Urteilsannahmen (US 6).
Die Rechtsauffassung des Nichtigkeitswerbers, die jeweils idente Tathandlungsbeschreibung könne nicht zugleich dem vollendeten Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB und dem im Versuchsstadium gebliebenen Vergehen nach §§ 15 Abs 1, 211 Abs 1 StGB unterstellt werden, erschöpft sich prozessordnungswidrig in einer bloßen Behauptung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).
Im Übrigen übergeht dieses Vorbringen, dass ein bloß unternommener Beischlaf zwar zur Vollendung des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, nicht aber zur Vollendung des Delikts der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB genügt (vgl Fabrizy StGB10 § 211 Rz 3).
Der Vorwurf in der Mängelrüge (Z 5 erster Fall), die Annahme wiederholter sexueller Handlungen sei undeutlich (US 3), verfehlt den Bezugspunkt, weil die Abgrenzung der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Taten untereinander im Fall einer gleichartigen Verbrechensmenge keine entscheidende Tatsache betrifft (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33).
Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde unter dem Aspekt der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) geltend macht, ein Ansetzen sei einem Berühren nicht gleichzuhalten, vernachlässigt die Beschwerde die Erwägungen des Schöffensenats, wonach der Angeklagte den Finger zwar nicht weit, aber immerhin soweit in die Scheide der J***** einführte, dass es für diese unangenehm war und (nicht zum Weinen führende) Schmerzen bereitete (US 6).
Die Behauptung der Mängelrüge, das Erstgericht habe sich in Hinblick darauf, dass Finger keine Geschlechtsteile sind, bei seinen Feststellungen von einer unrichtigen Rechtsansicht leiten lassen (inhaltlich offenbar Z 10), übergeht die Urteilsannahmen zum vorgenommenen Ansetzen zu einer digitalen Vaginal- und Analpenetration bei dem im Tatzeitraum zwischen fünf und acht Jahre alten Kind (welche eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung darstellt; vgl Philipp in WK2 § 201 Rz 25; Fabrizy StGB10 § 201 Rz 2a; RIS-Justiz RS0095004; differenzierend Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 Vorbem §§ 201 ff Rz 48 f; aA Schwaighofer, JBl 1992, 730 ff).
Mit der Kritik an der Feststellung, wonach der Rechtsmittelwerber sein Glied und auch seinen Finger an der Scheide bzw am After des Kindes ansetzte, zeigt der Beschwerdeführer keine Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Urteilsannahmen auf, weil schon aus dem mit den Gründen eine Einheit bildenden Erkenntnis (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584) zu Schuldspruch I./ klar hervorgeht, dass die Tatrichter sowohl das Unternehmen einer Vaginal- als auch einer Analpenetration mit Penis und auch mit Finger als erwiesen annahmen.
Im Übrigen bedurfte es - der Beschwerde zuwider - in Ansehung des Schuldspruchs wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB keiner Konkretisierung dahingehend, ob das in Rede stehende Ansetzen an der Scheide oder am After des Kindes erfolgte, weil auch ein mit Penetrationsvorsatz verbundenes Ansetzen am After des Kindes das Tatbestandsmerkmal einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung erfüllt (vgl Philipp in WK2 § 206 Rz 12).
Die vom Nichtigkeitswerber vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, wonach eine Berührung der Geschlechtsteile von Täter und Opfer erfolgte, findet sich auf US 4 und US 6.
Mit isolierter Kritik an einzelnen beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter, die in den Entscheidungsgründen darlegten, weshalb sie von der Glaubwürdigkeit der Angaben der J***** überzeugt waren (US 4 bis 7), wird der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO nicht dargestellt.
Soweit die Mängelrüge aus den Verfahrensergebnissen, etwa dem Fehlen von Verletzungen im Anal- und Vaginalbereich und dem intakt gebliebenen Jungfernhäutchen bloß günstigere Schlussfolgerungen für den Angeklagten zieht und unter Außerachtlassung der ausführlichen Erwägungen des erkennenden Gerichts dazu (vgl US 5 f) eine mit einer digitalen Vaginalpenetration zwangsläufig verbundene Verletzung des Hymens behauptet, zeigt sie weder eine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO noch erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen iSd § 281 Abs 1 Z 5a StPO auf, sondern bekämpft lediglich in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider stehen die Angaben der J***** zur weißen Farbe des bei den Tathandlungen aus dem Penis des Angeklagten ausgetretenen Saftes mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. R*****, wonach im Fall einer trotz Prostataoperation möglichen retrograden Ejakulation und einer Flüssigkeitsmenge von unter 100 ml ein infolge Inkontinez austretender Harn sehr wohl weißlich gefärbt sein kann (S 15 in ON 25 iVm S 3 in ON 19; US 7), nicht in einem erörterungsbedürftigen Widerspruch.
Die Behauptung (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe die Angaben der Zeugin zur Analpenetration sowie die Schlussfolgerung der Sachverständigen Dr. S*****, wonach es mangels Verletzung des Schließmuskels nicht zu einer Penetration kam, mit Stillschweigen übergangen, ist unrichtig (vgl US 6).
Mit Blick auf die sowohl den Denkgesetzen entsprechenden als auch mit dem Gutachten der Sachverständigen Dr. S***** im Einklang stehenden (S 13 in ON 25) Erwägungen der Tatrichter, wonach ein Ansetzen des Penis am Scheideneingang sowie am After des Kindes ohne Verletzungen möglich gewesen sei und dies von J***** auch als Penetration empfunden werden konnte, ist der auch im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) vorgebrachte Hinweis auf fehlende bzw nicht feststellbare körperliche Verletzungssymtome beim Tatopfer nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zufolge war das erkennende Gericht weder zu einer Erörterung jedes einzelnen Widerspruchs in den insgesamt für glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin J***** noch dazu verhalten, sich mit einer nach Auffassung des Beschwerdeführers ihm gegenüber kritischen Haltung der Mutter des Kindes oder mit Spekulationen des Rechtsmittelwerbers hinsichtlich eines allfälligen Rachemotivs auseinanderzusetzen, zumal die gesamte Einlassung des A***** mit mängelfreier Begründung als Schutzbehauptung verworfen wurde (vgl US 7 f).
Der Einwand der undifferenziert als Mängel- und Tatsachenrüge (nominell Z 5a, der Sache nach auch Z 5 zweiter Fall) ausgeführten Beschwerde, das erkennende Gericht habe den Umstand eigener Manipulationshandlungen des Kindes sowie die Angaben der Zeugin U***** (S 39 ff in ON 16, insbesondere S 47) nicht berücksichtigt, trifft nicht zu (vgl US 7).
Im Umfang der in der Rechts- (Z 9 lit a) und Subsumtionsrüge (Z 10) wiederholten, schon zur Verfahrens-, Mängel- und Tatsachenrüge vorgebrachten Argumentation ist zunächst auf die dazu dargestellten Erwägungen zu verweisen.
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den Schuldspruch I./ tragende Feststellungen zur Beischlafsfähigkeit vermisst, vernachlässigt sie die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte seine unmündige Enkelin veranlasste, sein erregtes Glied in den Mund zu nehmen.
Im Übrigen leitet die Beschwerde nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl RIS-Justiz RS0116565; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588 ff), weshalb es zur Erfüllung des Tatbestands nach § 206 Abs 1 StGB (der auch dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen als Tatmodalitäten genügen lässt) weiterer Urteilsannahmen bedurft hätte.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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