OGH 15Os137/10a

OGH15Os137/10a10.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. November 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichly als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin K***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 207 Abs 1, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 3. Mai 2010, GZ 40 Hv 12/09m-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin K***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 207 Abs 1, 15 StGB (I.), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 212 Abs 1 Z 1, 15 StGB (II.) sowie des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (III.) schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen Jänner und April 2008 in Hohenems

I) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen

a) an einer unmündigen Person vorgenommen, und zwar an der am 1. Jänner 1995 geborenen Jasmin K*****, indem er ihr einmal einen Zungenkuss gab, in zwei Angriffen ihre Brüste und die nackte Scheide streichelte sowie ihr einmal mit dem Finger kurz in die Scheide fuhr, bzw vorzunehmen versucht, indem er ein weiteres Mal versuchte, mit einem Finger in ihre Scheide zu fahren;

b) von einer unmündigen Person an sich vornehmen zu lassen versucht, und zwar von der am 1. Jänner 1995 geborenen Jasmin K*****, indem er ihre Hand in seine Unterhose und zu seinem Penis führte, wobei sie die Hand kurz zuvor wegziehen konnte, sodass es zu keiner Berührung ihrer Hand mit seinem Penis kam;

II) durch die unter I) geschilderten Taten mit seinem minderjährigen Stiefkind Jasmin K*****, geboren am 1. Jänner 1995, geschlechtliche Handlungen vorgenommen, vorzunehmen versucht und versucht, von einer solchen Person an sich vornehmen zu lassen;

III) Jasmin K***** durch die Äußerung, sie werde in ein Heim kommen, wenn sie jemandem von den zu I) geschilderten Handlungen etwas erzähle, mithin durch gefährliche Drohung mit der Verletzung ihrer persönlichen Freiheit, zur Unterlassung der Mitteilung der zu I) geschilderten Tathandlungen zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) greift eine Textpassage aus den Erwägungen der Tatrichter heraus, wonach die Sachverständige keinerlei Hinweise für eine bewusste Falschaussage der Jasmin K***** gefunden habe, und moniert in diesem Zusammenhang eine unzureichende Begründung, „warum keine unbewusste Falschaussage vorliegt“. Sie macht dadurch jedoch keinen Begründungsmangel hinsichtlich einer entscheidenden Tatsache (zum Begriff: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399) geltend, sondern bekämpft lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld. Im Übrigen übersieht sie, dass sich die Tatrichter mit der (psychologischen) Transfer- und Suggestionshypothese gar wohl auseinandergesetzt haben, sie aber mit mängelfreier Begründung verworfen haben (US 11 f). Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird ebenfalls kein Begründungsmangel aufgezeigt (RIS-Justiz RS0102162).

Soweit die Mängelrüge (wiederum unter selektivem Herausheben einer Passage der Urteilserwägungen) eine unzureichende Begründung der vom Erstgericht konstatierten Glaubwürdigkeit der Jasmin K***** geltend macht, ist sie darauf zu verweisen, dass die Tatrichter ihre Annahmen zur Beweiskraft der Depositionen nicht nur - logisch und empirisch einwandfrei - auf das Gutachten der psychologischen Sachverständigen gestützt haben, sondern vor allem auch auf die gleichbleibenden, im Wesentlichen widerspruchsfreien und detailreichen Angaben der Zeugin (US 9). Die weiteren allgemeinen Ausführungen der Beschwerde („ein Hinweis stellt keinen Beweis dar“; der Verweis auf die allgemeine Lebenserfahrung sei ein bloßer Scheingrund) zeigen ebenfalls keine Begründungsmängel auf, sondern verbleiben im Bereich der in diesem Rahmen unzulässigen Kritik an der Beweiswürdigung.

Das Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), Jasmin K***** habe den Angeklagten nie als Vater akzeptiert, weshalb kein faktisches Autoritätsverhältnis bestehe, orientiert sich nicht am Schuldspruch nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB. Danach ist ein (faktisches) Aufsichtsverhältnis zur Erfüllung des Tatbestands nicht notwendig, das allein erforderliche Verwandtschaftsverhältnis hingegen wurde von den Tatrichtern festgestellt (US 5: Stieftochter).

Zum Schuldspruch III) bringt die Beschwerde vor, „die Aussage, Jasmin K***** würde in ein Heim kommen“, stelle keine Drohung dar. Sie übergeht dabei jedoch die Urteilsannahmen, wonach das Kind nicht in ein Heim wollte, weshalb der (ernst gemeinten) Äußerung des Angeklagten die Bedeutung einer gefährlichen Drohung mit der Verletzung der persönlichen Freiheit zukam, und er diese darüber hinaus tätigte, um Jasmin K***** davon abzuhalten, anderen Personen von den Übergriffen zu erzählen (US 7). Weshalb diese Drohung nicht geeignet sein sollte, begründete Besorgnis bei der Adressatin auszulösen, wird vom Beschwerdeführer - der dies lediglich behauptet - nicht aus dem Gesetz abgeleitet (vgl im Übrigen zu dem bei der Beurteilung von Drohungen gegenüber Kindern anzulegenden strengen Maßstab und zur Qualität einer Drohung mit einer Unterbringung in einem Heim oder in einer Erziehungsanstalt: RIS-Justiz RS0092369 und RS0092479).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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