OGH 8Ob123/10m

OGH8Ob123/10m4.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. V***** P*****, vertreten durch Puschner Spernbauer Rosenauer Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei Prim. Dr. R***** O*****, vertreten durch Dr. Clemens Oppolzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 40.000 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2010, GZ 11 R 114/10f‑56, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 22. März 2010, GZ 28 Cg 56/06w‑50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsausführungen zeigen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Der Revision ist beizupflichten, dass der Patient aus dem Behandlungsvertrag Anspruch auf Anwendung der nach dem Stand der Wissenschaft zu fordernden sichersten Maßnahmen zur möglichsten Ausschaltung oder Einschränkung bekannter Operationsgefahren (RIS‑Justiz RS0026368), hier der mit jeder Operation verbundenen Infektionsgefahr, hat. Es muss die in Fachkreisen als am wirkungsvollsten angesehene Methode angewendet werden.

Ein Verstoß gegen in Fachkreisen anerkannte Regeln zur Vorbeugung oder bei der Behandlung der dennoch eingetretenen Infektion ist dem Beklagten nach den Feststellungen der Vorinstanzen aber nicht anzulasten. Auch wenn die vorbeugende Gabe eines Antibiotikums bereits zu einem Zeitpunkt möglich gewesen wäre, als noch keine behandlungsbedürftige Entzündung des operierten Kniegelenks vorlag, wäre das Unterlassen dieser Maßnahme nur dann als Kunstfehler zu werten, wenn es den in Fachkreisen anerkannten Regeln der gebotenen Vorbeugung widersprochen hätte. Gerade dies ist nicht hervorgekommen. Fest steht zudem, dass der spezielle Infektionskeim auf die drei später verabreichten, nach den Laborbefunden als „empfindlich“ ausgewiesenen Antibiotika tatsächlich nicht angesprochen hat. Inwiefern eine vorbeugende Einnahme unwirksamer Antibiotika (deren mangelnde Eignung im Voraus aber nicht erkennbar und somit dem Beklagten nicht vorwerfbar war) den eingetretenen Schaden verhindern oder verringern hätte können, vermag die Revision nicht schlüssig darzulegen. Die Argumentation der Revisionswerberin mit dem erst ex post gewonnenen Wissen über die Wirksamkeit des Medikaments „Fucidin“ übersieht, dass es für die Beurteilung der gebotenen ärztlichen Sorgfalt des Beklagten auf dessen Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Behandlung ankommt.

Die Revision räumt ein, dass sich die Klägerin ‑ die selbst Ärztin ist und als solche jahrelang beim Beklagten beschäftigt war ‑ in erster Instanz nicht auf eine Verletzung von Aufklärungspflichten gestützt hat. Gründet sich die Klage aber nicht auf eine mangelnde Einwilligung zur Behandlung wegen unzureichender Aufklärung, dann kann auch mit der Behauptung einer unzureichenden Dokumentation dieser Aufklärung keine entscheidungsrelevante Rechtsfrage angesprochen werden.

Zweck der ärztlichen Dokumentationspflicht sind Therapiesicherung, Beweissicherung und Rechenschaftslegung; alle wesentlichen diagnostischen Ergebnisse und therapeutischen Maßnahmen müssen spätestens am Ende des einzelnen Behandlungsabschnittes aufgezeichnet werden. Die Frage einer Beweiserleichterung zu Gunsten des Patienten bei fehlender Dokumentation kann sich daher nur dann stellen, wenn für den Verfahrensausgang wesentliche Tatsachen nicht festgestellt werden konnten. Dies ist im vorliegenden Verfahren nicht der Fall, hier steht klar fest, welche konkreten Behandlungsschritte der Beklagte unternommen hat und welche nicht.

Die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht liegt daher im Rahmen der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung und erweist sich nicht als korrekturbedürftig.

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