OGH 7Ob183/10b

OGH7Ob183/10b22.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen E***** S*****, über den Revisionsrekurs des Dr. R***** B***** als Sachwalter, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. März 2010, GZ 45 R 126/10b-161, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 29. Dezember 2009, GZ 23 P 168/01s-152, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Dr. R***** B***** ist seit 1980 Sachwalter (früher Kurator) des Betroffenen. Zur Veranlagung angesparten Vermögens des Betroffenen eröffnete er - einem gerichtlichen Auftrag entsprechend - am 7. 7. 2005 bei der Sparkasse Aspang ein Wertpapierdepot, lautend auf „Dr. R***** B***** - Notaranderkonto SW S***** E*****“. Seit 11. 7. 2005 berichtete er dem Erstgericht laufend darüber. Mit Beschluss vom 29. 12. 2009 verfügte das Erstgericht die Sperre des Wertpapierdepots, sodass darüber nur mit seiner Genehmigung verfügt werden kann. Diese Sicherungsmaßnahme diene der gerichtlichen Aufsicht über die Verwaltung des Vermögens des Pflegebefohlenen gemäß § 133 AußStrG.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dem Erstgericht bleibe es, auch wenn es seine Entscheidung lediglich mit § 133 AußStrG begründet habe, zur Wahrung des Wohles des Pflegebefohlenen unbenommen, die Sperre eines - nicht der täglichen Verwaltung dienenden - Vermögens anzuordnen. Der Gesetzgeber habe eine Lockerung (der Überwachung) nur bei der Verwaltung des Vermögens des Pflegebefohlenen durch Eltern, Großeltern und Pflegeeltern sowie Jugendwohlfahrtsträger unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen. In den übrigen Fällen der Aufsicht über die Verwaltung des Vermögens Pflegebefohlener sei weder vorgesehen, wann von einer Überwachung oder Sicherung des Vermögens Abstand zu nehmen sei, noch in welcher Reihenfolge Maßnahmen zu ergreifen seien. Im vorliegenden Fall stünden der Ermessensentscheidung des Erstgerichts zur Sicherung des Vermögens des Pflegebefohlenen keine Bedenken entgegen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob § 133 AußStrG überhaupt für die Verwaltung des Vermögens eines Pflegebefohlenen im Sachwalterschaftsverfahren Anwendung finde und ob die Sperre eines Vermögens auch im Sachwalterschaftsverfahren nur die letzte zur Verfügung stehende Möglichkeit der Vermögenskontrolle darstellen solle, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichts über die Sperre des Wertpapierdepots ersatzlos aufgehoben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der im Zweifel im Namen der Betroffenen erhobene Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zur Frage der gerichtlichen Überwachung der Vermögensverwaltung durch den Sachwalter einschließlich der Sicherung des Vermögens betroffener Personen erscheint angezeigt. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Nach der Verweisungsnorm des § 275 Abs 3 ABGB ist § 229 ABGB auch im Rahmen einer Sachwalterschaft die für die Erforschung und Verwaltung des Vermögens maßgebliche Bestimmung. Danach hat der Sachwalter zunächst nach gründlicher Erforschung des Vermögensstandes dem Gericht gegenüber das Vermögen im Einzelnen aufzulisten. Das Gericht hat die Tätigkeit des Sachwalters zur Vermeidung einer Gefährdung des Wohls der betroffenen Person zu überwachen und die dazu notwendigen Aufträge zu erteilen. Näheres wird in den (in § 299 Abs 1 letzter Satz ABGB erwähnten) „Verfahrensgesetzen“, nämlich im 10. Abschnitt des Außerstreitgesetzes „Vermögensrechte Pflegebefohlener“, §§ 132 bis 139 AußStrG, geregelt (Müller in Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts2, 273). Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers ist § 133 AußStrG also auch in Sachwalterschaftssachen anzuwenden (vgl Fucik, Die Vermögensverwaltung nach dem Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 in FS Hopf, 52 ff). Zum Wohl der betroffenen Person besteht die wesentliche Rolle des Gerichts nach § 133 AußStrG darin, gegebenenfalls Maßnahmen zur Sicherung der Vermögenswerte zu setzen und den Sachwalter bei der Verwaltung des Vermögens zu überwachen (Moser aaO, 276). Nach § 133 Abs 2 AußStrG hat das Gericht im Fall, dass Eltern, Großeltern oder Pflegeeltern mit der Vermögensverwaltung im Rahmen der Obsorge betraut sind, die Verwaltung allerdings nur zu überwachen, wenn eine unbewegliche Sache zum Vermögen gehört oder der Wert des Vermögens oder der Jahreseinkünfte 10.000 EUR wesentlich übersteigt. Hingegen hat bei der Vermögensverwaltung durch sonstige gesetzliche Vertreter (also konkret durch Sachwalter) bei nennenswertem Vermögen immer - entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers also nicht nur bei Vorliegen einer „konkreten Gefahr für das Wohl des Betroffenen“ - eine Überwachung zu erfolgen (Gitschthaler, Unterhalt, Besuchsrecht, Obsorge und Vermögensverwaltung, ecolex 2004, 924 [925]).

Die zulässigen Mittel zur Überwachung der Vermögensverwaltung und Sicherung der Vermögenswerte sind in § 133 Abs 4 AußStrG beispielhaft aufgezählt. Insbesondere kann das Gericht danach dem Sachwalter Aufträge erteilen, Auskünfte von Kreditunternehmen oder von gemäß § 102 AußStrG auskunftspflichtigen Personen einholen, eine Schätzung, die Sperre von Guthaben sowie die gerichtliche Verwahrung von Urkunden und Fahrnissen anordnen und einstweilige Vorkehrungen treffen.

Im vorliegenden Fall ist nennenswertes Vermögen vorhanden: Laut Auskunft des betreffenden Bankinstituts wies das Wertpapierdepot per 26. 1. 2010 einen Gesamtkurswert von 41.580,80 EUR auf. Welche Maßnahmen zur Sicherung und Überwachung geeignet und ausreichend sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Da sich die vom Gericht angeordnete Sperre des Wertpapierdepots unter den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Maßnahmen findet und im Hinblick darauf, dass der Sachwalter insgesamt doch beträchtliches Vermögen in Wertpapieren angelegt hat, kann die gewählte Maßnahme nicht als zu einschneidend oder überzogen angesehen werden; vielmehr bestehen dagegen, wie dem Rekursgericht beizupflichten ist, keine Bedenken. Der vom Revisionsrekurswerber erhobene Einwand, die jüngste Entwicklung auf dem Wertpapiermarkt habe gezeigt, dass unter Umständen sehr schnell reagiert werden müsse, was bei einer Sperre des Wertpapierdepots nicht ohne weiteres möglich sei, überzeugt nicht. Bei den für den Betroffenen erworbenen Wertpapieren handelt es sich keineswegs um (hoch-)spekulative, sondern um solche, die dem für Mündelsicherheit erforderlichen Sicherheitsstandard entsprechen, also um längerfristige festverzinsliche Kapitalmarktpapiere oder zumindest um Veranlagungen, die ähnlich sicher als werthaltig anzusehen sind. Aus mit der Sperre verbundenen geringfügigen Verzögerungen der vom Sachwalter allenfalls vorzunehmenden Transaktionen sind daher wesentliche Nachteile für den Betroffenen nicht zu befürchten; vielmehr ist durch die jeweils erforderliche Zustimmung durch das Gericht gewährleistet, dass dem Betroffenen schadende Transaktionen unterbleiben.

Dass, wie der Revisionsrekurswerber auch schon im Rekursverfahren eingewendet hat, die Berichte des Sachwalters an das Gericht stets unbeanstandet blieben und dieser die Bestimmungen der Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer für die Buchführung und Kassagebarung der Notare zu beachten hat, ändert nichts daran, dass das Erstgericht mit der gewählten Maßnahme der Kontosperre seiner Überwachungs- und Sicherungspflicht demnach in vertretbarer Weise - ohne den ihm eingeräumten Ermessensspielraum zu überschreiten - nachgekommen ist.

Dem Revisionsrekurs muss daher ein Erfolg versagt bleiben.

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