OGH 11Os118/10b

OGH11Os118/10b19.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zoran N***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Sasa L*****, Suljo A***** und Zlatko M***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Juni 2010, GZ 114 Hv 63/10k-114, sowie über die Beschwerden des Suljo A***** und der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer sowie Freisprüche sämtlicher Angeklagter enthält, wurden Sasa L*****, Suljo A***** und Zlatko M***** des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall, 15 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie - zusammengefasst wiedergegeben - von 29. Dezember 2009 bis 11. Jänner 2010 in Wien in mehreren Angriffen mit dem Vorsatz, sich und Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, gewerbsmäßig zu den Taten des noch nicht ausgeforschten unbekannten Täters „Richard“ und anderer Personen, die Verfügungsberechtigte der U***** AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Vorgabe, im Urteilsspruch namentlich angeführte Personen hätten Überweisungen auf ein Konto des Zoran N***** bei der U***** AG in Auftrag gegeben, beigetragen, indem sie zur Täuschung falsche Urkunden, nämlich Überweisungsaufträge mit gefälschten Unterschriften der Kontoinhaber benützten, zu Handlungen, die diese in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, nämlich zur Gutschrift der Geldbeträge auf dem Konto des Zoran N***** verleitet und zu verleiten versucht, indem sie Mittäter anwarben, Kontokarten weiterleiteten, die Eingänge der Geldüberweisungen überwachten und selbst die Gelder abhoben oder weiterleiteten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sasa L*****, jene des Angeklagten Suljo A***** aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO und jene des Zlatko M***** aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO.

Sie alle schlagen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Sasa L*****:

Mit dem - unter Zitierung einer einzelnen Passage der Urteilsbegründung erhobenen - Vorwurf, das Erstgericht hätte „nicht schlüssig“ begründet, weswegen es seiner Verantwortung, er habe „keinen Verdacht hinsichtlich der unredlichen Herkunft der Gelder geschöpft und 'Richard' für einen seriösen Geschäftsmann gehalten“, nicht gefolgt sei, wird kein formaler Begründungsfehler iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufgezeigt, zumal sich die Tatrichter mit der Einlassung des Angeklagten ohnedies auseinander setzten und darlegten, aus welchem Grund ihr keine Überzeugungskraft zukommt (US 11 f).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Suljo A*****:

Nach allgemeinen Ausführungen zu den Grundsätzen des Strafverfahrens und einer daran anknüpfenden Kritik an der Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden rügt der Nichtigkeitswerber zunächst (der Sache nach Z 5a) die unterlassene amtswegige Ausschöpfung von Beweismitteln, ohne darzulegen, aus welchem Grund er an der Ausübung seines Rechts, in der Hauptverhandlung entsprechende Anträge zu stellen, gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0114036, RS0115823; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Soweit die - ungeachtet unterschiedlicher Anfechtungsansätze für die Nichtigkeitsgründe in der Strafprozessordnung - undifferenziert aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO ausgeführte Beschwerde pauschal das Vorhandensein tragfähiger Beweise bestreitet und die Urteilserwägungen schlicht als „falsch“ oder „völlig unbegründet“ kritisiert, wird kein aus Z 5 beachtlicher Begründungsmangel behauptet. Weil ein auf Z 5a gestützter Einwand nur erfolgreich sein kann, wenn Feststellungen als Folge einer qualifiziert naheliegenden Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung erheblichen Bedenken ausgesetzt sind, versagt die Beschwerde auch unter diesem Aspekt mangels Überschreitung der der Tatsachenrüge immanenten Erheblichkeitsschwelle (RIS-Justiz RS0118780). Der Zweifelsgrundsatz schließlich kann niemals Gegenstand der formellen Nichtigkeitsgründe der Z 5 oder Z 5a sein (RIS-Justiz RS0102162).

Mit dem mehrfach wiederholten Vorwurf der „Aktenwidrigkeit“, der aber bloß die Differenz zwischen der eigenen Verantwortung und den Feststellungen des Erstgerichts meint, wird keine unrichtige Wiedergabe eines Beweismittelinhalts durch formalen Vergleich von Zitat und Aktenlage (§ 281 Abs 1 Z 5 letzter Fall StPO; RIS-Justiz RS0099547) aufgezeigt, sondern unter eigenständiger Würdigung der Verfahrensresultate ein anderer, für den Rechtsmittelwerber günstigerer Schluss aus denselben angestrebt. Solcherart wird bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts auf im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise bekämpft (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 468).

Ebenso außerhalb des statthaften Anfechtungsrahmens (Z 5 dritter Fall) befindet sich die Gegenüberstellung der im Rahmen der Beweiswürdigung vom Erstgericht angestellten Erwägung, die Angeklagten Sasa L*****, Zoran N***** und Dejan D***** hätten keine „Bedenken, Gelder abzuzweigen“ gehabt, mit der Annahme einer strukturierten Hierarchie der Tätergruppe (beides US 12), weil keine entscheidenden Tatsachen angesprochen werden, die einander nach den Gesetzen logischen Denkens ausschließen oder nebeneinander nicht bestehen können (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 439).

Schließlich ist auch der vom Erstgericht vorgenommene und vom Beschwerdeführer kritisierte Schluss (Z 5 vierter Fall) von einem gezeigten Verhalten auf die subjektive Tatseite (US 13) keineswegs unstatthaft, sondern bei - wie hier - leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zlatko M*****:

Mit der Behauptung fehlender Feststellungen zum „Wissensstand des Angeklagten“ und dazu, inwieweit dieser in den Tatplan eingeweiht und in Kenntnis des Vorhabens der anderen Angeklagten gewesen sei, übergeht die Beschwerde die Annahmen des Erstgerichts zur Zusammenarbeit der Täter, deren Informationsweitergabe, den Ablauf der Geldtransaktionen und das gemeinsame Ziel aller Beteiligten (US 8, 9, 11 bis 13) und nimmt somit nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394). Dass die Angeklagten auch den Einsatz gefälschter Urkunden in ihren Vorsatz mit einbezogen, ergibt sich aus US 2, 8 und 13. Die unter diesem Aspekt erhobene Kritik am erstgerichtlichen Schluss vom gezeigten Verhalten auf die subjektive Tatseite geht in gleicher Weise wie jene des Angeklagten A***** fehl.

Entgegen der weiteren Behauptung (Z 5 zweiter Fall) überging das Erstgericht - das zu wörtlicher Wiedergabe der Aussagen dem Gebot zu gedrängter Darstellung folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verpflichtet ist - die Verantwortung des Angeklagten, er habe seine Beteiligung ab Kenntnis der unredlichen Herkunft der Gelder „sofort eingestellt“, nicht mit Stillschweigen (US 9 und 11).

Soweit die Beschwerde (nominell Z 5a, inhaltlich auch Z 9 lit a) behauptet, der Angeklagte Zlatko M***** habe ohne Bereicherungs- und damit ohne Betrugsvorsatz gehandelt, vernachlässigt sie die unmissverständliche Annahme des Erstgerichts, wonach sämtliche Angeklagte davon ausgingen, dass ihnen ein bedeutender Anteil der zu erwartenden Geldbeträge zustehen sollte (US 9), und ihre Mitwirkung an den Taten von der Absicht getragen war, sich auf unabsehbare Zeit ein wiederkehrendes Einkommen zu verschaffen (US 11), womit die subjektive Tatseite hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird.

Insoweit die Tatsachenrüge daran anknüpfend den Versuch unternimmt, durch Verweis auf den Grundsatz der Objektivität verbunden mit eigenständigen Beweiswerterwägungen die Annahme der gewerbsmäßigen Tendenz in Zweifel zu ziehen, wendet sie sich erneut in unzulässiger Weise gegen die vom erkennenden Gericht gefundene Lösung der Tatfrage, ohne beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen wecken zu können (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487, 490).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt mit der Behauptung, aus den Feststellungen des Erstgerichts ergäbe sich „lediglich ein hinreichendes Tatsachensubstrat für eine ... Mitwirkung am Betrugsgeschehen bis 30. Dezember 2009“ nicht methodengerecht (RIS-Justiz RS0099810, RS0117247) dar, aus welchem Grund es für die Strafbarkeit des Beitragstäters darauf ankäme, dass seine Beitragsleistungen jeweils in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Ausführung der Taten gesetzt werden und dem Erstgericht bei Beurteilung des Sachverhalts (US 8 bis 13) ein Rechtsirrtum unterlaufen sei.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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