OGH 7Ob125/10y

OGH7Ob125/10y29.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** M*****, und 2. W***** M*****, beide vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger & Mag. Markus Stranimaier Rechtsanwälte & Strafverteidiger OG in Bischofshofen, gegen die beklagte Partei R***** M*****, vertreten durch Dr. Franz Linsinger, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, wegen Feststellung und Einverleibung einer Servitut, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 14. April 2010, GZ 53 R 9/10w-11, womit das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 25. November 2009, GZ 2 C 766/09x-7, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil die stillschweigende vertragliche Begründung einer Dienstbarkeit des Heranbauens an die Grundgrenze durch Mithilfe bei der Errichtung des an der Grenze liegenden Baus bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht gelöst worden sei und dieser Rechtsfrage über den Anlassfall hinaus Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Klagsführung liegt zugrunde, dass der Beklagte zwar bei der Errichtung der nicht baubehördlich genehmigten Gartenhütte mitgewirkt hatte, aber im nachträglich (wegen seiner Anzeige) von den Klägern eingeleiteten Baubewilligungsverfahren seine Zustimmung zur Heranbauung an die Grundgrenze nicht gab. Strittig ist, ob zwischen den Parteien stillschweigend eine Vereinbarung geschlossen wurde, nach der der Beklagte verpflichtet ist zu dulden, dass die Kläger durch die Errichtung einer Gartenhütte an der Grundgrenze den nachbarrechtlichen Mindestabstand nach den Salzburger Bauvorschriften nicht eingehalten haben. Die Kläger bezeichnen diese Vereinbarung als einverleibungsfähige Servitut der Bauführung (nämlich Errichtung und Erhaltung einer konkreten Gartenhütte, die unter Unterschreitung des nachbarrechtlichen Mindestabstands errichtet wurde). Die Vorinstanzen bezeichnen sie als Servitut des Heranbauens an die Grundgrenze. Das Erstgericht ging davon aus, dass die Vereinbarung stillschweigend geschlossen wurde, das Berufungsgericht verneinte dies.

Gemäß § 25 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz wird für den Abstand der Bauten von der Grundgrenze ein gesetzlicher Mindestabstand von vier Metern festgelegt, für eingeschossige Nebenanlagen gemäß Abs 7a leg cit mindestens zwei Meter, außer der Nachbar erteilt ausdrücklich seine Zustimmung zur Unterschreitung. Gemäß Abs 8 leg cit kann die zuständige Behörde auf Antrag die Unterschreitung der festgesetzten Abstände durch Bescheid ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen (auch ohne Zustimmung durch den Nachbarn) zulassen.

Nach § 472 ABGB wird durch das Recht der Dienstbarkeit ein Eigentümer verbunden, zum Vorteil eines anderen in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden (bejahende Servitut) oder zu unterlassen (verneinende Servitut). Der Eigentümer der belasteten Sache ist also verpflichtet, etwas zu unterlassen, was er an sich zu tun befugt wäre, oder etwas zu dulden, was er sonst untersagen dürfte. Im Unterschied zur Reallast ist die Dienstbarkeit in der Regel nicht mit der Verpflichtung des Eigentümers zu einem aktiven Tun verbunden. Die Pflicht zu positiven Leistungen darf nur Mittel zum Zweck, aber nicht Hauptinhalt sein (5 Ob 16/07z mwN).

Die Entscheidung 4 Ob 107/97g (Zurückweisung einer außerordentlichen Revision) geht (der Sachverhalt ist der Entscheidung nicht zu entnehmen) von einer (offenbar dort unstrittigen) „Servitut des Heranbauens bis an die Grenze des dienenden Guts“ aus, ohne dies näher zu begründen. Aus dieser Entscheidung kann für den vorliegenden Fall nichts gewonnen werden.

Der Oberste Gerichtshof hat in seinen Entscheidungen 5 Ob 16/07z und 5 Ob 32/07b = RIS-Justiz RS0122142 in vergleichbaren Fällen wie dem vorliegenden ausgesprochen, dass eine Verpflichtung zur Erteilung einer Baunachsicht keine grundbücherlich einzuverleibende Servitut, sondern inhaltlich eine der Baubehörde zu vermittelnde Zustimmung zur bescheidmäßigen Erteilung einer Abstandsnachsicht darstellt. Der Verpflichtete kann nach der Gesetzeslage nicht selbst eine Bauabstandsnachsicht erteilen, dies liegt allein in der Entscheidung der Baubehörde. Die Abgabe einer Zustimmungserklärung im Bauverfahren stellt ein aktives Tun dar, welches nicht Hauptleistungspflicht einer Dienstbarkeit sein kann. Die aus der Zustimmung zur Bauabstandsnachsicht und aus der folgenden grenznahen Verbauung mittelbar resultierende Beeinträchtigung der Nachbarliegenschaft und deren Duldung sind nicht fassbarer Inhalt der vertraglichen Vereinbarung.

Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Letztlich läuft nach den Feststellungen die schlüssige Vereinbarung zwischen den Parteien nur auf eine Begründung der Verpflichtung des Beklagten hinaus, sich nicht dagegen zu wenden, dass die Gartenhütte dort steht, wo sie (auch) mit seiner Hilfe errichtet wurde, dass er also der Baubehörde gegenüber seine Zustimmung zum Bauen der Gartenhütte an der Grenze zu geben hat, also auf eine Verpflichtung zum aktiven Tun. Letztlich liegt es aber ohnehin in der Entscheidungskompetenz der Baubehörde, ob sie eine Unterschreitung der festgesetzten Abstände durch Bescheid zulässt. Ein weiterer Erklärungsinhalt, der sich auf die Begründung eines darüber hinausgehenden Duldens oder Unterlassens in Form einer Dienstbarkeit bezogen hätte, ist dem beidseitigen Verhalten der Parteien nicht zu entnehmen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich daher im Ergebnis im Rahmen der dargelegten Judikatur.

Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 40 ZPO. Der Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht hin.

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