OGH 11Os72/10p

OGH11Os72/10p17.8.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. August 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Said H***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 27 Hv 79/08g des Landesgerichts Linz, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 21. August 2008, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur Generalanwältin Mag. Wachberger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 21. August 2008, GZ 27 Hv 79/08g-36, verletzt, soweit darin (gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO) der Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 15. April 2008, GZ 20 BE 292/08z-6, gewährten bedingten Entlassung ausgesprochen wurde, § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB.

In diesem Umfang wird der Beschluss aufgehoben und es wird vom Widerruf der dem Said H***** mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 15. April 2008, GZ 20 BE 292/08z-6, gewährten bedingten Entlassung aus Anlass der Verurteilung des Landesgerichts Linz vom 21. August 2008, GZ 27 Hv 79/08g-36, abgesehen.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. März 2008, GZ 28 Hv 14/08f-27, wurde Said H***** des Verbrechens des (teils) durch Einbruch begangenen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 erster Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und hiefür (unter Anwendung des § 28 StGB) nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde der Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Unter einem fasste das Gericht den Beschluss, jeweils vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ 4 U 409/06a des Bezirksgerichts Vöcklabruck und AZ 26 Hv 83/07m des Landesgerichts Linz abzusehen, jedoch zu letztgenanntem Verfahren die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

Mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 15. April 2008, GZ 20 BE 292/08z-6, wurde Said H***** am 2. Mai 2008 nach Verbüßung von 3 Monaten und 10 Tagen aus dem unbedingten Teil der zu AZ 28 Hv 14/08f des Landesgerichts Linz verhängten Freiheitsstrafe nach § 46 Abs 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

Aufgrund neuerlicher Delinquenz (Tatzeitpunkte im Mai 2008) wurde Said H***** mit - in gekürzter Form ausgefertigtem - Urteil des Landesgerichts Linz vom 21. August 2008, GZ 27 Hv 79/08g-36, das auch einen Freispruch des Genannten enthält, der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB und des Diebstahls nach §§ 127, 15 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 StGB nach § 107 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Aus Anlass dieser Verurteilung fasste das erkennende Gericht den Beschluss, gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO jeweils die bedingte Strafnachsicht zu AZ 4 U 409/06a des Bezirksgerichts Vöcklabruck und AZ 26 Hv 83/07m des Landesgerichts Linz sowie die zu AZ 20 BE 292/08z des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht gewährte bedingte Entlassung (aus dem unbedingten Teil der mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. März 2008, GZ 28 Hv 14/08f-27, verhängten Freiheitsstrafe) zu widerrufen. Vom Widerruf der mit letztgenanntem Urteil gewährten bedingten Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe (im Ausmaß von zehn Monaten) sah das Landesgericht Linz jedoch gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre ab. Dieses Urteil und diese Beschlüsse erwuchsen in Rechtskraft.

Mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 7. Oktober 2008, GZ 20 BE 665/08b-6, wurde Said H***** aus Freiheitsstrafen von insgesamt 9 Monaten und 20 Tagen, nämlich den zu AZ 26 Hv 83/07m und 27 Hv 79/08g des Landesgerichts Linz verhängten Freiheitsstrafen sowie des aufgrund der bedingten Entlassung aus dem zu AZ 28 Hv 14/08f verhängten unbedingten Strafteil verbliebenen Strafrests, nach Verbüßung von 5 Monaten und 13 Tagen am 21. Oktober 2008 nach § 46 Abs 1 StGB bedingt entlassen (Strafrest 4 Monate und 7 Tage).

Mit Note vom 9. Oktober 2008 teilte das Landesgericht Linz als Vollzugsgericht der Staatsanwaltschaft Linz mit, bei dieser Beschlussfassung (fiktiv) angenommen zu haben, die bedingte Entlassung zu AZ 20 BE 292/08z des Landesgerichts Linz wäre nicht widerrufen worden; dies zur Vermeidung eines Nachteils für Said H*****.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 21. August 2008, GZ 27 Hv 79/08g-36, mit welchem die bedingte Entlassung des Said H***** zu AZ 20 BE 292/08z des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht widerrufen worden ist, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach dem durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl I 2007/109, eingefügten zweiten Satz des § 53 Abs 1 StGB können die bedingte Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil nur gemeinsam widerrufen werden. Ein Widerruf der bedingten Entlassung aus dem nach § 43a Abs 3 oder 4 StGB nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Freiheitsstrafe ist daher unzulässig, wenn zugleich (wie hier) in Ansehung des bedingt nachgesehenen Teils dieser Strafe vom Widerruf abgesehen (und lediglich die Probezeit verlängert) wird (RIS-Justiz RS0125448).

Weil sich diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst (§ 292 letzter Satz StPO) der Feststellung konkrete Wirkung zuzuerkennen und den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 21. August 2008, GZ 27 Hv 79/08g-36, in diesem Umfang aufzuheben.

Diese Gesetzesverletzung berührt auch rechtslogisch hievon abhängige Entscheidungen und Verfügungen. Einer - teilweisen - förmlichen Aufhebung des auf diesem beruhenden Beschlusses des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 7. Oktober 2008, GZ 20 BE 665/08b-6, soweit dieser - im Umfang des gegenständlichen Strafrests (von einem Monat und 20 Tagen) - (neuerlich) die bedingte Entlassung des Said H***** ausgesprochen hat (vgl RIS-Justiz RS0100444), bedarf es daher nicht. Das Landesgericht Linz als Vollzugsgericht wird in diesem Verfahren aber der Kassation des Widerrufsbeschlusses durch eine Anpassung jener Entscheidungsteile, die als Folgewirkung betroffen sind, Rechnung zu tragen haben.

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