Spruch:
Im Verfahren AZ 7 U 49/08s des Bezirksgerichts Innsbruck verletzt der Vorgang, dass es das Gericht unterließ, von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 4. August 2009 (unter Absehen vom Widerruf der Andreas G***** im Verfahren AZ 23 BE 29/06a des Landesgerichts Innsbruck gemäß § 46 Abs 2 StGB gewährten bedingten Entlassung) gefassten Beschluss auf Verlängerung der Probezeit unverzüglich dieses Landesgericht als Vollzugsgericht zu verständigen, § 494a Abs 7 StPO.
Text
Gründe:
Mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 5. Dezember 2006, GZ 23 BE 29/06a-6, wurde Andreas G***** gemäß § 46 Abs 2 StGB aus dem Vollzug mehrerer Freiheitsstrafen (mit einem Strafrest von zwei Monaten) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren mit Wirkung vom 2. Jänner 2007 bedingt entlassen.
Mit - auch Freisprüche enthaltendem - Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 4. August 2009, GZ 7 U 49/08s-20, wurde Andreas G***** des (während der Probezeit begangenen) Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt. Zugleich fasste die Bezirksrichterin den Beschluss, vom Widerruf der im Verfahren AZ 23 BE 29/06a des Landesgerichts Innsbruck gewährten bedingten Entlassung abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern (§ 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO; s S 4 in ON 18 bzw US 4). Die im § 494a Abs 7 StPO vorgeschriebene unverzügliche Verständigung des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht von dieser Probezeitverlängerung unterblieb (und wurde vielmehr erst nach Rechtskraft des Urteils [s dazu sogleich] in der Endverfügung vom 31. März 2010 [ON 28] angeordnet).
Andreas G***** ließ sowohl das Urteil als auch den Probezeitverlängerungsbeschluss unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck zog die ursprünglich gegen den Beschluss auf Absehen vom Widerruf der zu AZ 23 BE 29/06a des Landesgerichts Innsbruck gewährten bedingten Entlassung angemeldete Beschwerde (sowie auch die gegen das Urteil angemeldete Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld [s ON 19]) mit Erklärung vom 24. August 2009 ausdrücklich zurück (ON 21) und brachte letztlich nur mehr die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zum Nachteil des Angeklagten zur Ausführung. Das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht gab dieser Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe schließlich mit Urteil vom 9. März 2010, AZ 21 B1 478/09s (= ON 26 im Erkenntnisakt) Folge und erhöhte die Freiheitsstrafe auf drei Monate.
Auf den Umstand, dass die im § 494a Abs 7 StPO vorgeschriebene unverzügliche Verständigung des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht von der Probezeitverlängerung unterblieb, ist es zurückzuführen, dass das genannte Vollzugsgericht in Unkenntnis der Probezeitverlängerung - entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft (S 5 der ON 12 im Akt AZ 23 BE 29/06a des Landesgerichts Innsbruck) - am 17. Februar 2010 die endgültige Entlassung beschloss (S 1 der ON 12 im genannten BE-Akt). Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, verletzt der Vorgang, dass es das Bezirksgericht Innsbruck unterließ, von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 4. August 2009 (unter Absehen vom Widerruf der Andreas G***** im Verfahren AZ 23 BE 29/06a des Landesgerichts Innsbruck gewährten bedingten Entlassung) gefassten Beschluss auf Verlängerung der Probezeit unverzüglich das Vollzugsgericht in Kenntnis zu setzen, § 494a Abs 7 StPO, wonach das erkennende Gericht all jene Gerichte unverzüglich zu verständigen hat, deren Vorentscheidungen von einer Entscheidung nach § 494a Abs 1 und 6 StPO betroffen sind. Diese Pflicht zur Verständigung soll sicherstellen, dass das von der neuen Entscheidung betroffene Gericht (des früheren Verfahrens) keine Entscheidungskompetenz mehr in Anspruch nimmt; dieser Zweck kann aber nur dann erreicht werden, wenn die vorgeschriebene Information unverzüglich, sohin unmittelbar nach der jeweiligen Entscheidung ohne Rücksicht auf deren Rechtskraft vorgenommen wird (RIS-Justiz RS0101932 und RS0101965; Fabrizy, StPO10 § 494a Rz 9; Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 12). Das Bezirksgericht Innsbruck hätte daher sogleich nach Fassung seines Probezeitverlängerungsbeschlusses - und nicht erst im Zuge der Endverfügung vom 31. März 2010 - das Vollzugsgericht davon in Kenntnis setzen müssen.
Der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 17. Februar 2010 auf endgültige Entlassung noch vor Ablauf der (verlängerten) Probezeit stellt hingegen keine Gesetzesverletzung dar. Denn soweit das Gericht von objektiv unrichtigen Tatumständen ausgeht, handelt es nur dann gesetzwidrig, wenn die tatsächliche Entscheidungsgrundlage aufgrund eines rechtlich mangelhaften Verfahrens zu Stande gekommen oder mit formalen Begründungsmängeln behaftet ist. Ist hingegen die Ermittlung des Sachverhalts - wie fallaktuell in dem zur Beschlussfassung führenden Verfahren des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht - nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien rechtlich nicht zu beanstanden, liegt keine Gesetzwidrigkeit vor (Ratz, WK-StPO § 292 Rz 17).
Der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck auf Verlängerung der Probezeit ist durch die endgültige Strafnachsicht wirkungslos geworden (RIS-Justiz RS0100454 [T14]; Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 14). Es wird daher diesem Gericht obliegen, das Strafregisteramt hievon in Kenntnis zu setzen.
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