OGH 14Os85/10x

OGH14Os85/10x20.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juli 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Skrdla als Schriftführerin in der Strafsache gegen Patrick Z***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 042 Hv 56/09z des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 9. Dezember 2009, GZ 042 Hv 56/09z-49, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten sowie des Verteidigers Dr. Eichenseder zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9. Dezember 2009, GZ 042 Hv 56/09z-49, verletzt im Schuldspruch des Patrick Z***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I) das Gesetz in § 142 Abs 2 StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der Nichtvornahme der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch I umfassten Tat auch unter § 142 Abs 2 StGB und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Text

Gründe:

Patrick Z***** wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9. Dezember 2009, GZ 042 Hv 56/09z-49, des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II) und des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (III) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 142 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er - soweit hier relevant -

(I) „am 10. März 2009 in Wien Mag. Thomas W***** durch die Äußerungen 'I kann die niederschlogen oder niederstechen' und 'er habe den letzten Passanten, den er wegen Geldes angesprochen habe und der frech gewesen sei, niedergeschlagen', mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, 25 Euro, sohin eine fremde bewegliche Sache, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern“.

Während der Angeklagte die gegen das Urteil angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung zurückzog (ON 52), erhob die Staatsanwaltschaft Berufung (ON 53), über die vom Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden wurde.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht die rechtliche Unterstellung der zum Schuldspruch I als erwiesen angenommenen Tatsachen (nur) unter § 142 Abs 1 StGB mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Die Subsumtion unter die selbständige Privilegierung des § 142 Abs 2 StGB (vgl Hintersteininger, SbgK § 142 Rz 43; Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28-31 Rz 34) setzt (kumulativ) voraus, dass die Tat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde, nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und die Kriterien zu ihrer Bewertung als schwerer Raub (§ 143 StGB) nicht vorliegen.

Der Einsatz von Drohungen als Nötigungsmittel schließt - soweit diese nicht (die Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB nach sich ziehend) unter Verwendung einer Waffe erfolgt sind - die Privilegierung nach § 142 Abs 2 StGB niemals aus (RIS-Justiz RS0094296; Fabrizy StGB10 § 142 Rz 7; Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 56).

Nach den Urteilsannahmen hat der Angeklagte Mag. Thomas W***** durch die oben zitierte Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (ohne Verwendung einer Waffe) 25 Euro Bargeld - sohin mit Bedacht auf den objektiv-individuellen Beurteilungsmaßstab eine Sache geringen Wertes (Hintersteininger, SbgK § 142 Rz 50; Fabrizy StGB10 § 142 Rz 7a; Eder-Rieder - in WK² § 142 Rz 59; RIS-Justiz RS0120079, RS0094478) - abgenötigt (US 4 f). Obwohl schon aufgrund der Angaben des Tatopfers (ON 3 S 39 ff, ON 48 S 13 ff) indiziert war, dass die Tat keine (oder bloß unbedeutende) Folgen nach sich zog, hat das Erstgericht solche Feststellungen nicht getroffen, worauf die Generalprokuratur (unter Angabe der genauen Fundstelle im Akt) der Sache nach zutreffend hinweist.

Da sich dieser Feststellungsmangel zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO), das Urteil - weil derartige Konstatierungen vom Obersten Gerichtshof nicht nachgeholt werden können - im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist damit gegenstandslos.

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