OGH 7Ob127/10t

OGH7Ob127/10t14.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr. M***** P*****, 2.) Dr. R***** P***** und 3.) Dr. C***** E*****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger, Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1.) K***** Aktiengesellschaft, *****, und 2.) S***** GmbH, *****, wegen 16.367,95 EUR (sA), über den Revisionsrekurs der Kläger gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. April 2010, GZ 3 R 35/10d-5, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 1. März 2010, GZ 43 Cg 33/10s-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Kläger begehrten mit Mahnklage von den Beklagten zur ungeteilten Hand 16.367,95 EUR (sA). Wie aufgrund gerichtlicher Entscheidung rechtskräftig feststehe, hätten die Beklagten bei zur Vergabe stehenden Aufträgen über die Errichtung von Aufzügen gemeinsam mit anderen Unternehmen gegen das Kartellverbot des § 18 Abs 1 Z 1 KartG 1988 und Art 81 EGV verstoßende Absprachen getroffen. Sie hätten ihre Gebote so aufeinander abgestimmt, dass jeweils ein bestimmtes Unternehmen den Zuschlag erhalten habe und überhöhte Preise verlangen habe können. Die Kläger hätten als Miteigentümer einer Liegenschaft in S***** die Rechtsvorgängerin der Erstbeklagten mit der Errichtung einer Aufzuganlage beauftragt. Aufgrund der im Rahmen des Kartells getroffenen Absprache sei ihnen ein überhöhter Preis von 52.990 EUR in Rechnung gestellt und von ihnen bezahlt worden. Weiters habe G***** F***** die Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten mit der Errichtung einer Aufzuganlage in einem Wohnhaus in M***** beauftragt. Auch der von F***** bezahlte Preis von 38.400 EUR sei überhöht gewesen. F***** habe seine diesbezüglichen Ansprüche an die Kläger zum Inkasso abgetreten. Der Kartellpreisaufschlag habe 17,91 % betragen. Bei einem Gesamtbetrag von 91.390 EUR errechne sich der Klagsanspruch mit 16.367,95 EUR. Die Beklagten hafteten aufgrund ihres gemeinsamen vorsätzlichen deliktischen Handelns gemäß § 1302 ABGB solidarisch. Das Klagebegehren werde auf Schadenersatz, Bereicherung und jeden erdenklichen sonstigen Rechtsgrund gestützt.

Das Erstgericht wies die Klage a limine wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN seien mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche nur dann zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stünden. Ein solcher sei nicht vorgebracht worden. Die einzelnen Ersatzansprüche überstiegen nicht den nach § 51 Abs 1 JN für die Zuständigkeit des Handelsgerichts maßgebenden Betrag von 10.000 EUR.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Kläger hätten zwei Forderungen geltend gemacht, nämlich eine eigene Forderung in Höhe von 9.490,51 EUR und eine weitere Forderung in Höhe von 6.877,44 EUR, die ihnen von G***** F***** zum Inkasso abgetreten worden sei. Hinsichtlich beider Forderungen hätten sie eine Solidarhaftung geltend gemacht. Dies allein könne jedoch entgegen der Ansicht der Kläger eine Zusammenrechnung der beiden Forderungen, die in keinerlei Zusammenhang stünden, nicht rechtfertigen. Dass eine Zusammenrechnung nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen könne, werde besonders deutlich, wenn die Aktivlegitimation hinsichtlich eines der beiden Ansprüche - wie hier - auf einer Zession zum Inkasso beruhe. Bei gesonderter Einklagung von Ansprüchen, die nur zusammen den für die Zuständigkeit des Gerichtshofs erster Instanz maßgeblichen Streitwert erreichten, wäre das Bezirksgericht unabhängig davon zuständig, ob mehrere solidarisch Haftende geklagt würden. Wären die Forderungen bei Geltendmachung in einer einzigen Klage schon deshalb zusammenzurechnen, weil die jeweils solidarisch Haftenden in beiden Fällen ident seien, so könnte die Gerichtshofzuständigkeit für zwei in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts fallende Ansprüche durch bloße Zession der einen Forderung zum Inkasso an den Gläubiger der anderen Forderung begründet werden. Dies liefe der in § 104 Abs 2 Satz 2 JN zum Ausdruck kommenden Wertung zuwider, dass Rechtssachen, die vor ein Bezirksgericht gehören, nicht durch eine Zuständigkeitsvereinbarung vor einen Gerichtshof erster Instanz gebracht werden können. Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang zwischen den beiden Forderungen, der diese zu einem einzigen prozessualen Anspruch verbinden würde, liege nicht vor. Der bloße Grundkonsens der Beklagten und anderer Aufzugsunternehmen, durch kartellgesetzwidrige Absprachen und Vorgangsweisen den Markt unter Ausschaltung des freien Wettbewerbs untereinander aufzuteilen, bilde allein noch keine Anspruchsgrundlage für die beiden Forderungen. Die jeweilige Anspruchsgrundlage seien vielmehr einerseits jene konkreten Absprachen und Handlungen, die zur Auftragserteilung der Kläger an die Erstbeklagte zu einem überhöhten Preis und andererseits jene konkreten Absprachen und Handlungen, die zur Auftragserteilung des G***** F***** an die Zweitbeklagte zu einem überhöhten Preis geführt hätten. Dabei handle es sich um zwei verschiedene Sachverhalte, auch wenn in beiden Fällen von den Beklagten nach dem gleichen Muster vorgegangen worden sei. Ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen den beiden Forderungen oder das Vorliegen desselben tatsächlichen Anspruchsgrundes sei daher zu verneinen. Auch ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den beiden Ansprüchen werde nicht allein dadurch begründet, dass jeweils gegen dieselben kartellrechtlichen Bestimmungen verstoßen worden sei. Auch die Inkassozession der anderen Forderung an die Kläger könne den für die Zusammenrechnung erforderlichen Zusammenhang nicht herstellen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob die Ersatzansprüche mehrerer Geschädigter, die infolge im Rahmen desselben Kartells vorgenommener verbotener Absprachen unabhängig voneinander Aufträge zu überhöhten Preisen erteilt haben, gemäß § 55 JN zusammenzurechnen seien, liege nicht vor. Weiters fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen, die weder in einem tatsächlichen noch in einem rechtlichen Zusammenhang stehen, gemäß § 55 Abs 1 Z 2 JN iVm § 11 Z 1 ZPO zusammenzurechnen seien, wenn der Kläger hinsichtlich jeder dieser Forderungen eine Solidarhaftung mehrerer Beklagter geltend mache.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zwar zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS-Justiz RS0053096). Für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit sind mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Ersteres ist der Fall, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037648). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RIS-Justiz RS0037899).

Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist von den Klageangaben auszugehen (RIS-Justiz RS0106759). Die Kläger gründen ihre Ansprüche hier zunächst darauf, dass die (Rechtsvorgänger der) Beklagten gemeinsam mit anderen Unternehmern kartellrechtlich verpönte Absprachen getroffen haben. Dies allein könnte, wie schon das Rekursgericht richtig ausgeführt hat, die Ansprüche allerdings nicht begründen. Die beiden Forderungen werden von den Klägern daher darüber hinaus auf verschiedene weitere rechtsbegründende Tatsachen gestützt; nämlich darauf, dass einerseits sie mit der Erstbeklagten und andererseits G***** F***** mit der Zweitbeklagten Verträge über die Errichtung von Aufzuganlagen geschlossen haben, wobei die Beklagten überhöhte Entgelte verlangt hätten. Dass ihnen dies jeweils nur zufolge der verbotenen Absprachen möglich gewesen sein soll, ändert nichts daran, dass die Ansprüche der Kläger somit nicht auf demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhen, sondern lediglich aus gleichartigen Verträgen abgeleitet werden, die auch unterschiedlich beurteilt werden könnten (vgl 8 Ob 594-599/78 JBl 1980, 430; 4 Ob 231/98v EvBl 1999/41). Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, ist unter diesen Umständen eine Zusammenrechnung im Sinn des § 55 Abs 1 JN nicht vorzunehmen.

Entgegen der Ansicht der Kläger kann aber auch die bloße Behauptung einer solidarischen Haftung der Beklagten eine Zusammenrechnung der Ansprüche nach § 55 Abs 1 Z 2 JN allein nicht begründen (vgl 3 Ob 514, 515/94 mwN). Es müssten vielmehr Tatsachen behauptet werden, die eine Rechtsgrundlage für die begehrte Verurteilung beider Beklagter zur ungeteilten Hand hinsichtlich beider Ansprüche bilden könnten. Aus dem Vorbringen der Kläger, die jeweils von verschiedenen Personen abgeschlossenen Verträge seien insofern gleichartig, als sie letztlich auf dem festgestellten Kartell, an dem die Beklagten beteiligt waren, fußten, kann aber eine materielle Streitgenossenschaft (§ 11 Z 1 ZPO) der Beklagten in Ansehung der beiden gegen sie geltend gemachten Forderungen nicht abgeleitet werden. Damit geht auch der Einwand, bei materiellen Streitgenossen sei grundsätzlich immer zusammenzurechnen, ins Leere. Daraus, dass die Ansprüche den Klägern solidarisch zustehen, ist im Hinblick auf § 55 Abs 2 JN für deren Standpunkt nichts zu gewinnen.

Zutreffend hat das Rekursgericht, auf dessen diesbezügliche Ausführungen im Einzelnen verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO), auch erkannt, dass der Umstand, dass G***** F***** seine Forderung den Klägern zedierte, eine Zusammenrechnung der Ansprüche nicht rechtfertigt.

Der Einwand der Kläger, die Rechtsauffassung des Rekursgerichts stehe im Widerspruch zur Entscheidung 8 Ob 55/09k, ist verfehlt. Entgegen ihrer Ansicht lag dieser Entscheidung nämlich nicht ein „beinahe identer“, sondern schon insofern ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, als es zwar auch dort um gleichartige Verträge ging, die aber nicht, wie hier, von verschiedenen, sondern von denselben Personen abgeschlossen worden waren.

Da die Vorinstanzen eine Zusammenrechnung der beiden mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nach § 55 Abs 1 JN bei der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit des Erstgerichts ohne Rechtsirrtum verneint haben, ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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