OGH 9Ob64/09s

OGH9Ob64/09s30.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „Öffentliches Gut“ der Gemeinde H***** (richtig: Gemeinde H***** als Eigentümerin des Öffentlichen Guts), vertreten durch den Bürgermeister Josef G*****, dieser vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, gegen die beklagte Partei Felix B*****, vertreten durch Dr. Stefan Hämmerle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Feststellung und Einwilligung (Gesamtstreitwert 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 22. Juni 2009, GZ 2 R 170/09d-27, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 15. April 2009, GZ 4 C 689/08w-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I.) Die Bezeichnung der klagenden Partei wird auf „Gemeinde H***** als Eigentümerin des öffentlichen Guts“ berichtigt.

II.) Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben:

„Das Klagebegehren,

1. zwischen den Streitteilen werde festgestellt, dass die im Gutachten Dipl.-Ing. Dr. M***** vom 4. 3. 2008, GZ 16.529/08, in der Natur über GST-NR 1242/3 in EZ 239, GB ***** H***** verlaufende Wegfläche im Eigentum der klagenden Partei stehe

2. die beklagte Partei sei schuldig, in die Abschreibung der Teilfläche 1 aus GST-NR 1242/3 in EZ 239, GB ***** H***** und deren Zuschreibung zum Gutsbestand der EZ 150 zur Einbeziehung in die GST-NR 1315/1, GB ***** H*****, einzuwilligen,

wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.073,50 EUR (darin 845,58 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit 2.248,98 EUR (darin 219,16 EUR USt und 934 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist weiter schuldig, der beklagten Partei die mit 1.912,43 EUR (darin 124,07 EUR USt und 1.168 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Zu I.) Zunächst ist klarzustellen, dass das „Öffentliche Gut“ als solches keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, und daher zu seinen Gunsten auch keine Ersitzung stattfinden kann. Dass im Eigentumsblatt der EZ 150 GB ***** H***** das „Öffentliche Gut“ eingetragen ist, entspricht der Vorgangsweise nach § 12 Abs 1 GAG, sofern nicht überdies der Eigentümer seine Eintragung beantragt. Wenn sich weder aus dem Grundbuch noch aus dem Gesetz ergibt, dass ein Grundstück als öffentliches Gut im Eigentum einer bestimmten Gebietskörperschaft steht, ist dieses Eigentum der Republik, eines Landes oder einer Gemeinde, in deren Gebiet sich das Grundstück befindet (RIS-Justiz RS0115960; Höller in Kodek Grundbuchsrecht, Vor § 1 GBG Rz 1). Im Zweifel ist öffentliches Gut aber Gemeindegut (RIS-Justiz RS0009793). Dass auch hier die örtlich zuständige Gemeinde in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin der EZ 150 GB ***** H***** als Klägerin auftreten will und nicht das „Öffentliche Gut“ als solches, ergibt sich schon aus der Formulierung „Öffentliches Gut der Gemeinde H*****, vertreten durch den Bürgermeister...“ und wird auch von den Parteien, die bislang auf diese Bezeichnung offensichtlich ihr Augenmerk nicht gerichtet haben, nicht in Frage gestellt. Gemäß § 235 Abs 5 ZPO ist daher die Bezeichnung der Klägerin auf die Gemeinde richtigzustellen, die nach dem Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise das Klagebegehren erhoben hat. Dies konnte von Amts wegen und auch noch im Revisionsverfahren erfolgen (Rechberger/Klicka in Rechberger ZPO3 § 235 Rz 15).

Zu II.) Die klagende Gemeinde ist Alleineigentümerin der EZ 150 GB ***** H*****, zu deren Gutsbestand unter anderem die GST-NR 1315/1 (Straßenanlage) gehört. Der Beklagte ist aufgrund des Übergabsvertrags vom 21. 12. 2000 Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 239 GB ***** H***** mit dem GST-NR 1242/3 Wald. Die verfahrensgegenständlichen Grundstücke sind nicht im Grenzkataster eingetragen. In der Grundbuchsmappe ist das Grundstück 1315/1 so ersichtlich gemacht, dass es im Norden von den (hier nicht verfahrensgegenständlichen) Grundstücken 1232 und 1243 begrenzt wird, im Süden vom Grundstück 1242/3 des Beklagten. Ein Weg, der dem Mappenplan entspräche, ist jedoch in der Natur nicht (mehr) ersichtlich. Vielmehr verläuft in der Nähe des Grundstücks 1315/1, jedoch auf weite Strecken bis zu einige Meter entfernt auf einer südlicher auf dem Grundstück des Beklagten gelegenen Trasse, ein Weg, der in der Natur eine Breite von 2,5 bis 3 m aufweist. Sowohl links- als auch rechtsseitig ist der Weg durch Baumbestand begrenzt. In der Natur ist nicht erkennbar, dass die Wegführung einmal anders verlaufen wäre. Im Jahr 1962 wurde im Bereich des gegenständlichen Wegstücks der damals bestehende Weg eingemessen. Bereits damals stimmte der natürliche Verlauf des Wegs nicht mit der Mappe überein und verlief schon damals in Teilbereichen über das GST-NR 1242/3. Im Jahr 1992 wurde ein weiterer Vermessungsplan erstellt, mit welchem das GST-NR 1315 unterteilt wurde, sodass der Weg nunmehr die GST-NR 1315/1 trägt. Im Jahr 2007 wurde die Grenze zwischen dem GST-NR 1242/3 und 1315/1 digitalisiert, der Plan wurde jedoch nicht beim Vermessungsamt eingereicht (und ist somit nicht im Grenzkataster eingetragen). Die Darstellung in der Katastralmappe reicht auf deren Ursprünge im Jahr 1855 zurück.

Eine Größenänderung des Wegs kann innerhalb der letzten Jahre ausgeschlossen werden. Der gegenständliche Weg stellt sich seit ca fünfzig Jahren so dar, wie er heute aussieht. Der Weg wurde sowohl von Landwirten zur Holzbringung als auch von Gemeindebewohnern zum Spaziergang oder von Wanderern, aber auch von Radfahrern genutzt. Die Hauptbenützungsart lag jedoch in der Holzbringung. Teilweise wurden auch die angrenzenden Wiesengrundstücke zum Ablagern des geschlägerten Holzes verwendet.

Die Klägerin begehrt die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung bzw Einwilligung des Beklagten zur grundbücherlichen Durchführung. Die Klägerin brachte dazu vor, dass seit „urvordenklichen“ Zeiten ein von der Allgemeinheit benützter Hohlweg bestehe, der seit weit mehr als vierzig Jahren die selbe Lage in der Natur habe und entgegen der Mappendarstellung über das Grundstück des Beklagten NR 1242/3 verlaufe. Es liege zwar eine Abweichung zwischen Katastralmappe und natürlichem Verlauf vor, für die Eigentumsverhältnisse seien jedoch nur die Nutzungsgrenzen maßgebend. Die Klägerin habe immer den Willen gehabt, an diesem Weg ihr Eigentumsrecht auszuüben, sie habe daher jedenfalls durch den jahrzehntelangen Gebrauch auch das Eigentum am Weg ersessen. Der Beklagte habe nun die Wegtrasse versperrt und strebe eine Mappenberichtigung in seinem Sinne an. Der Weg sei jedoch in seinem Verlauf nie verändert worden. Trotz der Bestimmungen des Forstgesetzes sei auch eine Ersitzung möglich gewesen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Beim GST-NR 1242/3 handle es sich um Wald im Sinne des Forstgesetzes. Im nordwestlichen Teil des Grundstücks verlaufe über ca 200 bis 300 m die Trasse eines Holzbringungsrechts zu Gunsten von zwölf Berechtigten. Durch die wiederkehrende Inanspruchnahme des Bringungsrechts habe sich im Laufe der Jahre auf der Trasse ein Hohlweg gebildet, der in den Jahren 2006/2007 ohne Wissen und Zustimmung des Beklagten von diversen Personen verbreitert, planiert und durch Kiesaufbringung befestigt worden sei. Das GST-NR 1315/1 verlaufe demgegenüber nördlich des Waldes. Dieser Weg sei in den letzten Jahren teilweise mit Gras zugewachsen, dennoch sei er an mehreren Stellen noch in der Natur erkennbar. Die in der Natur über das GST-NR 1242/3 verlaufende Wegtrasse sei nie von der Allgemeinheit genutzt worden, jedenfalls aber nicht über Erholungszwecke hinaus. Auch seien Fahrverbotsschilder angebracht gewesen. Keineswegs habe die Gemeinde Eigentum an dem aus der Natur ersichtlichen Wegstück erworben, aber auch keine Dienstbarkeit, weil die Benützung der Wegtrasse nicht in Form des Gemeingebrauchs erfolgt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat zusammengefasst die Rechtsauffassung, dass die Gemeinde durch Gemeingebrauch, der weit über dreißig Jahre angedauert habe, Eigentum an dem Weggrundstück erworben habe, wie es in der Natur ersichtlich sei. Auch § 33 Abs 5 ForstG stehe einer Ersitzung nicht entgegen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe, dass es dem Urteil den Vermessungsplan des Dipl.-Ing. Dr. M***** anschloss und im Spruch sowohl bei der Feststellung als auch bei der Verurteilung zur Einwilligung in die Abschreibung auf den angeschlossenen Plan Bezug nahm. Es vertrat ebenfalls die Auffassung, dass die Klägerin durch Ersitzung Eigentum an der strittigen Wegtrasse erworben habe, weil es sich in diesem Bereich um den einzigen in der Natur vorhandenen Weg handle, ohne dass eine Beschränkung der Benützung hervorgekommen wäre. Auch § 33 Abs 5 ForstG stehe einer Ersitzung nicht entgegen, weil andere Benützungsarten als zu Erholungszwecken vom Ersitzungsverbot nicht umfasst seien. Insbesondere die Fahrten im Rahmen der Holzbewirtschaftung seien über Erholungszwecke hinausgegangen.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die Revision nicht zulässig sei; in der Folge änderte es jedoch über Antrag des Beklagten seinen Zulassungsausspruch dahin ab, dass es die Revision zuließ, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob die in § 25 des Vorarlberger Straßengesetzes geregelte Wegefreiheit eine Ersitzung hindern könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Grunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Soweit das Feststellungs- und Zustimmungsbegehren auf Ersitzung gestützt wird, ist Folgendes entgegenzuhalten:

Für die Ersitzung des Eigentums ist Sachbesitz, und zwar Alleinbesitz notwendig, was bedeutet, dass die volle Zugehörigkeit der Sache zum Besitzausübenden sichtbar gegeben und die Besitzausübung dritter Personen erkennbar ausgeschlossen sein muss. § 312 ABGB bietet Beispiele für Erwerb und Ausübung des Sachbesitzes: physische Ergreifung, Wegführung, Verwahrung bei beweglichen Sachen, Betreten, Verrainen, Einzäunen, Bezeichnen, Bearbeiten bei unbeweglichen Sachen. Andere Besitzakte, die die volle Zugehörigkeit nicht zum Ausdruck bringen, reichen zum Erwerb des Sachbesitzes und demgemäß auch zur Ersitzung des Eigentums nicht aus. Bei einem Weg wäre daher grundsätzlich dessen Absperren oder entsprechende Bezeichnung erforderlich, sodass andere von dessen Benützung ausgeschlossen oder doch darauf hingewiesen werden, dass sie diesen nur mit Zustimmung durch den Berechtigten benützen (2 Ob 104/98b; SZ 69/187 ua). Eine Wegbenützung im Rahmen des Gemeingebrauchs genügt nicht (2 Ob 104/98b mwN). Im vorliegenden Fall konnte ein über den Gemeingebrauch hinausgehendes Ausüben des „Alleinbesitzes“ durch die Gemeinde nicht festgestellt werden. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass durch die jahrzehntelange Holzbringung eine über § 33 ForstG oder § 25 des Vorarlberger Straßengesetzes hinausgehende Benützung gegeben wäre, wäre dies für einen Eigentumserwerb jedenfalls zu wenig. Ob dadurch die (Irregular-)Servitut eines Wegerechts zu Gunsten der Gemeinde ersessen werde, braucht nicht geprüft zu werden, weil das Klagebegehren eindeutig auf Feststellung des Eigentums, nicht aber eines Wegerechts abzielt.

2. Der Versuch, den Eigentumsbeweis außerhalb eines Grenzberichtigungsverfahrens anzutreten, geht im vorliegenden Fall ebenfalls fehl. Der Beklagte bestreitet gar nicht das Eigentum der Klägerin am Grundstück 1315/1, sondern die Lage des Grundstücks. Selbst wenn man für ein auf Feststellung der Lage in der Natur gerichtetes Begehren den streitigen Rechtsweg für zulässig halten wollte, könnte dies im vorliegenden Fall zu keiner Stattgebung führen. Aus Punkt 1. des Begehrens ergibt sich nämlich nicht, dass es sich bei der beanspruchten, aus dem Plan hervorgehenden Wegfläche um das Grundstück 1315/1 handelt. Damit würde die Klägerin zusätzlich zum Grundstück 1315/1 ohne weitere Prüfung eine weitere Wegfläche erwerben. Auch die Formulierung des Punkts 2. (Ab- und Zuschreibung) würde zu einer Vermehrung des Grundbesitzes der Klägerin führen, weil vom Beklagten die Zustimmung begehrt wird, dass die in der Natur ersichtliche Wegfläche dem GST-NR 1315/1 zugeschrieben werde.

Damit erweist sich die Revision als berechtigt, ohne dass es einer näheren Untersuchung bedarf, ob und inwieweit auch § 25 des Vorarlberger Straßengesetzes einer Eigentumsersitzung entgegensteht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO.

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