Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt die Feststellung einer Wegedienstbarkeit auf einer der Beklagten gehörigen (dienenden) Liegenschaft, die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit im Grundbuch, die Beseitigung von Ablagerungen auf den betreffenden Grundstücksteilen der Beklagten sowie die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung künftiger Störungen. Er bringt vor, er habe das Geh- und Fahrrecht (im Bereich eines Einmündungstrichters zur Landesstraße) ersessen.
Die Beklagte wendet ein, der Kläger habe an den betreffenden Grundstücksteilen keine Rechte in Anspruch genommen und keinen Ersitzungswillen gehabt, da er der Meinung gewesen sei, über öffentlichen Grund zuzufahren.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte unter anderem Folgendes fest: Der vom Kläger seit 1972 als Zufahrt zu seinem Haus benutzte Weg verläuft teilweise über öffentliches Gut und teilweise über die Liegenschaft der Beklagten. Der Kläger war immer der Meinung, dass er über einen öffentlichen Weg wie auch alle anderen Anrainer zu seinem Haus zufährt und geht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der für die Ersitzung erforderliche Rechtsbesitz wäre dann nicht gegeben, wenn der die Ersitzung Behauptende erkennbar ausschließlich einen Gemeingebrauch ausüben, nicht aber ein Individualrecht in Anspruch nehmen habe wollen. Im vorliegenden Fall decke sich die festgestellte Art der Benützung der Grundfläche durch den Kläger mit jener Benützung wie sie auch ein aus der Grunddienstbarkeit Berechtigter an den Tag legen würde. Auch sei aus der örtlichen Situation die Benützung durch den Kläger in seinem erkennbaren und überwiegenden Interesse erfolgt bzw habe sie dem in seinem Eigentum stehenden herrschenden Grundstück gedient. Unter diesen Voraussetzungen sei im Zweifel von der Ausübung eines Individualrechts auszugehen. Es wäre Sache des Belasteten, den ausschließlichen Willen des Klägers zur Ausübung eines öffentlichen Rechts und das Fehlen eines privatrechtlichen Besitzwillens zu beweisen. Eine derartige Behauptung habe die Beklagte nicht aufgestellt. Im Sinne der oberstgerichtlichen Rechtsprechung sei daher davon auszugehen, dass der Kläger in der irrigen Annahme, er benütze einen öffentlichen Weg, im Hinblick auf die Art der Benützung der Wegflächen durch ihn für den Fall der Aufklärung seines Irrtums eventualiter ein Recht gegen den Eigentümer in Anspruch hätte nehmen wollen. Der Kläger habe daher das Geh- und Fahrrecht ersessen.
Erst über Antrag der Beklagten gemäß § 508 ZPO ließ das Berufungsgericht die Revision zu: Die Beklagte habe aufgezeigt, dass bereits aufgrund des Vorbringens des Klägers von einem derartigen ausschließlich behaupteten Gemeingebrauch ausgegangen werden könnte. Diesfalls stünde die berufungsgerichtliche Entscheidung im Widerspruch zur oberstgerichtlichen Rechtsprechung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist unzulässig.
Das Berufungsgericht hat sich auf die einschlägige oberstgerichtliche Rechtsprechung gestützt (RIS-Justiz RS0034224) und ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Es ist vertretbar, im Klagsvorbringen nicht die ausschließliche Behauptung eines Gemeingebrauchs zu erblicken.
Die Revisionswerberin sieht eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darin, ob es möglich sei, „durch sachlich nicht erforderliche ergänzende Auslegung den eindeutig formulierten Besitzwillen eines Rechtssubjekts dahingehend umzudeuten, dass dieses eventualiter Nutzungsrechte an Flächen ersitzt, wiewohl sein Besitzwille auf die Ersitzung von Rechten an öffentlichen Grund gerichtet gewesen ist“.
Diese Ausführungen gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, weil nicht festgestellt wurde, der Kläger habe einen Ersitzungswillen am öffentlichen Grund gehabt; vielmehr meinte der Kläger einen öffentlichen Weg zu benützen. Davon abgesehen gleicht der vorliegende Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Belangen demjenigen in 7 Ob 574/91 = JBl 1992, 180 (RIS-Justiz RS0034224). Die von der Revisionswerberin gestellte Frage (soweit sie vom festgestellten Sachverhalt ausgeht) ist somit bereits beantwortet.
Weder das Berufungsgericht noch die Revisionswerberin zeigt somit eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb die Revision zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
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