OGH 1Ob66/10b

OGH1Ob66/10b1.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eva-Maria B*****, vertreten durch Dr. Thomas Obholzer, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, gegen die beklagte Partei Andreas B*****, vertreten durch Dr. Friedrich Reiter, Rechtsanwalt in Telfs, wegen 23.500 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Jänner 2010, GZ 2 R 394/09v-20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 10. August 2009, GZ 5 C 147/08g-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Streitteile schlossen im Zusammenhang mit ihrem Ehescheidungsverfahren einen gerichtlichen Vergleich, dessen Punkt II. folgendermaßen lautet:

„Der Ehemann ist Alleineigentümer der EZ *****, GB***** W*****. Diese Liegenschaft bleibt samt darauf befindlichem Wohnhaus im Alleineigentum des Ehemannes. Dieser verpflichtet sich, an die Ehefrau einen Pauschalbetrag in Höhe von EUR 23.500 zu bezahlen. Der Ehemann verpflichtet sich, diesen Betrag in Form eines Fonds anzusparen. Dieser Fonds wird am 1. 1. 2019 fällig. Dieser Fonds ist vinkuliert. Sollte der Fonds nicht vorschriftsgemäß und termingerecht einbezahlt werden, tritt Terminverlust ein. Das heißt, dass der gesamte Betrag in Höhe von EUR 23.500 sofort fällig wird.

Sollte der Ehemann die gegenständliche Liegenschaft innerhalb von 10 Jahren ab Rechtskraft der Ehescheidung verkaufen, so sind an die Ehefrau 30 % des Reinerlöses auszubezahlen.“

Die Klägerin begehrte nun, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr 23.500 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 6. 2006 zu zahlen. Terminsverlust und damit die sofortige Fälligkeit der Verbindlichkeit des Beklagten seien eingetreten, weil dieser vereinbarungswidrig weder einen Fonds eingerichtet noch eine Vinkulierung zu ihren Gunsten veranlasst habe. Eine vom Beklagten bei einer Volksbank abgeschlossene Rentenversicherung sei nicht als Fonds zu betrachten, weshalb der Beklagte damit seiner vergleichsweise übernommenen Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Eine Exekutionsführung sei aufgrund des Vergleichs mangels ausreichender Bestimmtheit nicht möglich, weil im Vergleich nicht klar geregelt worden sei, was mit der Ansparung eines Fonds gemeint ist und ab welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe eine Ansparung erfolgen soll.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, er sei seinen Verpflichtungen nachgekommen, weshalb kein Terminsverlust eingetreten sei. Er zahle auf das Konto bei einer Volksbank seit Dezember 2007 regelmäßig monatlich 218,40 EUR ein, wobei am 1. 12. 2017 ein Gesamtguthaben in Höhe von 23.590 EUR fällig sein werde; die Klägerin sei als Bezugsberechtigte im Todesfall eingesetzt worden. Im Übrigen stelle der abgeschlossene Vergleich einen Exekutionstitel und damit ein Prozesshindernis dar. Die Klägerin wäre in der Lage, mit der Behauptung einer nicht ausreichenden Erfüllung der vereinbarten Ansparverpflichtung mit dem Vergleich als Exekutionstitel Zwangsvollstreckung zu führen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Eine Exekutionsführung wäre aufgrund der unbestimmten Formulierung im Vergleich nicht möglich gewesen. Dadurch, dass der Beklagte den fondsorientierten Versicherungsvertrag auf seinen eigenen Namen abgeschlossen habe und im Erlebensfall allein auszahlungsberechtigt sei, stehe es in seinem Belieben, das angesparte Guthaben letztlich der Klägerin zukommen zu lassen oder selbst zu vereinnahmen. Damit habe er seine Verpflichtung aus dem Scheidungsvergleich weder rechtzeitig noch tatsächlich erfüllt, sodass die Klägerin berechtigt sei, die sofortige Zahlung des Gesamtbetrags zu fordern.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Prozesshindernis der entschiedenen Rechtssache liege nicht vor, weil ein gerichtlicher Vergleich nach ständiger Rechtsprechung lediglich die materiellrechtliche Einwendung der verglichenen Streitsache begründe, was zur Abweisung der Klage mangels Rechtsschutzinteresses führen könne. Ob der Beweis des Eintritts einer im Exekutionstitel gesetzten Bedingung dem betreibenden Gläubiger obliege, sei eine Auslegungsfrage, die nach objektiven Kriterien unter Heranziehung der Beweislastregel „vorzunehmen“ sei. Der Verzug des Schuldners müsse grundsätzlich nicht behauptet und nicht nachgewiesen werden, was nach der Judikatur auch dann gelte, wenn aus diesem Verzug die vorzeitige Fälligkeit der (restlichen) Forderung resultiert. Den vorzeitigen Eintritt der Fälligkeit der titelmäßigen Schuld infolge Terminsverlusts habe der betreibende Gläubiger weder zu behaupten noch nachzuweisen. Aufschiebende Bedingungen seien zwar im Regelfall vom betreibenden Gläubiger zu beweisen. Besonderes gelte aber für verneinende aufschiebende Bedingungen, weil der Beweis des Nichteintritts einer Tatsache oft nicht erbracht werden könne. Die Rechtsprechung deute solche aufschiebend verneinenden Bedingungen, wo dies möglich ist, in auflösend bejahende Bedingungen um, deren Eintritt der Verpflichtete im Wege der Klage nach § 36 EO, allenfalls nach § 35 EO geltend zu machen habe. Eine derartige Umdeutung geschehe auch beim Terminsverlust, welcher nach seinem Wortlaut eine verneinende aufschiebende Bedingung darstelle. Wolle der Gläubiger nach Eintritt des Terminsverlusts den offenen Betrag betreiben, habe er den eingetretenen Verzug nicht zu beweisen. Der vorliegende Fall unterscheide sich von den üblichen Fällen des Terminsverlusts lediglich insofern, als der Beklagte nicht Teilzahlungen in Form von Raten zu erbringen, sondern laufende Zahlungen in einen zu Gunsten der Klägerin zu vinkulierenden Fonds zu leisten habe. Gleich wie in den sonstigen Fällen des Terminsverlusts sei jedoch vereinbart worden, dass bei nicht termingerechter („nicht vorschriftsgemäßer“) Zahlung die sofortige Fälligkeit des aushaftenden Gesamtbetrags eintreten solle. Auch im gegebenen Fall sei der urkundliche Beweis des Nichteintritts der Tatsache, nämlich die nicht vereinbarungsgemäß erfolgte Einzahlung in einen zu Gunsten der Klägerin zu vinkulierenden Fonds, von der Klägerin wohl kaum zu erbringen. Sie könne daher aufgrund des vorliegenden Titels ohne weiteren Nachweis Exekution führen, weshalb für die Klageführung kein Rechtsschutzinteresse bestehe und die Klage abzuweisen sei. Die Revision sei zulässig, weil sich die bisherige Judikatur auf die „klassischen“ Fälle einer Ratenzahlungsvereinbarung beziehe und nicht auf eine Konstellation wie die hier zu beurteilende, auch wenn es sich dabei gleichfalls um eine verneinende aufschiebende Bedingung handle.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision erweist sich als unzulässig, weil im vorliegenden Verfahren keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist. Das Berufungsgericht hat lediglich die in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten Grundsätze auf den zu beurteilenden Einzelfall angewendet.

Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, hat der betreibende Gläubiger nicht nur die rein negative Tatsache, dass der Verpflichtete seine titelmäßige Verpflichtung nicht erfüllt hat, weder zu behaupten noch zu beweisen (RIS-Justiz RS0001910), vielmehr ist auch anerkannt, dass verneinende aufschiebende Bedingungen in einem Exekutionstitel unter gewissen Umständen als auflösende Bedingungen aufzufassen sind, wenn etwa für die betreibende Partei eine Beweisführung der rein negativen Tatsache nicht möglich ist und daher aus diesem Grund die Beweislast auf die verpflichtete Partei übergeht, die dann den entsprechenden Negativbeweis mittels einer exekutionsrechtlichen Klage zu führen hat; dies gilt etwa, wenn die Fälligkeit eines an und für sich auf jeden Fall festgelegten Anspruchs von einer Mahnung des Berechtigten oder dem Verzug des Verpflichteten mit Teilleistungen abhängt (3 Ob 96/91 unter Hinweis auf SZ 25/228 [vereinbarte Mahnung] und GlU 6577 [vereinbarter Terminsverlust]).

Im hier zu beurteilenden Fall hat der Beklagte die Verpflichtung zur Zahlung von 23.500 EUR übernommen; sofern dieser Betrag nicht in Form eines zu Gunsten der Klägerin vinkulierten, am 1. 1. 2019 fälligen Fonds angespart wird, sollte der Gesamtbetrag sofort fällig werden. Zu Recht hat das Berufungsgericht diese Konstellation - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - nicht anders behandelt als etwa die Fälle eines vereinbarten Terminsverlusts (sofortiges Fälligwerden des gesamten offenen Rests) bei einem Zahlungsverzug mit festgelegten Raten (vgl dazu etwa RIS-Justiz RS0000432; 3 Ob 196/97p; 3 Ob 176/03h ua). Hier wie da geht es gleichermaßen um den (behaupteten) Nichteintritt von Umständen, die sich außerhalb der Sphäre des Berechtigten ereignen sollten. Dann ist es aber nur sachgerecht, dem Gläubiger, der sich darauf beruft, der Schuldner habe ein bestimmtes gebotenes Verhalten nicht gesetzt, die Möglichkeit zur Exekutionsführung aufgrund des „bedingten Titels“ zu ermöglichen und den Schuldner darauf zu verweisen, pflichtgemäßes Verhalten im Wege einer Impugnations- oder Oppositionsklage zu behaupten und zu beweisen.

Die von der Klägerin darüber hinaus aufgeworfene Frage nach der ausreichenden Bestimmtheit des Vergleichs, stellt sich bei dieser Lösung nicht, weil es dabei ja nur darum geht, ob jene Verpflichtung ausreichend bestimmt festgelegt wurde, die zum Gegenstand der Exekutionsbewilligung gemacht werden soll. Insoweit stellt sich aber kein Bestimmtheitsproblem, steht doch fest, dass aus dem Vergleich ein Betrag von 23.500 EUR geschuldet wird, dessen Fälligkeit die Klägerin aus der behaupteten Unterlassung des vereinbarten Ansparens ableitet. Damit steht einem (formgerechten) Exekutionsantrag ebensowenig im Wege wie einer diesem entsprechenden Exekutionsbewilligung. Ob die Vereinbarungen über das Ansparen ausreichend bestimmt sind bzw welche konkreten Verpflichtungen der Beklagte in diesem Zusammenhang übernommen hat, ist für die Bewilligung der Exekution ohne Bedeutung. Ihr steht insbesondere nicht im Wege, dass sich die Streitteile nicht darüber einig sind, ob die vom Beklagten nach den Feststellungen der Vorinstanzen gewählte Form des Ansparens in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht der Vereinbarung der Streitteile entspricht.

Damit ist das Berufungsgericht von der einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen und hat das Klagebegehren zu Recht abgewiesen, führt doch das Vorliegen eines (exequierbaren) gerichtlichen Vergleichs nach herrschender Rechtsprechung zur Abweisung der Klage wegen Fehlens des Rechtsschutzinteresses an einer Sachentscheidung (vgl nur RIS-Justiz RS0037242). Entgegen der Auffassung des Revisionsgegners, die er auch gar nicht näher zu begründen versucht, ist die Klagsführung nicht etwa wegen des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache unzulässig, was sich schon daraus ergibt, dass eben keine gerichtliche Entscheidung, sondern lediglich ein (gerichtlich beurkundeter) Vergleich vorliegt.

Der Revisionsgegner hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung ungeachtet der Zurückweisung der Revision selbst zu tragen, weil er darin weder auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen noch deren Zurückweisung mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO beantragt hat. Damit stellt sich der Schriftsatz nicht als eine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Maßnahme iSd § 41 Abs 1 ZPO dar.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte