OGH 10ObS38/10a

OGH10ObS38/10a1.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Georg Eberl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Julia E*****, vertreten durch Mag. Georg Ammann, Rechtsanwalt in Frohnleiten, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Josef-Pongratz-Platz 1, 8010 Graz, wegen Nachzahlung von Kinderbetreuungsgeld (2.198,20 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Februar 2010, GZ 7 Rs 84/09s-12, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin gebar am 6. 3. 2008 ihren Sohn Niklas und am 20. 5. 2009 ihre Tochter Valentina Sophie. Anlässlich der Geburt ihres Sohnes Niklas beantragte sie das Kinderbetreuungsgeld und den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld mit der Variante 20 + 4. Am 5. 5. 2010 teilte die beklagte Steiermärkische Gebietskrankenkasse mit, dass für den Zeitraum vom 2. 5. 2008 bis voraussichtlich 5. 11. 2009 Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 20,80 EUR täglich sowie ein Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld von 6,06 EUR täglich gebühre. Am 15. 4. 2009 beantragte die Klägerin eine Änderung der Leistungsart auf die Variante 15 + 3 in Höhe von täglich 26,60 EUR.

Die Klägerin hatte grundsätzlich die Absicht, bald nach der Geburt ihres Sohnes Niklas wieder schwanger zu werden, rechnete aber nicht damit, was den Grund für die Wahl der Variante 20 + 4 (anstatt der Variante 15 + 3) bildete.

Mit Bescheid vom 24. 4. 2009 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin ab.

Das Erstgericht wies das auf Nachzahlung des Betrags von 2.198,20 EUR an Kinderbetreuungsgeld (= Differenz von 5,80 EUR täglich x 379 Tage [2. 5. 2008 bis 19. 5. 2009]) gerichtete Klagebegehren im Hinblick auf die eindeutige Bestimmung des § 26a KBGG ab, wonach die bei der erstmaligen Antragstellung getroffene Wahl der Leistungsart später nicht mehr geändert werden könne.

Das Berufungsgericht bestätigte und ließ die Revision im Hinblick auf die Eindeutigkeit des Gesetzeswortlauts nicht zu. Das Berufungsgericht setzte sich ausführlich mit Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 26a KBGG auseinander und sah die Regelung als innerhalb des Gestaltungsspielraums des einfachen Gesetzgebers liegend an, weshalb es keinen Anlass zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens sah. Die Regelung führe zu keiner willkürlichen Ungleichbehandlung, zumal es auch nicht Ziel des Gesetzes gewesen sei, Eltern ein maximales Kinderbetreuungsgeld zu ermöglichen. Dem einfachen Gesetzgeber, der bei der Verfolgung familienpolitischer Zielsetzungen weitgehend frei sei, sei es im Lichte des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes beispielsweise auch nicht verwehrt, auf den durchschnittlichen Grad der Belastung durch die Kinderbetreuung abzustellen oder auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Eltern Bedacht zu nehmen.

In ihrer außerordentlichen Revision weist die Klägerin darauf hin, dass eine erhebliche Rechtsfrage im Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 26a KBGG liege. Ihres Erachtens sei die Bestimmung verfassungswidrig, weil eine Kinderbetreuungsgeldbezieherin, die vor Ablauf eines Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld ein weiteres Kind bekomme, in ihrem Wahlrecht ohne sachliche Rechtfertigung beschränkt sei; weil die Auswahl nicht revidiert werden könne, verliere sie bei Wahl einer längeren Variante den Rest des Anspruchs für das erste Kind. Es sei durchaus legitim, dass der Gesetzgeber verhindern wolle, dass Kinderbetreuungsgeldbezieher je nach Befindlichkeit und Laune zwischen den Varianten hin und her wechseln. Der Eintritt einer neuerlichen Schwangerschaft sei aber - im Gegensatz zum Wiedereintritt in den Beruf - nicht exakt planbar, weshalb es gerechtfertigt sei, von der Bestimmung des § 26a KBGG abzusehen und einen rückwirkenden Umstieg zuzulassen. Diese Umstiegsmöglichkeit sei auch aus einer Reihe von rechtspolitischen Gründen (Vorteile für den Arbeitgeber, Förderung des Wunsches nach einem weiteren Kind) zweckmäßig, während es keinen Grund gebe, der den Ausschluss des Umstiegs auch im Fall, dass die Kinderbetreuungsgeldbezieherin innerhalb der Anspruchsfrist ein weiteres Kind zur Welt bringe, sachlich rechtfertige. Eine Mutter, die sich von vornherein für die kürzere Variante entscheide und sehr bald neuerlich schwanger werde, erhalte - ohne sachliche Rechtfertigung - deutlich mehr Kinderbetreuungsgeld als eine Mutter, die eine längere Variante gewählt habe und deren Anspruch mit Geburt des zweiten Kindes ende.

Mit diesem Vorbringen wird aber keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

1. Die Klägerin zieht nicht in Zweifel, dass der Wortlaut des § 26a KBGG eindeutig ist. Auch in der Literatur gibt es keine Stimmen, die eine den Wortlaut korrigierende Auslegung vertreten (vgl etwa Thomasberger, Änderungen im Kinderbetreuungsgeldgesetz, DRdA 2008, 79; Ehmer ua, Kinderbetreuungsgeldgesetz2 [2009] 212 f; siehe auch die Vorstellung der Novelle in ARD 5818/5/2007).

Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656).

2. Die Ausführungen in der Revision der Klägerin sind nach Ansicht des Senats nicht geeignet, begründete Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 26a KBGG zu erwecken. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden. Es ist ganz allgemein nicht in Zweifel zu ziehen, dass die Möglichkeit eines Hin-und-Her-Schwenkens zwischen verschiedenen Varianten, je nachdem wie es momentan für den Betroffenen günstig ist („Rosinentheorie“), schon aus administrativen Gründen nicht sinnvoll ist.

Der Standpunkt der Klägerin läuft darauf hinaus, dass sie das Fehlen einer Ausnahmebestimmung für ihren speziellen Fall, in dem sich das Motiv der Wahl einer bestimmten (längeren) Variante ex post unter dem Gesichtspunkt der Sozialleistungsoptimierung als nicht zielführend erweist, für unsachlich und daher gleichheitswidrig hält. In ihrem konkreten Fall geht es darum, dass sie eine längere Variante (20 + 4) gewählt hat und früher als erwartet mit einem weiteren Kind schwanger wurde, weshalb sie entgegen ihrer ursprünglichen Erwartung nicht den gesamten vorgesehenen Bezugszeitraum auszuschöpfen vermochte. Die Verfassungskonformität des § 5 Abs 5 KBGG zieht sie nicht in Zweifel.

Würde der Gesetzgeber diesem Standpunkt folgen, müsste er konsequenterweise auch für den umgekehrten Fall eine spezielle Ausnahmebestimmung schaffen, wenn sich nämlich das Motiv für die Wahl einer kürzeren Variante, nämlich möglichst schnell wieder schwanger zu werden, ex post als unzutreffend herausstellt. Es ist aber generell nicht erkennbar, warum es nur für den Fall, dass die zur Optimierung von Sozialleistungen ins Auge gefasste Nachwuchsplanung durchkreuzt wird, Sonderregelungen geben sollte. Auch das Durchkreuzen anderer Motive (als Beispiel: es tun sich nicht eingeplante Karrieremöglichkeiten beim Arbeitgeber zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt auf oder verschließen sich unvorhergesehen) müsste legitimerweise zu einer Ausnahmeregelung führen. Auf diese Weise ließe sich aber nicht nur das gesetzgeberische Konzept, den Wechsel zwischen Varianten aus administrativen Gründen zumindest zu erschweren, nicht mehr verwirklichen, sondern es würde auch der in aller Regel faktisch bestehende Zusammenhang mit dem aufrechten Arbeitsverhältnis (Bekanntgabe der Dauer der Karenzierung nach § 15 Abs 3 MuSchG bzw § 2 Abs 5 VKG) aufgelöst.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist es im Allgemeinen zulässig, dass der einfache Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung, bezogen auf den Regelfall, ausgeht. Aus diesem Grund führen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs so genannte Härtefälle, die durch eine derartige Regelung bedingt werden, noch nicht per se zu ihrer Gleichheitswidrigkeit (VfGH B 525/06 = VfSlg 18.010 uva; 10 ObS 81/09y).

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass gerade die von der Klägerin gewählte Variante 20 + 4 aus arbeitsrechtlicher Sicht wegen der Abstimmung mit der Dauer der Karenz nach § 15 Abs 1 MuSchG durchaus auch Vorteile hat und nicht von vornherein besonders „härtefallgefährdet“ wäre.

3. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist somit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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