OGH 3Ob88/10b

OGH3Ob88/10b26.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria A*****, vertreten durch Dr. Gernot Müller, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Alexander A*****, vertreten durch Dr. Helmut Valenta und Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterhalts, über die „außerordentliche“ Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Februar 2010, GZ 15 R 328/09z-102, womit das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 9. Juni 2009, GZ 3 C 115/04w-95, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Streitteile sind geschiedene Ehegatten. Zugleich mit der Scheidung hatte ein slowenisches Gericht den Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 2.000 S ab 14. April 1992 an die Klägerin verurteilt. Mit vor dem Erstgericht am 7. Juni 1994 geschlossenen Vergleich hatte sich der Mann in Abänderung dieses Urteils zur Zahlung eines Unterhaltsbetrags von 3.000 S ab 1. Juni 1994 verpflichtet.

Die Klägerin begehrte nach einer Klagseinschränkung und mehreren Klagsausdehnungen zuletzt die Zahlung von Unterhaltsrückständen von 3.960 EUR (für die Zeit vom 1. August 2004 bis einschließlich Juli 2005), 3.840 EUR (für die Zeit vom 1. August 2005 bis einschließlich Juli 2006), 4.313,60 EUR (für die Zeit vom 1. August 2006 bis einschließlich Juli 2007), 4.430 EUR (für die Zeit vom 1. August 2007 bis einschließlich Dezember 2007) sowie 6.461 EUR (für die Zeit vom 1. Jänner 2008 bis einschließlich Juli 2008) und eines monatlichen Unterhalts von 276 EUR ab 1. August 2008. Sie brachte ua vor, der Beklagte zahle seit 1. August 2004 an sie grundlos keinen Unterhalt mehr.

Über Berufung des Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das - abgesehen von der Abweisung von Unterhaltsrückständen von 1.720 EUR und 2.450 EUR (für die Zeit vom 1. August 2007 bis einschließlich Juli 2008) - stattgebende Ersturteil. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die gegen dieses Urteil erhobene „außerordentliche“ Revision des Beklagten legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorgangsweise widerspricht der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:

Nach § 502 Abs 4 ZPO idFd WGN 1997 und zuletzt des Budgetbegleitgesetzes BGBl I 2009/52 (anwendbar nach Art 16 Abs 4 leg cit auf nach dem 30. Juni 2009 ergangene Berufungsentscheidungen) ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn in einem Verfahren über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt (wovon hier nach dem festgestellten Sachverhalt auszugehen ist) der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert nicht insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Im vorliegenden Fall, in dem es - ungeachtet der unausgesprochenen Einbeziehung des bereits früher verglichenen Unterhalts in den Urteilsspruch - nur um die Erhöhung, nicht die erstmalige Festsetzung gesetzlichen Unterhalts geht, ist Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz nach zutreffender neuerer Rechtsprechung allein das 36-fache des strittigen laufenden Unterhalts (RIS-Justiz RS0042366; RS0122735; RS0103147). Auf die Unterhaltsbeträge für die Vergangenheit kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0114353). Strittig ist aber in Wahrheit - ungeachtet des Prozessstandpunkts des Beklagten, er schulde gar keinen Unterhalt, hat er doch keine Widerklage auf Herabsetzung erhoben - nur die Differenz zwischen dem vom Erstgericht zuerkannten und dem schon (rechtswirksam) verglichenen Monatsbetrags von (276 minus rund 218 =) etwa 58 EUR. Das 36-fache beträgt - insgesamt daher etwa 2.088 EUR. Dies ist der maßgebliche Betrag iSd § 58 Abs 1 JN (RIS-Justiz RS0042366 [T8]). Der Rechtsmittelwerber hat nun das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und geltend gemacht, dass und aus welchen Gründen er entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte. Der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs ist allerdings nicht an das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO), sondern an den Obersten Gerichtshof gerichtet.

Im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch (auch) im Streitwertbereich des § 502 Abs 4 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof, vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623). Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe der verfehlte Antrag entgegen, dann wird es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben.

Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte