OGH 8ObS2/10t

OGH8ObS2/10t19.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Univ.-Prof. DI Hans Lechner (AG) und Monika Kemperle (AN) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei W***** H*****, vertreten durch Dr. Andreas Löw, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen 15.282,62 EUR netto sA (Insolvenz-Ausfallgeld), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 2009, GZ 7 Rs 72/09y-12, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 11. Februar 2009, GZ 10 Cgs 358/08x-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kündigte im Jahr 2005 sein seit 1998 bestehendes Dienstverhältnis als Speditionssachbearbeiter, weil er von einem neuen Arbeitgeber, dem später insolventen Unternehmen, abgeworben worden war. Der neue Dienstvertrag vom 2. November 2005 enthält den Vermerk „Anrechenbare Vordienstzeiten für die Abfertigung - 7“; Hintergrund dieser Zusage war, dass der Kläger auch einen Großkunden zum neuen Arbeitgeber „mitbrachte“.

Das neue Dienstverhältnis endete bereits zum 31. Dezember 2006 durch Dienstgeberkündigung. Nachdem am 30. Juni 2008 ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gegen die Dienstgeberin mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden war, stellte der Kläger einen Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld für seine noch offenen Entgeltansprüche.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr der von der Beklagten mit Bescheid vom 9. Dezember 2008 abgewiesene Anspruch des Klägers auf Insolvenz-Ausfallgeld für eine „Abfertigung alt“ im Ausmaß von drei Monatsentgelten, den er auf die schriftlich vereinbarte „Anrechnung“ seiner von 1998 bis 2005 erworbenen Vordienstzeiten stützt.

Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob Vereinbarungen über eine „Abfertigung alt“, die nach dem BMSVG nicht vorgesehen sind, der Insolvenz-Entgeltsicherung unterliegen können.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Zunächst kann auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zur Anwendbarkeit des BMSVG auf das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis, die Beschränkung der Insolvenzsicherung nach § 1 Abs 4a IESG auf gesetzliche Abfertigungen sowie die Möglichkeit und Grenzen der Anrechnung von Vordienstzeiten verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist der Revision noch Folgendes entgegenzuhalten:

Das streitgegenständliche Dienstverhältnis wurde nach dem 31. Dezember 2002 begründet, weshalb der Kläger von vornherein daraus keinen gesetzlichen Anspruch auf eine „Abfertigung alt“ gemäß § 23 f AngG mehr erwerben konnte (§ 46 Abs 1 BMSVG). Die Klausel einer „Anrechnung“ von „Vordienstzeiten für die Abfertigung“ geht daher nach ihrem Wortsinn ins Leere.

Beide Vorinstanzen haben die Klausel daher nicht als Anrechnungsvereinbarung, sondern als eigenständige Zusage einer freiwilligen Abfertigung im Fall der Kündigung des neuen Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber ausgelegt; gegen dieses Verständnis wendet sich auch der Kläger nicht. Eine derartige Zusage begründet aber keinen gesetzlichen (§ 23 f AngG), sondern nur einen vertraglichen Anspruch, der nicht nach § 1 Abs 4a IESG von der Insolvenz-Entgeltsicherung erfasst wird. Es fehlt dabei eine der Abfertigung nach § 23 f AngG vergleichbare Verbindung mit dem neuen Arbeitsverhältnis.

Die Anrechnungsklausel stellte zudem nach dem Vorbringen des Klägers - neben dem höheren Gehalt - eine Gegenleistung für seine Bereitschaft dar, sich abwerben zu lassen und einen wichtigen Kunden „mitzunehmen“. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits wiederholt ausgesprochen, dass Geldleistungen, die im Zusammenhang mit der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses versprochen werden, nicht durch das IESG gesichert sind (RIS-Justiz RS0076561, beginnend mit 9 ObS 22/91 = SZ 65/15, zuletzt 8 ObS 14/09f [Abwerbeprämie]; Liebeg, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz3, § 1 Rz 276; vgl auch Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 111).

Soweit der Kläger auch in seiner Revision „aus anwaltlicher Vorsicht“ geltend macht, sein Anspruch bestehe wenigstens in Höhe der (fiktiv) auf die anzurechnenden Vordienstzeiten entfallenden Beiträge zu einer Mitarbeitervorsorgekassa zu Recht, ist auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zur sukzessiven Kompetenz und der daraus abzuleitenden Unzulässigkeit einer Änderung des Klagsanspruchs zu verweisen, denen die Revision im Übrigen auch mit keinem Argument entgegentritt.

Die Vorinstanzen haben daher zutreffend übereinstimmend die Klage auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld abgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 ASGG.

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