OGH 8Ob130/09i

OGH8Ob130/09i19.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Torggler Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) J*****GmbH, *****, vertreten durch Summer, Schertler, Stieger, Droop Rechtsanwälte in Bregenz, und 2.) S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Hubertus Schumacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Duldung (70.000 EUR), über die Rekurse beider beklagter Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. Juni 2009, GZ 2 R 126/09k-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 26. Februar 2009, GZ 5 Cg 62/07y-18, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Sowohl die klagende als auch die beklagten Parteien sind unbeschränkt haftende Gesellschafter der E***** OG (in weiterer Folge: OG). Weitere Gesellschafter existieren nicht. Arbeitnehmer und einer der Prokuristen der OG ist Dkfm E***** G***** (in weiterer Folge: Prokurist), dessen Dienstvertrag unter anderem lautet:

„§ 1 Tätigkeit und Aufgabengebiet:

Der Dienstnehmer ist alleiniger Leiter der E***** und in dieser Position der Gesellschafterversammlung direkt unterstellt und verantwortlich. Er ist verpflichtet, das Unternehmen kaufmännisch einwandfrei mit Verantwortung zu leiten, sowie die ihm hinsichtlich der zustehenden Befugnisse zur Kenntnis gebrachten Gesellschafterbeschlüsse genau zu beachten. Die Zuweisung einer anderen, nicht gleichwertigen Tätigkeit bildet einen wichtigen Grund iSd § 26 Angestelltengesetz. Der Dienstnehmer ist Einzelprokurist der Gesellschaft.“

Die Klägerin begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, ab sofort die Ausübung der Geschäftsführung der Klägerin in der OG durch einen geschäftsführenden Gesellschafter oder einen schriftlich bevollmächtigten Angestellten der Klägerin zu dulden und es zu unterlassen, sie in ihrem Recht auf ungestörte Geschäftsführung zu behindern. Mit ihrem ersten Eventualbegehren begehrt die Klägerin, die Beklagten schuldig zu erkennen, der sofortigen Abberufung des Prokuristen als alleinigem Leiter der OG aus wichtigen Gründen zuzustimmen. Mit einem zweiten Eventualbegehren begehrt die Klägerin die Beklagten schuldig zu erkennen, der Einschränkung der dem Prokuristen von der OG erteilten Einzelprokura auf eine Gesamtprokura aus wichtigen Gründen zuzustimmen.

Die Klägerin brachte zusammengefasst vor, dass nach § 9 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags der OG jeder Gesellschafter zur Geschäftsführung durch einen geschäftsführenden Gesellschafter oder durch einen schriftlich bevollmächtigten Angestellten berufen sei. De facto sei die alleinige Leitung der OG von 1993 bis 3. 9. 2007 aber vom Prokuristen wahrgenommen worden. Am 26. 4. 2007 hätten die Beklagten ohne Wissen und gegen den Willen der Klägerin dem Prokuristen eine freiwillige Abfertigung zugesichert, wodurch sie das im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Mehrheitserfordernis und somit das Mitentscheidungsrecht der Klägerin unterlaufen hätten. Auch dem Prokuristen sei ein Vertrauensbruch vorzuwerfen, weshalb die Klägerin die Geschäftsführung durch ihren eigenen Geschäftsführer wieder selbst wahrnehmen wolle. Dieses Recht werde ihr durch die Beklagten verweigert. Gemäß § 114 UGB und § 9 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags könne der Klägerin jedoch das Recht auf Geschäftsführung nicht verwehrt werden. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag des Prokuristen vom 19. 12. 1995, weil diesem durch einen solchen Vertrag die Geschäftsführungsbefugnisse nicht rechtswirksam überlassen werden konnten. Geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen, gesteigerte Risikofreude des Prokuristen und das Herannahen seines Ausscheidens aus der Gesellschaft machten die von der Klägerin geforderten Maßnahmen notwendig.

Die Beklagten wandten - soweit im Rekursverfahren von Interesse - die mangelnde Passivlegitimation ein. Sämtliche Klagebegehren berührten direkt die Rechtsstellung des Prokuristen, sodass dieser als notwendiger Streitgenosse Parteistellung im Verfahren habe. Er übe die Leitung der OG nicht „de facto“, sondern aufgrund seines Dienstvertrags aus, sodass im Falle der Stattgebung eines der Klagebegehren seine dienstvertragliche Rechtsstellung betroffen wäre. Auch die OG hätte in das Verfahren einbezogen werden müssen. Im Übrigen sei das Vorbringen der Klägerin, mit der sie ihre Klagebegehren begründe, unzutreffend.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein stattgebendes Urteil wirke sich direkt auf den Prokuristen aus, weil es eine ihm allenfalls eingeräumte alleinige Leitungsbefugnis einschränken würde. Es liege daher eine einheitliche Streitpartei gemäß § 14 ZPO vor, sodass es den Beklagten mangels Einbindung des Prokuristen an der Passivlegitimation fehle.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung der Klägerin auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Eine einheitliche Streitpartei liege gemäß § 14 Satz 1 ZPO dann vor, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstrecke. Eine einheitliche Streitpartei liege auch vor, wenn das materielle Recht gebiete, die Klage für oder gegen alle übrigen Partner zu erheben (notwendige Streitgenossenschaft). Dies sei dann der Fall, wenn für sämtliche Streitgenossen aus der Einheitlichkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts ein gemeinsames Begehren abgeleitet werde, wenn die Kläger nur gemeinschaftlich über den strittigen Anspruch verfügen könnten oder wenn das allen Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen oder für alle einheitlich festgestellt oder gestaltet werden könne. Bei schuldrechtlichen Verhältnissen sei eine einheitliche Streitpartei im Zweifel anzunehmen, wenn wegen Nichterfassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Einzelentscheidungen bestehe.

An diesen Voraussetzungen fehle es im vorliegenden Fall. Gemäß § 114 Abs 1 UGB seien grundsätzlich alle Gesellschafter berechtigt und verpflichtet, einzeln die Geschäfte der Gesellschaft zu führen. Gemäß § 114 Abs 4 UGB dürfe ein Gesellschafter im Zweifel die Führung der Geschäfte nicht einem Dritten übertragen. Da die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden sei, könne sie nicht übertragen werden und verbleibe unabhängig von einer Überlassung der Geschäftsführung zur Ausübung beim jeweiligen Gesellschafter. Daher scheide eine organschaftliche Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis an den Prokuristen durch den Dienstvertrag von vornherein aus, sodass er nicht notwendig in das Prozessrechtsverhältnis als Mitglied einer einheitlichen Streitpartei auf Seite der Beklagten mit einzubeziehen sei.

Im Fall eines dem Hauptbegehren stattgebenden Urteils werde daher nicht in einer Weise in die Rechtssphäre des Prokuristen eingegriffen, die seine Einbeziehung als Mitglied einer einheitlichen Streitpartei auf Seite der beklagten Parteien erfordere. Dies gelte auch für die Eventualbegehren, die auf eine gesellschaftsinterne Willensbildung aller Gesellschafter abstellten. Ein einem der beiden Eventualbegehren stattgebendes Urteil substituiere nur eine gesellschaftsinterne Beschlussfassung, die nach außen hin, daher im Verhältnis zum Prokuristen, keine Wirkung zeitige. Es bedürfe vielmehr zur Erzielung einer Außenwirkung und damit eines Eingriffs in das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Prokuristen eines weiteren Rechtsakts wie etwa der Auflösung des Arbeitsvertrags (erstes Eventualbegehren) oder eines entsprechenden Antrags beim Firmenbuchgericht (zweites Eventualbegehren).

Die Ausgangssituation und Interessenlage der Streitteile gleiche auch der in § 16 Abs 2 GmbHG für den Fremdgeschäftsführer einer GmbH geregelten Rechtslage. Auch dort sei die Prüfung erforderlich, ob wichtige Gründe zur Abberufung des Fremdgeschäftsführers vorlägen; dennoch sei dem Fremdgeschäftsführer lediglich von Amts wegen der Streit zu verkünden, um ihm die Möglichkeit des Beitritts als Nebenintervenient im Verfahren zu ermöglichen. Damit habe der Gesetzgeber offensichtlich in Kauf genommen, dass theoretisch im Zustimmungsprozess das Vorliegen eines wichtigen Abberufungsgrundes bejaht, in einem sich daran allenfalls anschließenden Verfahren des Fremdgeschäftsführers, der seine Abberufung anficht, hingegen verneint werde.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, da zur Frage, ob einem mit der Geschäftsführung einer OG betrauten Dritten oder einem Prokuristen Parteistellung im Sinn einer einheitlichen Streitpartei im Zustimmungsverfahren zu seiner Abberufung bzw zur Einschränkung der ihm erteilten Prokura zukomme, nicht vorliege.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse beider Beklagter.

Die Klägerin beantragt, den Rekursen der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse der Beklagten sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie sind jedoch nicht berechtigt.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts ist zutreffend, sodass auf sie gemäß § 510 Abs 3 ZPO verwiesen werden kann. Ergänzend ist den Beklagten Folgendes entgegenzuhalten:

I. Die einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO ist insofern ein Sonderfall der Streitgenossenschaft, als hier nicht wie in den anderen Fällen der Streitgenossenschaft eine subjektive Klagenhäufung vorliegt, sondern vielmehr über ein einheitliches Rechtsverhältnis entschieden wird, sodass aus diesem Grund die Personenmehrheit als einheitliche Partei aufgefasst werden soll (Schubert in Fasching/Konecny 2 II/1 § 14 Rz 1). Unter welchen Voraussetzungen eine einheitliche Streitpartei vorliegt, hat bereits das Berufungsgericht ausführlich dargelegt, das auch zutreffend darauf verwiesen hat, dass diese Voraussetzungen hier nicht gegeben sind.

II. Unstrittig ist der Prokurist nicht organschaftlicher Geschäftsführer sondern Arbeitnehmer der OG. Sowohl das Hauptbegehren der Klägerin als auch ihre Eventualbegehren sind nicht auf die unmittelbare Beeinflussung seines Arbeitsvertrags (entweder in Form seiner Beendigung oder seiner Änderung) gerichtet, sondern zielen auf die gesellschaftsinterne Willensbildung der Gesellschafter im Hinblick auf den Arbeitsvertrag ab. Die Beklagten sollen zu einem Verhalten verpflichtet werden, das in weiterer Folge Auswirkungen (welche auch immer) auf den Arbeitsvertrag des Prokuristen haben würde. Demgemäß kann ein Urteil, mit dem einem der Begehren stattgegeben wird, keine unmittelbare rechtliche Wirkung auf den Arbeitsvertrag entfalten. Richtig ist lediglich, dass ein stattgebendes Urteil durch die Beeinflussung der Willensbildung bzw des Verhaltens der Beklagten mittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsvertrag des Prokuristen haben würde. Solche mittelbaren Auswirkungen können aber die Annahme einer einheitlichen Streitpartei iSd § 14 ZPO nicht rechtfertigen.

III. Die Ausführungen der Rekurswerber, wonach im Fall einer Klagestattgebung die Gefahr unlösbarer Verwicklungen bestehe, übersehen, dass die Urteilsbegehren nicht vorgeben, wie das von den Beklagten begehrte Verhalten arbeitsrechtlich umzusetzen ist und insbesondere den Beklagten nicht vorschreiben, zwingende arbeitsrechtliche Bestimmungen zu verletzen.

IV. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 16 Abs 2 GmbHG stellen lediglich eine (vergleichende) Hilfsbegründung dar, auf die einzugehen nicht erforderlich ist.

V. Warum es iSd § 14 ZPO notwendig sein sollte, die OG selbst als Partei dem Verfahren beizuziehen, wurde schon bisher nicht schlüssig begründet und wird auch in den Rekursen nicht nachvollziehbar dargelegt.

IV. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

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