OGH 3Ob67/10i

OGH3Ob67/10i28.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut Nestler, Graz-Wetzelsdorf, Abstallerstraße 41, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der T***** GmbH, *****, vertreten durch Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen 57.265 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 52.115,66 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 11. Februar 2010, GZ 2 R 12/10t-32, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Oktober 2009, GZ 28 Cg 46/08w-28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Gerade in Ansehung der in der außerordentlichen Revision als mangelhaft bezeichneten Feststellung des Erstgerichts, dass der Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin zu Unrecht von einer positiven Fortbestehensprognose ausging, erledigte das Berufungsgericht - das im Übrigen einige der erstgerichtlichen Feststellungen mangels Relevanz nicht übernahm - die Beweisrüge in der Berufung und erachtete die bekämpfte Feststellung als unbedenklich.

2. Das Berufungsgericht ist erkennbar davon ausgegangen, dass die beklagte Partei bei entsprechenden Nachforschungen die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin erkannt hätte. Diese von den Umständen des Einzelfalls abhängige (RIS-Justiz RS0042837) Beurteilung steht im Einklang mit den Leitlinien der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (Beispiele aus der Judikatur bei Rebernig in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 31 KO Rz 48 ff).

3. Die beklagte Partei kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, sie habe darauf vertrauen dürfen, dass das Konkursgericht - das den von der beklagten Partei selbst gestellten Konkursantrag nach Erhebungen mit der Begründung abgewiesen hatte, die Schuldnerin habe die Forderungen der beklagten Partei bereinigt - die Zahlungsunfähigkeit nach ordnungsgemäßer Prüfung zutreffend verneinte: Immerhin erfuhr eine Mitarbeiterin des zuständigen Finanzamts im Zuge des Konkurseröffnungsverfahrens, dass die Schuldnerin nur an die Gebietskrankenkasse und das Finanzamt Vollzahlung geleistet hatte, hingegen mit sämtlichen übrigen Gläubigern (bloß) Ratenzahlungsvereinbarungen geschlossen hatte. Ob die getroffenen Ratenzahlungsvereinbarungen realistisch erfüllbar waren, prüfte weder das Konkursgericht noch stellte die beklagte Partei entsprechende Nachforschungen an.

Dass eine zuvor gegebene Anfechtbarkeit wegen Kenntnis bzw fahrlässiger Unkenntnis des Anfechtungsgegners von Begünstigungsabsicht und Zahlungsunfähigkeit nicht nachträglich - „formalisiert“ durch die Abweisung eines anhängigen Konkursantrags - aufgehoben wird, entspricht der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (10 Ob 46/05w; 10 Ob 6/06i je mwN).

4. Bei dieser Sachlage ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der beklagten Partei sei die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin fahrlässig unbekannt geblieben, jedenfalls vertretbar. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob die in der ausführlich begründeten und mehrfach veröffentlichten Grundsatzentscheidung 1 Ob 156/05f (SZ 2005/146 = JBl 2006, 326 = ZIK 2006/116 = ecolex 2006/119 = RIS-Justiz RS0120313) zum Ausdruck gebrachte und in der seither erschienenen Kommentarliteratur nicht kritisierte (vgl Rebernig aaO § 30 KO Rz 144 f; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung4 Rz 10/101) Auffassung, dass für die Verwirklichung des Tatbestands des § 30 Abs 1 Z 3 KO fahrlässige Unkenntnis des Anfechtungsgegners von der Begünstigungsabsicht ausreicht, allein wegen ihres Abweichens von teilweise gegenteiligen Vorentscheidungen (RIS-Justiz RS0111463) eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft.

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