OGH 6Ob229/09h

OGH6Ob229/09h15.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** M*****, vertreten durch Dr. Bernhard Guggenberger, Rechtsanwalt in Innsbruck, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Casinos Austria Aktiengesellschaft, 1038 Wien, Rennweg 44, vertreten durch LANSKY, GANZGER + partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 200.000 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. Juli 2009, GZ 4 R 129/09s-29, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 20. März 2009, GZ 13 Cg 3/08a-24, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Das Rekursverfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 25. März 2010, GZ 2 Ob 252/09m, eine Wortfolge in § 25 Abs 3 GlücksspielG idF BGBl I 2005/105 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Der Kläger, ein italienischer Staatsangehöriger, begann, nachdem ihm aufgrund eines Unfalls von seiner Versicherung 300.000 EUR ausbezahlt worden waren, Anfang Jänner 2005, in den Casinobetrieben der Beklagten in Innsbruck und Seefeld Roulette zu spielen.

Ab März 2005 war der Kläger fast täglich Casinobesucher der Beklagten, wobei sich seine Einsätze letztlich auf bis zu 400 EUR steigerten und er an mehreren Roulettetischen gleichzeitig spielte. Im Jahr 2006 steigerten sich seine Einsätze noch weiter.

Aufgrund der Häufigkeit seiner Casinobesuche wurde er im August 2006 von einem Mitarbeiter der Beklagten darauf angesprochen, ob er sich das Ganze auch leisten könne. Der Kläger antwortete darauf, er habe von einer Versicherung sehr viel Geld aus einem Unfall bekommen. Der letzte Besuch des Klägers bei der Beklagten fand am 17. 8. 2006 statt.

Die Beklagte hat es unter anderem in den Jahren 2005 und 2006 so gehalten, dass sie nur Inländer den Beschränkungen des § 25 Abs 3 GSpG unterwarf. Der Kläger war in den Jahren 2005 und 2006 geschäftsfähig.

Der Kläger begehrt von der Beklagten unter Berufung auf § 25 Abs 3 GSpG aus dem Titel des Schadenersatzes 200.000 EUR; diesen Betrag habe er in den Jahren 2005 und 2006 in den Spielcasinos der Beklagten verloren.

Die Beklagte hielt dem entgegen, dass § 25 Abs 3 GSpG in diesen Jahren nur auf österreichische Staatsangehörige anzuwenden gewesen sei. Auf diese Rechtslage habe sie vertrauen dürfen; allfällige Gemeinschaftsrechtswidrigkeiten dieser Bestimmung könnten daher nicht zu ihren Lasten gehen. Im Übrigen bestritt die Beklagte die behaupteten Verluste des Klägers der Höhe nach.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 25 Abs 3 GSpG sei in den Jahren 2005 und 2006 nicht auf Ausländer anzuwenden gewesen; dies sei auch nicht gemeinschaftsrechtswidrig gewesen. Im Übrigen könnten Spielverluste des Klägers lediglich in Höhe von 40.000 EUR festgestellt werden.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu; es fehle an Rechtsprechung zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art 12 EGV im Verhältnis zwischen einem Privaten und der ein Monopol ausübenden Beklagten ebenso wie zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Ersatzanspruchs nach § 25 Abs 3 GSpG auf das Existenzminimum.

In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, die Beschränkung des § 25 Abs 3 GSpG in den in den Jahren 2005 und 2006 geltenden Fassungen habe gegen das Diskriminierungsverbot des Art 12 EGV verstoßen und sei daher unbeachtlich gewesen. Dies hätte auch die mit einem Monopol ausgestattete Beklagte, die damit als Unternehmen im Sinn des Art 86 EGV anzusehen sei, beachten müssen. Als Spielbankmonopolist hätte sich die Beklagte auch über die einschlägigen europarechtlichen Bestimmungen informieren und dabei die unzulässige Diskriminierung erkennen müssen. Da sie dies nicht getan habe, hafte sie dem Kläger grundsätzlich nach § 25 Abs 3 GSpG aus dem Titel des Schadenersatzes; dies allerdings beschränkt mit dessen Existenzminimum, wobei das Berufungsgericht diese Beschränkung für verfassungskonform hielt. Hinsichtlich der Höhe der vom Kläger erlittenen Verluste trug das Berufungsgericht dem Erstgericht die Verbreiterung des Sachverhalts und sodann die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO auf.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof stellte mit Entscheidung vom 25. 3. 2010 in dem zu AZ 2 Ob 252/09m anhängigen Verfahren, dem ein weitgehend vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Wortfolge „wobei die Haftung der Spielbankleitung der Höhe nach mit der Differenz zwischen dem nach Verlusten das Existenzminimum unterschreitenden Nettoeinkommen des Spielers unter Berücksichtigung seines liquidierbaren Vermögens einerseits und dem Existenzminimum andererseits abschließend beschränkt ist; höchstens beträgt der Ersatz das konkrete Existenzminimum“ im 6. Satz des § 25 Abs 3 GSpG idF BGBl I 2005/105 als verfassungswidrig aufzuheben.

Das Verfahren über den Rekurs ist von Amts wegen zu unterbrechen.

§ 25 Abs 3 GSpG, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit der 2. Senat des Obersten Gerichtshofs Bedenken hat, ist auch für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren präjudiziell.

Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren zwar nicht vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist jedoch durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung - widersprechende Entscheidungen im Sinn der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern - auch im vorliegenden Fall zutrifft (2 Ob 63/02g; 2 Ob 240/08w).

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