OGH 13Os22/10z

OGH13Os22/10z8.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Rumpl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ali S***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 29. Oktober 2009, GZ 604 Hv 10/09g-91, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ali S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er - zusammengefasst - am 22. Jänner 2008 in Bruck an der Leitha durch (zu ergänzen: Gewalt und) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer im Urteilsspruch näher bezeichneten Schreckschusspistole, mithin einer Waffe, Gewahrsamsträgern des Unternehmens A***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 14.390 Euro, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem er die im Wettlokal befindlichen Angestellten Thomas R***** und Ana N***** mit der Waffe bedrohte, letztere in den Tresorraum zerrte, Thomas R***** dorthin schickte und unter Bedrohung mit der Waffe zum Öffnen des Tresors aus welchem er Banknoten im angeführten Gesamtbetrag entnahm, nötigte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3 und 5 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der Zeuge R***** habe auf sein Aussageverweigerungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 1 StPO nach Information darüber nicht ausdrücklich verzichtet (ON 86 S 21), übersieht er neben der mangelnden Nichtigkeitsrelevanz dieses Umstands, dass das Gesetz ausdrücklichen Verzicht auf Aussageverweigerungsrechte (§ 157 StPO) nicht verlangt (§ 159 StPO; Kirchbacher, WK-StPO § 159 Rz 8, 10).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Erstgericht den Umstand (US 4), dass die Zeugin Ana N***** den Beschwerdeführer bei dessen Eintreten in das Wettlokal anlächelte, sehr wohl im Rahmen der beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit seiner als unglaubwürdig verworfenen Verantwortung erörtert (US 7, vgl auch US 9), weshalb der Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht.

Der ebenfalls im Rahmen der Mängelrüge aus dem Erfordernis umfassender beweiswürdigender Auseinandersetzung mit Bildern aus der Videoüberwachung (US 5 f) abgeleitete Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ist schlechterdings unverständlich.

Weshalb die weiters hervorgehobenen Umstände, dass die als Zeugin vernommene Denisa G***** von einem Polizeibeamten in einem Amtsvermerk als glaubwürdig bezeichnet wurde (vgl ON 47 S 5) und als Tante des Gabriel B***** über diesen „sogar teilweise faktische Obsorge“ gehabt habe, im Hinblick auf ihre (vom Erstgericht verneinte) Glaubwürdigkeit als erheblich (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 29, 432) in den Entscheidungsgründen ausdrücklich hätten erörtert werden müssen, lässt das weitere Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) offen. Vom Verwandtschaftsverhältnis dieser Zeugin zu Gabriel B***** gingen die Tatrichter im Übrigen ohnehin aus (vgl US 10).

Ebenso unberechtigt ist die Kritik an unterbliebener Erörterung der Aussage der Zeugin Ana N***** (Z 5 zweiter Fall), wonach Thomas R***** den Beschwerdeführer anlässlich einer Lichtbildvorlage bei der Polizei zunächst nicht habe identifizieren können (vgl ON 89 S 9 f). Dem Beschwerdevorbringen zuwider deponierte Thomas R***** nämlich im Wesentlichen stets gleichlautend, dass er infolge seines Schockzustands den Täter erst nach entsprechendem Hinweis der Ana N***** wiedererkannt habe (vgl ON 32 S 27 f und ON 86 S 28), sodass deren Angaben zu seinen eigenen nicht im Widerspruch stehen und ihnen daher erhebliche Bedeutung für die Beurteilung seiner von den Tatrichtern bejahten (US 12) Glaubwürdigkeit nicht zukommt.

Weshalb das Erstgericht sich in den Entscheidungsgründen ausdrücklich mit Einzelheiten der Aussage des Zeugen Gabriel B***** hätte auseinander setzen müssen, auf die es Feststellungen entscheidender Tatsachen ohnehin nicht stützte (vgl US 11 f), lässt die weitere Rüge (Z 5 zweiter Fall) offen; im Übrigen wäre selbst die Annahme einer vom Beschwerdeführer behaupteten Beitragstäterschaft dieses Zeugen (vgl ON 86 S 4 f), ohne Relevanz für die Schuld- oder Subsumtionsfrage.

Mit dem pauschal (ohne Zitierung von Belegstellen aus dem Akt) geäußerten Einwand (Z 5 fünfter Fall), der Beschwerdeführer habe im Laufe des gesamten Verfahrens nicht - wie im Urteil angegeben (vgl US 7) - fünf verschiedene Versionen der Tat geschildert, sondern „im Wesentlichen“ zwei, wird kein erheblicher Widerspruch bei der Wiedergabe seiner mehrfach geänderten Verantwortung (vgl dazu ON 5 S 59 ff, ON 8 S 3 ff, ON 8 S 15 ff, ON 32 S 5 ff, ON 60 S 3 ff und ON 86 S 3 ff) zwischen Entscheidungsgründen und dem jeweiligen Protokollsinhalt aufgezeigt.

Bei der Urteilspassage, der Angeklagte sei nicht in der Lage gewesen zu erklären, weshalb er zwar Thomas R*****, nicht aber Gabriel B***** bei seiner Vernehmung vor der Polizei (im Gegensatz zu seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung) der Mittäterschaft bezichtigt habe (US 8), handelt es sich ersichtlich um eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Depositionen des Beschwerdeführers (vgl ON 86 S 7), nicht um deren inhaltliche Wiedergabe, weshalb Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) von vornherein ausscheidet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 468).

Schließlich versagt auch die Kritik an den erstgerichtlichen Ausführungen, wonach die Aussage des Thomas R*****, eine Umstellung der Auszahlungsmodalitäten im Wettlokal sei für die Tage nach dem Überfall nicht konkret geplant gewesen (ON 86 S 22), vom Zeugen Paul K***** bestätigt worden seien (Z 5 fünfter, inhaltlich teils auch zweiter Fall). Der vom Erstgericht sehr wohl erörterten (US 12) Aussage dieses Zeugen ist dem Beschwerdevorbringen zuwider keineswegs zu entnehmen, dass im überfallenen Wettlokal eine - in dieser Form im Übrigen auch von Thomas R***** in der ersten Hauptverhandlung nicht bestätigte (vgl ON 32 S 13 f) - unmittelbar bevorstehende Systemumstellung bekannt gewesen wäre. Zudem hätte eine für alle Filialen in Niederösterreich in größerem zeitlichen Abstand geplante Änderung des Auszahlungssystems Paul K***** zufolge nicht den Zweck einer Verringerung der Missbrauchsgefahr durch Angestellte gehabt (ON 89 S 4 f). Auch in diesem Zusammenhang vermag die Rüge somit keine erheblichen Widersprüche bei der Wiedergabe von Aussagepassagen in den Entscheidungsgründen aufzuzeigen.

Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte