Spruch:
Die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Villach an das Bezirksgericht Fünfhaus wird nicht genehmigt.
Text
Begründung
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 27. April 2006, GZ 2 P 121/03x-8, wurde die einstweilige Obsorge der damals noch Minderjährigen ihrer Großmutter zuerkannt und den Eltern gleichzeitig entzogen.
Die Großmutter beantragte am 2. Mai 2006 im Namen der Minderjährigen beim Bezirksgericht ihres (und der Minderjährigen) gewöhnlichen Aufenthalts, den Vater zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen zu verpflichten.
Mit Beschluss vom 6. Juli 2006 verpflichtete das Bezirksgericht Villach den Vater der Minderjährigen zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge ab 1. Mai 2006. Zunächst wurde die Rechtskraft dieses Beschlusses bestätigt, jedoch über Antrag des Vaters mit Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 3. Februar 2009 infolge Zustellmangels aufgehoben.
Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 6. Juli 2006 wurde über Rekurs des Vaters vom Landesgericht Klagenfurt als Rekursgericht aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen (Beschluss vom 16. Dezember 2009).
Mit Beschluss vom 23. Dezember 2009 übertrug das Bezirksgericht Villach die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache - hinsichtlich der Unterhaltsfestsetzung - gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Fünfhaus, weil das Kind nunmehr ständig in dessen Sprengel Aufenthalt habe. Es sei daher zweckmäßiger, wenn das Bezirksgericht Fünfhaus die Pflegschaftssache führe.
Das Bezirksgericht Fünfhaus verweigerte die Übernahme des Pflegschaftsverfahrens mit dem Hinweis auf das offene Unterhaltsverfahren.
Das Bezirksgericht Villach legte den Akt hierauf dem Obersten Gerichtshof mit dem Ersuchen um Entscheidung „über den Kompetenzkonflikt“ vor und erachtete die Weiterführung der Pflegschaftssache beim Bezirksgericht Fünfhaus als im Interesse der inzwischen volljährigen Unterhaltsberechtigten gelegen, weil sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt bereits seit Oktober 2008 im Sprengel des Bezirksgerichts Fünfhaus habe. Der unterhaltspflichtige Vater habe seinen Wohnsitz nicht im Sprengel des Bezirksgerichts Villach, sondern in London.
Rechtliche Beurteilung
Die Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN ist nicht berechtigt.
Das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert werde (§ 111 Abs 1 JN). Es handelt sich hiebei um eine Ausnahmebestimmung, die einschränkend auszulegen ist (8 Nd 501/02 = EfSlg 101.648; 9 Nd 514/01 = EfSlg 97.937 uva).
Die die Unterhaltsfestsetzung anstrebende Tochter ist mittlerweile längst volljährig und auch nicht aus einem anderen Grund als pflegebefohlen anzusehen. Die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes - das wesentliche Kriterium für die Zuständigkeitsübertragung nach § 111 Abs 1 JN - kommt daher nicht mehr in Betracht. Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass beim zuständigen Gericht anhängig gemachte Verfahren selbst bei nachträglicher Änderung des für die Zuständigkeit maßgeblichen Tatbestands dort fortzuführen sind (perpetuatio fori § 29 JN), besteht daher hier nicht (vgl 3 Nc 1/08i; RIS-Justiz RS0123194).
Die ungeachtet der mittlerweile eingetretenen Volljährigkeit der Antragstellerin beabsichtigte Übertragung der Zuständigkeit ist daher nicht zu genehmigen.
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