Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben:
„Für M***** R*****, geboren am 3. 12. 1981, zuletzt wohnhaft gewesen in ***** Wien, wird ein Abwesenheitskurator bestellt, dessen Auswahl dem Erstgericht vorbehalten wird.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz selbst zu tragen.“
Die Antragsteller haben die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Antragsteller brachten als Eigentümer der Liegenschaft E*****gasse 26/D*****gasse 10, ***** Wien, eine Räumungsklage gegen M***** R*****, bulgarische Staatsbürgerin, als Mieterin der im vorgenannten Haus liegenden Wohnung top Nr 18 ein. Diese befinde sich grob schuldhaft im Zahlungsverzug mit den für die Wohnung angefallenen Mietzinsen. Gestützt auf § 1118 ABGB erklärten die Vermieter wegen des qualifizierten Mietzinsrückstands in der Klage die gerichtliche Auflösung des Mietvertrags vom 30. 3. 2006 und begehrten die Räumung des Bestandobjekts. Am 10. 4. 2008 wurde die Räumungsklage der Beklagten - scheinbar - durch Hinterlegung und das danach erlassene Versäumungsurteil vom 27. 5. 2008 am 6. 6. 2008 zugestellt, und zwar ebenfalls durch Hinterlegung. In der Folge stellte sich heraus, dass die Beklagte schon einige Monate hindurch ortsabwesend war und sich zuletzt an einem unbekannten Ort in einem Spital in Bulgarien aufgehalten hatte. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien hob daher mit Beschluss vom 2. 9. 2008 die Vollstreckbarkeitsbestätigung des Versäumungsurteils vom 27. 5. 2008 auf (47 C 102/08m-12). Die Kläger beantragten daraufhin zur Zustellung des Versäumungsurteils die Bestellung eines Zustellkurators (ON 21 in 47 C 102/08m). Diesen Antrag wies das Erstgericht am 11. 8. 2009 (ON 32 in 47 C 102/08m) mit der Begründung ab, dass die Bestellung eines Zustellkurators nicht ausreichend sei, weil es sich um ein Verfahren über eine auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsklage handle und der Beklagten gegenüber die Willenserklärung über die Vertragsauflösung abgegeben werden müsse. Eine solche privatrechtliche Erklärung könne aber kein Prozesskurator entgegennehmen, vielmehr sei es erforderlich, dafür einen Abwesenheitskurator zu bestellen. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft. Die Kläger beantragten daraufhin die Bestellung eines Abwesenheitskurators, der erforderlich sei, um über die Vertretung im Räumungsverfahren hinaus auch Mietzinsvorschreibungen und Mahnungen entgegenzunehmen (ON 33 in 47 C 102/08m).
Diesen Antrag übermittelte das Gericht erster Instanz im Bestandverfahren an die zuständige Pflegschaftsabteilung.
Das Erstgericht (Pflegschaftsgericht) wies diesen Antrag ab. Gemäß § 27 Abs 1 IPRG seien die Voraussetzungen für die Anordnung und die Beendigung einer Vormundschaft oder Pflegschaft sowie deren Wirkungen nach dem Personalstatut des Pflegebefohlenen zu beurteilen. Ob die Voraussetzungen zur Bestellung eines Abwesenheitskurators vorliegen, sei aufgrund der Staatsbürgerschaft der Abwesenden nach bulgarischem Recht zu beurteilen. Art 8 des bulgarischen Gesetzes über die Personen und die Familie sehe zwar für verschollene und nachrichtenlos abwesende Personen die Bestellung eines Kurators vor, da sich die Abwesende jedoch in einem bulgarischen Krankenhaus aufhalte, träfen diese Voraussetzungen auf sie nicht zu.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts. Es vertrat zwar auch die Meinung, dass gemäß § 27 Abs 1 IPRG bulgarisches Recht anzuwenden sei, doch seien über den konkreten Räumungsprozess hinaus keine Handlungen vorzunehmen, für die es eines anderen als eines Prozesskurators bedürfe, ein solcher sei nach § 116 ZPO zu bestellen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Anwendbarkeit des § 27 IPRG auf Abwesenheitskuratellen sowie dazu Rechtsprechung fehle, ob für die Führung eines Räumungsprozesses ein Abwesenheitskurator erforderlich sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass ein Abwesenheitskurator bestellt wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt.
Schon eine Mahnung nach § 1118 ABGB ist nur dann wirksam, wenn der Erklärungsempfänger geschäftsfähig oder entsprechend vertreten ist. Ein nur gemäß § 116 ZPO bestellter Prozesskurator hat keine Verfügungsmacht über das Vermögen des Kuranden, er kann daher auch nicht wirksam gemahnt werden. Die Zustellung der Räumungsklage an den Prozesskurator kann die Mahnung daher nicht ersetzen (SZ 57/52; RIS-Justiz RS0021322). Gleiches muss für die Vertragsaufhebungserklärung gelten: Wenngleich diese auch erst mit der Klage ausgesprochen werden kann, so handelte es sich doch um eine empfangsbedürftige Willenserklärung (Binder in Schwimann V3 § 1118 Rz 35), die einem Geschäftsfähigen zugehen muss; dem entspricht aber die Zustellung an den bloßen Prozesskurator nicht (Würth in Rummel ABGB I3 § 1118 Rz 17 f; Stumvoll in Fasching/Konecny 2 II/2 § 116 ZPO Rz 5). Die Argumentation des Rekursgerichts, dass nur prozessuale Handlungen vorzunehmen seien, entspricht daher nicht der Aktenlage.
Gemäß § 27 Abs 1 IPRG sind die Voraussetzungen für die Anordnung und die Beendigung einer Vormundschaft oder Pflegschaft sowie deren Wirkungen nach dem Personalstatut des Pflegebefohlenen zu beurteilen. § 27 IPRG erfasst grundsätzlich auch Kuratelsfälle für Abwesende und Unbekannte (Verschraegen in Rummel III3 § 27 IPRG Rz 2). Zutreffend haben daher schon die Vorinstanzen erkannt, dass § 27 Abs 1 IPRG materiell auf bulgarisches Recht verweist, während § 27 Abs 2 IPRG bestimmt, dass die verfahrensrechtliche Durchführung zur Gänze dem Recht des Staates untersteht, dessen Behörden die Vormundschaft oder Pflegschaft führen (Verschraegen aaO unter Berufung auf Schwimann, Vorauflage Rz 3). Ist nach Art 8 des bulgarischen Gesetzes über die Personen und Familie jemand verschollen und fehlen jegliche Nachrichten über ihn, so bestellt das Rayongericht auf Antrag interessierter Personen oder auf Verlangen des Staatsanwalts eine Person, die den Verschollenen vertritt, die erforderlichen Handlungen zur Verwaltung seines Vermögens bewirkt und alle Maßnahmen trifft, die der Wahrung seiner Interessen dienen. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts ist allein aus dem Umstand, dass sich die Abwesende in einem (welchem?) Spital befand, nicht darauf zu schließen, dass die Voraussetzungen nach Art 8 auf sie nicht zutreffen. Vielmehr kann nicht übersehen werden, dass die nachrichtenlose Abwesenheit schon über mehrere Monate andauert und eine Lokalisierung der abwesenden Person auch nicht annähernd möglich gewesen ist.
Somit ist die Bestellung eines Abwesenheitskurators auch nach bulgarischem Recht vorzunehmen, wobei, wie schon oben erwähnt, für den Modus der Bestellung gemäß § 27 Abs 2 IPRG österreichisches Verfahrensrecht maßgeblich ist.
Der Ausspruch über die Tragung der Kosten durch die Antragsteller gründet sich auf § 78 Abs 3 zweiter Satz AußStrG. Für einen Anspruch auf Vertretungskostenersatz nach § 78 Abs 2 erster Satz AußStrG fehlt es schon an einem kontradiktorischen Verfahren bzw entgegengesetzten Interessen, da Gegenstand des Kuratorbestellungsverfahrens noch nicht der Räumungsstreit, sondern die Bestimmung einer Person ist, die die Interessen der abwesenden Person wahrnehmen soll. Auch ein Barauslagenersatz nach § 78 Abs 3 AußStrG hat nicht zu erfolgen: Worin die Notwendigkeit der Vorlage eines Grundbuchsauszugs im Verfahren erster Instanz liegen sollte, ist nicht ersichtlich, zumal die Antragsteller ja auch schon Kläger des Räumungsverfahrens waren und damit ihr Interesse ausreichend bekundet haben. Auch für das Rechtsmittelverfahren hat ein Ersatz von Barauslagen (Pauschalgebühr) nicht stattzufinden, weil die Rechtsmittel keinen Aufwand darstellen, der dem Verhalten der abwesenden Person zuzurechnen ist. Somit hat es bei der Selbsttragung der Kosten durch die Antragsteller nach § 78 Abs 3 zweiter Satz AußStrG zu bleiben.
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