OGH 1Ob34/10x

OGH1Ob34/10x9.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria T*****, vertreten durch Dr. Rainer Mutenthaler, Rechtsanwalt in Ybbs, gegen die beklagte Partei Land Niederösterreich, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 25.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Dezember 2009, GZ 14 R 205/09h-23, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 25. September 2009, GZ 1 Cg 40/08y-19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Eine land- und forstwirtschaftliche Liegenschaft wurde im Jahr 2003 durch freiwillige Feilbietung versteigert. Die Klägerin, die Landwirtin und Interessentin iSd § 1 Z 3 lit a Niederösterreichisches Grundverkehrsgesetz 1989 (NÖ GVG 1989) war, wurde in der Versteigerung überboten. Die Grundverkehrsbehörde erster Instanz versagte den Meistbietern die grundverkehrsbehördliche Zustimmung; diese wurde erst nach Berufung im Jahr 2005 erteilt.

Die Klägerin begehrte in ihrer Amtshaftungsklage 25.000 EUR sA (im Jahr 2006 aus der Liegenschaft zu erzielender Ertrag) sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden aufgrund des angeblich rechtswidrigen Bewilligungsbescheids.

Die Vorinstanzen haben die Berechtigung des Klagebegehrens verneint.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig.

Die Übertretung einer Schutznorm macht nur insofern für den durch die Übertretung verursachten Schaden haftbar, als durch die Schutznorm gerade dieser Schaden verhindert werden sollte (RIS-Justiz RS0027553). Auch im Amtshaftungsrecht ist zu untersuchen, welche Interessen die verletzte Norm schützen soll, um die Rechtswidrigkeit eines Organverhaltens beurteilen zu können (RIS-Justiz RS0050038). Selbst bei einer unvertretbaren Verletzung von Rechtsvorschriften sind nur jene Schäden zu ersetzen, deren Eintritt die übertretene Vorschrift gerade verhindern will oder deren Verhinderung zumindest mitbezweckt ist (1 Ob 157/04a). Ob der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben ist, ist eine Auslegungsfrage im jeweiligen Einzelfall (RIS-Justiz RS0082346). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung kann dem Berufungsgericht in diesem Fall nicht vorgeworfen werden:

Das NÖ GVG 1989 räumte den Interessenten keine Parteistellung ein. § 11 Abs 5 leg cit sah in diesem Zusammenhang nur die Möglichkeit vor, nach Kundmachung eines bewilligungspflichtigen Rechtserwerbs das Interesse am Erwerb schriftlich anzumelden. Weder eine Beteiligung des Interessenten am weiteren Verfahren, noch ein Berufungsrecht waren vorgeschrieben. Die Anmeldung eines Interesses war allerdings insofern von Bedeutung, als nach der von der Klägerin herangezogenen Bestimmung des § 3 Abs 2 lit a NÖ GVG 1989 die Grundverkehrsbehörde einem Rechtsgeschäft die Zustimmung zu versagen hatte, wenn ua der Erwerber einer Liegenschaft kein Landwirt war und ein oder mehrere Interessenten vorhanden waren. Rechte des Interessenten wurden dadurch aber weder begründet noch berührt (VfGH 29. 10. 2009, B 1127/2009 mH auf VfSlg 13.519/1993). Das NÖ GVG 2007 räumt nunmehr Interessenten (§ 3 Z 4 leg cit) in § 11 Abs 5 letzter Satz die Stellung als Partei iSd § 8 AVG ein. § 1 Z 1 und 2 NÖ GVG 2007 definiert als Ziel des Gesetzes die Erhaltung, Stärkung und Schaffung einer leistungsfähigen bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft und die Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes. Diese Vorgaben waren bereits im NÖ GVG 1989 enthalten, dessen § 3 Abs 1 eine Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft dann ausschloss, wenn dieses mit dem Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstands bzw eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht zu vereinen war.

Die Revisionswerberin meint, dass sie als Mitglied eines „leistungsfähigen Bauernstands“ - also einer bestimmten Personengruppe - durch die Bestimmungen des NÖ GVG 1989 geschützt werde, und zwar völlig unabhängig von ihrer Parteistellung. Bei der Beurteilung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs ist aber das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilig übertretene Vorschrift den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten wollte (RIS-Justiz RS0008775). Die Klägerin behauptet hier gar keinen Schaden, der darin liegen soll, dass der Zuschlag an die Meistbieter die Leistungsfähigkeit anderer land- und forstwirtschaftlicher Betriebe beeinträchtigt. Sie macht vielmehr fiktive Erträge aus der nicht an sie zugeschlagenen Liegenschaft als Schadenersatzforderung geltend und vernachlässigt dabei noch die im Fall des Zuschlags aufgelaufenen erheblichen Kosten (Angebotspreis 370.000 EUR zuzüglich Gebühren- und Kreditbelastung). Die Auffassung des Berufungsgerichts, das NÖ GVG 1989 schütze nicht einen Anspruch der Interessentin auf Erwerb der Liegenschaft und Erzielung von Erträgen, stellt sich somit keinesfalls als unvertretbar dar.

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