OGH 1Ob13/10h

OGH1Ob13/10h9.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Franz L*****, vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 11.445,44 EUR sA, infolge Revision des Klägers (Revisionsinteresse 6.405,20 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. November 2009, GZ 4 R 201/09w-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 4. September 2009, GZ 31 Cg 32/09f-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 464,16 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 15. 1. 2002 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren gemäß § 209 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Infolge Beschwerde des Klägers stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Urteil vom 3. 2. 2005 eine Menschenrechtsverletzung durch diese Verurteilung fest und sprach dem Kläger einen Pauschalbetrag von 3.000 EUR an Vertretungskosten zu. Mit Beschluss vom 20. 9. 2005 hob der Oberste Gerichtshof die Verurteilung des Klägers auf und das Landesgericht für Strafsachen Wien stellte das Verfahren gegen ihn am 23. 11. 2005 gemäß § 227 StPO ein, wobei ihm der Einstellungsbeschluss am 29. 11. 2005 zugestellt wurde. Ein Aufforderungsschreiben des Klägers an die Finanzprokuratur, mit dem er unter anderem den Ersatz der später klageweise geltend gemachten Verfahrenskosten vor dem EGMR begehrte, langte dort am 5. 1. 2006 ein und wurde am 5. 4. 2006 beantwortet.

Mit seiner am 25. 2. 2009 eingebrachten Klage begehrte der Kläger den Ersatz der über den zugesprochenen Betrag von 3.000 EUR hinausgehenden Vertretungskosten vor dem EGMR in Höhe von 11.445,44 EUR. Die Rechtsanwaltskosten seien nach § 10 Abs 1 AHR auf einer Bemessungsgrundlage von 36.000 EUR angefallen.

Die Beklagte wandte „aus Gründen anwaltlicher Vorsicht“ unter anderem Verjährung ein: Das gegen den Kläger geführte Strafverfahren sei mit Beschluss vom 23. 11. 2005 eingestellt worden; die am 25. 2. 2009 bei Gericht eingelangte Klage sei daher nach Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht worden. Die geltend gemachten Vertretungskosten seien zudem überhöht und mit dem Zuspruch von 3.000 EUR erledigt.

Der Kläger replizierte auf den Verjährungseinwand, der Beschluss, mit dem er außer Verfolgung gesetzt worden sei, sei ihm am 29. 11. 2005 zugestellt worden, womit die dreijährige Verjährungsfrist des § 8 Abs 1 Satz 1 StEG zu laufen begonnen habe. Unter Berücksichtigung der - durch das Aufforderungsschreiben ausgelösten - dreimonatigen Frist des § 9 StEG, die die Beklagte voll ausgeschöpft habe, wäre eine Verjährung erst am 1. 3. 2009 eingetreten. Dieses Vorbringen wurde von der Beklagten formell bestritten, ohne darauf inhaltlich einzugehen.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger 5.040,24 EUR samt Zinsen zu zahlen und wies das Mehrbegehren von 6.405,20 EUR samt Zinsen ab. Verjährung sei nicht eingetreten, weil die Verjährungsfrist erst mit Zustellung des Einstellungsbeschlusses am 29. 11. 2005 zu laufen begonnen habe. Unter Berücksichtigung des drei Monate dauernden Aufforderungsverfahrens sei die Verjährungsfrist bei Klageeinbringung noch nicht abgelaufen gewesen. Die Kosten des Klägers vor dem EGMR seien nach den AHR zu beurteilen. Für die Vertretung vor übernationalen Tribunalen sei für Beschwerden, Gegenschriften und die Verrichtung von mündlichen Verhandlungen der doppelte Betrag der TP 3c RATG angemessen. Die Bemessungsgrundlage in offiziösen Strafsachen im schöffengerichtlichen Verfahren betrage 17.440 EUR und sei auch für das Verfahren vor dem EGMR anzuwenden. Kosten für eine Stellungnahme vom 27. 1. 2004 (verzeichnet mit 71,90 EUR zuzüglich 50 % Einheitssatz und 20 % USt) gebührten nicht, da diese mit dem Schriftsatz vom selben Datum verbunden hätte werden können. Kanzleiinterne Kopierkosten seien nicht ersatzfähig; für den Ersatz von Faxkosten gebe es keine Rechtsgrundlage. Abzüglich des bereits zugesprochenen Betrags von 3.000 EUR ergebe sich somit ein Ersatzanspruch des Klägers von 5.040,24 EUR. Das darüber hinausgehende Begehren von 6.405,20 EUR sei abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte den - allein angefochtenen - klageabweisenden Teil dieser Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Dem Verjährungseinwand der Beklagten komme Berechtigung zu. Die Berechtigung der Menschenrechtsbeschwerde und damit die Zweckmäßigkeit dieses Rettungsaufwands seien nicht erst mit der nachträglichen Einstellung des Strafverfahrens, sondern schon mit dem Urteil des EGMR festgestanden. Ab diesem Erkenntnis habe der Kläger gewusst, dass ihm ein 3.000 EUR übersteigender Beschwerdeaufwand nicht als Verfahrenskosten zugesprochen worden war und er diesen von der Beklagten im Wege des Schadenersatzes würde einfordern müssen. Der geltend gemachte Anspruch erscheine daher nach allen in Betracht kommenden Verjährungsvorschriften (§ 1489 ABGB, § 6 AHG, § 8 StEG 2005) verjährt, sodass die Teilabweisung des Klagebegehrens schon aus diesem Grunde frei von Rechtsirrtum sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Rechtsfrage, wann die Verjährungsfrist für Vertretungskosten vor dem EGMR beginne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung aufzufinden gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 1501 ABGB ist auf die Verjährung ohne entsprechenden Einwand eines Beklagten nicht Bedacht zu nehmen. Die Verjährungseinrede ist nicht nur ausdrücklich zu erheben, der Beklagte hat dazu auch die entsprechenden Tatsachenbehauptungen aufzustellen (vgl nur SZ 59/129; SZ 71/201 ua).

Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte ihren - „vorsichtshalber“ erhobenen - Verjährungseinwand ausschließlich darauf gestützt, dass das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren mit Beschluss vom 23. 11. 2005 eingestellt worden sei, dieser aber erst am 25. 2. 2009 die Klage bei Gericht erhoben habe. Ein darüber hinausgehendes Tatsachenvorbringen hat die Beklagte zur Verjährung nicht erstattet. Dem Berufungsgericht war es daher verwehrt, eine allenfalls aus anderen Gründen eingetretene Verjährung aufzugreifen, bestimmt doch der Beklagte durch sein Prozessverhalten, ob und in welchem Rahmen die Verjährungsfrage überhaupt zu prüfen ist (vgl auch SZ 71/201). Zutreffend hat nun bereits das Erstgericht im Rahmen des von der Beklagten dargelegten Tatsachenkomplexes auf die Fortlaufhemmung gemäß § 8 Abs 2 StEG 2005 hingewiesen, die einer Verjährung aufgrund der von der Beklagten aufgezeigten Tatsachen entgegensteht.

Auch wenn somit die letzten Endes für relevant befundene Verjährungsfrage vom Berufungsgericht jedenfalls nicht zum Gegenstand seines Erkenntnisses gemacht hätte werden dürfen, ist seine Entscheidung im Ergebnis richtig.

Wie der erkennende Senat bereits zu 1 Ob 85/09w mit ausführlicher Begründung ausgeführt hat, erscheint es sachgerecht, auch für das Verfahren vor dem EGMR den Honoraransprüchen des Rechtsvertreters die für das Strafverfahren vorgesehene Bemessungsgrundlage von 17.440 EUR zu Grunde zu legen. Die (eher spärlichen) Revisionsausführungen zu diesem Thema bieten keinen Anlass, von der bisher vertretenen Rechtsauffassung abzugehen.

Letztlich ist noch auf die Ausführungen des Klägers in seiner Berufung zur verweigerten Honorierung der Stellungnahme seines Rechtsvertreters vom 27. 1. 2004 einzugehen, mit denen sich das Berufungsgericht wegen seiner abweichenden Rechtsansicht nicht auseinandergesetzt hat. Der Kläger hatte dazu in seiner Berufung vorgebracht, die Stellungnahme habe deshalb nicht mit dem Schriftsatz vom selben Tag verbunden werden können, weil ihm der EGMR aufgetragen habe, diese Stellungnahme zur Frage einer gütlichen Einigung von der Stellungnahme in der Sache selbst zu trennen und in einem eigenen Schriftsatz vorzunehmen. Abgesehen davon, dass der Kläger eine derartige Behauptung im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt hat, handelt es sich um eine im Verhältnis zur Gesamtforderung unbedeutende Teilforderung, die den mit einer Zurückverweisung an die Tatsacheninstanzen verbundenen Verfahrensaufwand nicht rechtfertigen würde. ISd § 273 Abs 2 ZPO bestehen keine Bedenken dagegen, die abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen auch insoweit zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.

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