OGH 8Nc27/09a

OGH8Nc27/09a9.2.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Mehmet U*****, vertreten durch MMag. Salih Sunar, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei K*****, wegen

16.500 EUR sA, über den Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 28 JN den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von der beklagten, nach seinen Angaben in der Türkei ansässigen Aktiengesellschaft die Zahlung von 16.500 EUR sA. Die Beklagte bzw deren Repräsentanten hätten den Kläger sowie zahlreiche andere Kleinanleger in Österreich und Deutschland bewusst (mit Beteiligung bloß am Gewinn etc) zu einer praktisch wertlosen Beteiligung an der Beklagten veranlasst. Zahlreiche Rückforderungsbegehren seien erfolglos gewesen. Der Kläger habe im Hinblick auf die Wertlosigkeit der erworbenen Beteiligung einen Schaden in Höhe des Veranlagungsbetrags erlitten. Es bestehe kein offener Markt für die vinkulierten Namensaktien. Ebensowenig sei im Aktienrecht die zugesagte Rückkaufverpflichtung vorgesehen. Die darüber hinaus geltend gemachtr örtliche Zuständigkeit des vorweg angerufenen Landesgerichts Wels wurde von diesem bereits rechtskräftig verneint.

Den hier maßgeblichen Antrag auf Ordination eines Gerichts nach § 28 JN stützt der Kläger darauf, dass er in der Türkei aufgrund der langen Dauer und der Kosten der Verfahren benachteiligt sei. Auch sei die Beklagte mit der Regierungspartei eng verflochten. Der Kläger sei österreichischer Staatsbürger und habe auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

1. Der Kläger stützt sich mit dem Vorbringen zu seinem Ordinationsantrag erkennbar auf die Regelung des § 28 Abs 1 Z 2 JN, welche die Bestimmung eines österreichischen Gerichts als örtlich zuständig vorsieht, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Diese Bestimmung soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit

im Ausland nicht gegeben ist (10 Nc 19/05h = EvBl 2006/5, 29; 2 Ob

32/08g = EvBl 2009/40, 270 [J. Mair]; Matscher in Fasching2 I § 28 JN

Rz 40). Gemäß § 28 Abs 4 zweiter Satz JN hat der Kläger in streitigen bürgerlichen Rechtssachen das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu behaupten und zu bescheinigen (RIS-Justiz RS0124087).

2. Für das Naheverhältnis des Klägers zum Inland spricht seine österreichische Staatsbürgerschaft und sein inländischer Wohnsitz.

3. Die Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird in Rechtsprechung und Lehre insbesondere dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird, eine dringende Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, eine Prozessführung im Ausland eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder im Ausland äußerst kostspielig wäre (RIS-Justiz RS0046148; Mayr in Rechberger ZPO3, § 28 JN Rz 4, Rechberger/Simotta, ZPR7, Rz 89 je mwN). Zusammengefasst macht der Kläger vor allem die größere Kostspieligkeit und längere Dauer der Verfahren in der Türkei geltend. Konkrete Ausführungen zu einer politischen Verfolgung finden sich nicht.

3.1.1. Art 1 Abs 1 des zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei geltenden Zusatzabkommens zum Haager Übereinkommen vom 1. 3. 1954 betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen (BGBl 1992/570) gewährt Angehörigen beider Vertragsstaaten wechselseitig zum Zweck der Verfolgung und Verteidigung ihrer Rechte freien Zugang zu den Gerichten (Bajons in Fasching2 I Anh B §§ 38-40 JN Rz 374). Eine Sicherheitsleistung für Prozesskosten ist in der Türkei nicht vorgesehen (Bajons aaO Rz 374). Gemäß Art 2 des Abkommens ist den Staatsangehörigen jedes Vertragsstaats vor den Gerichten des anderen Vertragsstaats die Verfahrenshilfe unter denselben Bedingungen wie Inländern zu gewähren. Bereits diese Vertragsbestimmungen sprechen, namentlich unter dem Gesichtspunkt der behaupteten Kostenbelastung, gegen die Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung in der Republik Türkei (vgl 2 Ob 32/08g = EvBl 2009/40, 270 [J. Mair]; ferner RIS-Justiz RS0109288).

3.1.2. Das vom Kläger ins Treffen geführte Prozesskostenargument ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs überdies nur in Ausnahmefällen geeignet, einen Ordinationsantrag zu begründen. Im Regelfall stellt sich nämlich die Kostenfrage bei Distanzprozessen für beide Parteien jeweils mit umgekehrten Vorzeichen und geht daher zu Lasten des Klägers (RIS-Justiz RS0046420). Konkrete Umstände des Einzelfalls, die auf eine besondere Kostspieligkeit der Rechtsverfolgung in der Türkei hindeuten würden, hat der Kläger nicht dargetan.

3.2. Aus den Bestimmungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei über die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen in Zivil- und Handelssachen, BGBl 571/1992, ergibt sich ferner, dass die Entscheidung eines türkischen Gerichts grundsätzlich (zu den Ausnahmen vgl Art 4 des Abkommens) auch in Österreich vollstreckbar ist, wenn der Beklagte zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder - im Falle einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft - seinen Sitz oder die Hauptniederlassung in der Türkei hat (vgl Art 6 Z 1 iVm Art 3 des Abkommens). Die beklagte Partei hat nach dem Vorbringen des Klägers ihren Sitz in der Türkei, sodass eine gegen sie ergangene Entscheidung eines türkischen Gerichts in Österreich anerkannt werden würde und grundsätzlich in beiden Vertragsstaaten vollstreckt werden kann. Im Übrigen ist dem Klagsvorbringen aber ohnehin nicht konkret zu entnehmen, dass im Fall eines klagsstattgebenden Urteils Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Österreich geboten erschienen (vgl dazu auch 4 Nd 505/94).

3.3. Wartet der Kläger mit der Geltendmachung vermeintlicher Ansprüche solange zu, dass gegebenenfalls deren Verjährung droht, dann stellt dies - sofern die Verfahrensdauer darauf überhaupt Einfluss hätte - keinen in § 28 Abs 1 Z 2 JN anerkannten Ordinationsgrund dar (zur mangelnden Eignung materiellrechtlicher Nachteile als Ordinationsgrund s RIS-Justiz RS0117751). Insgesamt vermögen die Ausführungen des Antrags die Voraussetzungen für eine Ordination nach § 28 JN nicht darzustellen. Der Ordinationsantrag war daher abzuweisen.

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