OGH 1Ob252/09d

OGH1Ob252/09d29.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei F***** B.V., *****, Niederlande, vertreten durch Dr. Anton Moser, Dr. Gunther Huber und Mag. Maria Kincses, Rechtsanwälte in Traun, wegen 31.830,76 EUR sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 29. Oktober 2009, GZ 14 R 125/09i-57, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leonfelden vom 6. Mai 2009, GZ C 362/07 g-52, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begründete ihr Klagebegehren über 31.830,76 EUR samt Zinsen damit, dass sie mit der Beklagten in ständiger Geschäftsbeziehung gestanden sei und dieser nach entsprechenden Bestellungen immer wieder Fleischwaren geliefert habe, wobei vier Rechnungen nicht beglichen worden seien. Bei Beginn der Geschäftsbeziehung habe die Klägerin, unter anderem in ihrem Angebot vom 9. 2. 2007, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für die wechselseitige Geschäftsbeziehung deren AGB gelten sollten. Die Beklagte habe dagegen keinen Einwand erhoben und in weiterer Folge mehrere Bestellungen auf Basis dieser vereinbarten AGB getätigt. Klagegegenständlich seien vier Bestellungen von Fleischwaren. Die jeweiligen Lieferungen seien mit 9.045,86 EUR, 9.091,92 EUR, 6.862,94 EUR sowie 6.830,04 EUR in Rechnung gestellt worden. Die einzelnen Bestellungen bzw klagsgegenständlichen Rechnungen stünden in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts beruhe darauf, dass als Erfüllungsort Bad Leonfelden vereinbart worden sei. Die Beklagte bestritt ihre Zahlungspflicht wegen einer Mangelhaftigkeit der Warenlieferungen. Weiters erhob sie die Einrede der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit bzw internationalen Zuständigkeit. Es liege weder eine Zuständigkeitsvereinbarung vor, noch seien ihr jemals die AGB der Klägerin übermittelt worden. Das Erstgericht wies die Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Dagegen wendet sich die Klägerin in einem außerordentlichen Revisionsrekurs, in dem sie die Auffassung vertritt, der Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts übersteige 30.000 EUR. Die eingeklagten Rechnungen stünden in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang gemäß § 55 JN; die gegenteilige Auffassung in der Klage werde ausdrücklich zurückgenommen. Rechtliche Basis der Geschäftsverbindung der Streitteile sei das Anbot der Klägerin vom 9. 2. 2007. Aufgrund dieses Anbots seien die Bestellungen der Beklagten und die Lieferungen der Klägerin erfolgt. Damit sei die Identität „des Rechtsgeschäfts oder des fortdauernden Rechtsverhältnisses" gegeben, die jenen Zusammenhang schaffe, der die verschiedenen Ansprüche zu einer einheitlichen Forderung verbinde. Hilfsweise stellte die Klägerin den „Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Nichtzulassung des ordentlichen Revisionsrekurses verbunden mit ordentlichem Revisionsrekurs".

Rechtliche Beurteilung

Der (primär erhobene) außerordentliche Revisionsrekurs erweist sich als unzulässig.

Gemäß § 528 Abs 2 lit 1a ZPO ist der Revisionsrekurs - vorbehaltlich des Abs 2a - in Streitigkeiten unzulässig, in denen der Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt, wenn das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig ist. Hat das Rekursgericht ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht nach Abs 1 zulässig ist, so kann nur in den Fällen des § 505 Abs 4 ZPO ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden; für diesen gelten die Bestimmungen über die außerordentliche Revision sinngemäß (§ 528 Abs 3 ZPO). Ein außerordentlicher Revisionsrekurs ist somit nur dann zulässig, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt (§ 505 Abs 4 ZPO). Werden mehrere, jeweils unter 30.000 EUR liegende Forderungen geltend gemacht, liegt nur dann ein diesen Betrag übersteigender Entscheidungsgegenstand vor, wenn die Einzelforderungen gemäß § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen sind (§ 55 Abs 4 JN).

Für die Beurteilung, ob die einzelnen Forderungen iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, kommt es grundsätzlich auf das Vorbringen in der Klage, und nicht etwa auf nachträgliche Behauptungen der klagenden Partei oder die Feststellungen im Ersturteil an (3 Ob 261/07i; 3 Ob 276/07w). Wurde ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang der den einzelnen Rechnungsbeträgen jeweils zu Grunde liegenden Warenlieferungen nicht behauptet, ist von mehreren Entscheidungsgegenständen auszugehen, die im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Revision oder eines Revisionsrekurses einer unterschiedlichen Beurteilung unterliegen (3 Ob 283/07z ua).

Die Klägerin hat nun nicht nur ausdrücklich vorgebracht, die einzelnen Bestellungen stünden in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN - andernfalls hätte sie die Forderung auch gar nicht vor dem Bezirksgericht geltend machen können -, sondern darüber hinaus auch kein Tatsachenvorbringen erstattet, das geeignet wäre, einen „tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang" der Einzelforderungen zu begründen. Sie verwies zwar darauf, dass es zu Beginn der (ständigen) Geschäftsbeziehung ein Angebot gegeben habe, in dem auch auf ihre AGB verwiesen worden sei, brachte jedoch ausdrücklich vor, dass den vier geltend gemachten Einzelforderungen jeweils eigene Bestellungen zu Grunde gelegen seien. Entgegen ihrer nunmehr im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung kann daher von einem einheitlichen Rechtsgeschäft, bei dem mit den einzelnen Bestellungen nur mehr die „jeweiligen Mengen abgerufen" worden wären, keine Rede sein. Die bloße Tatsache einer ständigen Geschäftsverbindung - auch wenn dabei grundsätzliche Konditionen für alle zukünftigen Einzelverträge festgelegt worden sein sollten - begründet aber keinen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN (8 Ob 657/86; 2 Ob 23/98s; 8 Nc 25/03y ua). Bei verschiedenen, wenn auch im Wesentlichen gleichartigen Verträgen hat keine Zusammenrechnung der Einzelforderungen stattzufinden (9 Nc 31/04i; 3 Ob 166/07v ua). Da dem Klagebegehren somit (nicht zusammenzurechnende) Einzelforderungen zu Grunde liegen, deren Betrag jeweils zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, kommt ein außerordentlicher Revisionsrekurs nicht in Betracht. Über den hilfsweise gestellten Antrag auf Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs wird das Rekursgericht zu entscheiden haben.

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