OGH 4Ob192/09b

OGH4Ob192/09b19.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. G***** G*****, vertreten durch Dr. Carl Knittl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach W***** K*****, vertreten durch Dr. Heinz-Eckard Lackner, Rechtsanwalt in Wien, als Verlassenschaftskurator, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 9. Juni 2009, GZ 22 R 9/09t-31, womit das Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 15. Dezember 2008, GZ 2 C 106/07p-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

1. Die Vorinstanzen haben die auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG (Tod des Mieters) gestützte Aufkündigung infolge Eintritts des Sohnes des Mieters in die Mietrechte als rechtsunwirksam aufgehoben. Nach dem festgestellten Sachverhalt wohnt der Eintrittsberechtigte seit mindestens acht Jahren im Bestandobjekt und hat dort seinen Lebensschwerpunkt; er ist verheiratet, hat aber nie mit seiner Gattin zusammengelebt. Die Ehegatten leben seit ihrer Eheschließung getrennt von Tisch und Bett und sehen einander nur selten; die Gattin würde einer Aufnahme des Eintrittsberechtigten in ihre Gemeindewohnung nicht zustimmen. Ursprünglich haben die Ehegatten geplant, nach der Hochzeit im aufgekündigten Bestandobjekt gemeinsam zu wohnen, haben dies jedoch wegen persönlicher Differenzen nicht verwirklicht; auch wollte die Gattin des Eintrittsberechtigten die dort bestehenden Wohnverhältnisse nicht auf sich nehmen.

Rechtliche Beurteilung

2. Ob das dringende Wohnbedürfnis des Eintrittsberechtigten nach den im vorliegenden Einzelfall festgestellten Umständen zu bejahen ist oder nicht, berührt keine Frage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042789). Im Anlassfall hat das Berufungsgericht unter den gegebenen Umständen ein dringendes Wohnbedürfnis des Eintrittsberechtigten als gegeben erachtet, weil dessen Wohnbedarf nicht anderwärts in rechtlich gleichwertiger Weise gedeckt werden könne; es ist damit nicht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG abgewichen:

3.1. Die Dringlichkeit des Wohnbedürfnisses des nahen Angehörigen an der aufgekündigten Wohnung hängt davon ab, ob der Eintrittswerber über eine eigene Wohnung verfügt, die er früher bewohnt hat, oder ob er auf eine andere Wohnung verwiesen werden soll. Nur im ersten Fall ist auf die unbedingte Notwendigkeit abzustellen, den beim Tod des Mieters gegebenen Zustand zu belassen; andernfalls muss es sich um eine ausreichende und gleichartige (rechtlich abgesicherte) Wohnmöglichkeit handeln (RIS-Justiz RS0069957, RS0069751, RS0068181).

3.2. Besitzt ein Eintrittsberechtigter gegenüber seinem Ehegatten familienrechtliche Ansprüche auf die Ehewohnung (§ 97 ABGB), ist ein dringendes Wohnbedürfnis des Eintrittsberechtigten nur dann zu bejahen, wenn die unabweisliche Notwendigkeit besteht, den anderwärts in rechtlich gleichwertiger Weise nicht gedeckten Wohnbedarf des Eintrittsberechtigten zu befriedigen (7 Ob 612/95 = RIS-Justiz RS0069957 [T4]).

3.3. Ein Eintrittsberechtigter kann etwa dann nicht auf die Wohnmöglichkeit bei seinem Ehegatten verwiesen werden, wenn er im Zeitpunkt der Weitergabe des Bestandobjekts an ihn die ernstliche Absicht hatte, die Ehegemeinschaft nicht mehr aufzunehmen (7 Ob 612/95 = RIS-Justiz RS0074968), oder wenn die Ehe nicht intakt ist und berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen, warum der Eintrittsberechtigte seinen Wohnsitz nicht (ständig) in der Ehewohnung nehmen will (7 Ob 612/95 = RIS-Justiz RS0074969). Das dringende Wohnbedürfnis des Eintrittsberechtigten wird auch nicht dadurch berührt, dass ihm eine Ehewohnung zur Verfügung steht, wenn diese von seiner Ehegattin benützt wird, die Ehegatten aber eine Aufnahme der häuslichen Gemeinschaft ablehnen (RIS-Justiz RS0068645). Gleiches gilt bei zerrütteter Ehe, wenn zwar der andere Ehegatte die Rückkehr in die eheliche Wohnung nicht gerade verweigert, von einem gemeinschaftlichen Zusammenleben aber nichts mehr wissen will (1 Ob 781/80 = MietSlg 33.373/7). Halten Ehegatten an der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft fest und lehnt es einer von ihnen aufgrund dieser Verhältnisse ab, in die Ehewohnung zurückzukehren, so kann ihn das Gericht nicht auf dem Umweg über den Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 11 MietG zur Wiederaufnahme der häuslichen Gemeinschaft zwingen (8 Ob 359/66 = MietSlg 19.350).

4. Das Berufungsgericht hat die dargestellten Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung zutreffend auf die Umstände des Einzelfalls angewendet. Entgegen seinem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch hängt die Entscheidung somit nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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