OGH 16Ok11/09

OGH16Ok11/0911.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel und Univ.-Prof. Dr. Kodek gemäß § 62 Abs 2 KartG in der Kartellrechtssache des Antragstellers Bundeskartellanwalt, Wien 1, Schmerlingplatz 11, wider die Antragsgegnerinnen 1. T***** Aktiengesellschaft, *****, 2. A***** GmbH, *****, 3. Al***** GmbH (zuvor: Al***** GmbH), *****, 4. Au***** OHG (zuvor: A***** OHG), *****, alle vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. Antragsgegnerin überdies vertreten durch Wildmoser/Koch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen (zuletzt) Antrag auf Abstellung einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot und Auferlegung einer Geldbuße, über den Rekurs gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 29. September 2009, GZ 25 Kt 41/06-130, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:0160OK00011.090.0111.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Am 15. 4. 2004 stellte der Bundeskartellanwalt einen Antrag auf Untersagung der Durchführung eines Kartells (§ 25 KartG 1988) sowie Auferlegung einer Geldbuße (§ 142 Z 1 lit a KartG 1988). Mit Inkrafttreten des KartG 2005 zum 1. 1. 2006 war der erstgenannte Antrag als Antrag nach § 26 KartG 2005, jener auf Verhängung von Geldbußen nach den Bestimmungen des KartG 1988 fortzuführen (§ 90 Z 3 lit b bzw Z 2 lit d KartG 2005). Gegenstand des Verfahrens war ein von den Antragsgegnerinnen mit Gesellschaftsverträgen vom 15. 3. 1999 gegründetes Gemeinschaftsunternehmen in Form einer OHG zum Betrieb eines Asphaltmischwerks.

Mit Beschluss vom 15. 7. 2009 erklärte das Kartellgericht gemäß § 27 KartG 2005 eine Reihe von Verpflichtungszusagen der Antragsgegnerinnen mit der Begründung für bindend, die Zusagen ließen erwarten, dass ein Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 KartG 2005 hinsichtlich des gemeinsamen Betriebs der Asphaltmischanlage ***** durch die Antragsgegnerinnen künftig ausgeschlossen sei. Für die Vergangenheit wurde nach Durchführung des Beweisverfahrens festgestellt, dass jedenfalls für den vom Sachverständigen untersuchten Zeitraum 1999 bis 2006 die Voraussetzungen der Legalausnahme nach § 2 Abs 1 KartG 2005 von den Antragsgegnerinnen erfüllt seien. Den Unsicherheiten im Beweisverfahren für den Zeitraum seit 2006 begegneten die Antragsgegnerinnen durch die Abgabe der vom Kartellgericht für bindend erklärten Verpflichtungszusagen. Den Geldbußenantrag zog der Bundeskartellanwalt zurück.

Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Erstgericht die gerichtliche Rahmengebühr mit 10.000 EUR fest und sprach aus, dass hiefür die Antragsgegnerinnen zur ungeteilten Hand zahlungspflichtig sind (Punkt 1.), sowie dass die sonstigen gerichtlichen Kosten von den Antragsgegnerinnen zur ungeteilten Hand zu ersetzen sind (Punkt 2.). Die Zahlungspflicht für die Rahmengebühr sei nach Maßgabe des Verfahrenserfolgs dem Antragsteller, dem Antragsgegner oder beiden verhältnismäßig aufzuerlegen; die Amtsparteien seien jedoch von der Zahlung der sie treffenden Gebühren befreit (§ 52 Abs 2 KartG 2005). Daraus sei abzuleiten, dass dann, wenn ein Verfahren auf Antrag einer Amtspartei eingeleitet und dem Antrag auch nur teilweise stattgegeben worden sei, der Antragsgegner zahlungspflichtig sei; allerdings habe dieser Umstand im Rahmen der Gebührenbemessung zu einer gewissen Entlastung des Zahlungspflichtigen zu führen. Im Anlassfall sei der Bundeskartellanwalt mit seinem Abstellungsantrag erfolgreich gewesen, da der Antrag zu Verpflichtungszusagen der Antragsgegnerinnen geführt habe; mit dem später zurückgezogenen Geldbußenantrag sei er hingegen als unterlegen anzusehen. Der Geldbußenantrag sei zwar grundsätzlich ein einem Abstellungsauftrag gleichwertiges Instrument, um Unternehmen zur Einhaltung der Wettbewerbsregeln anzuhalten, er habe aber im gesamten Ermittlungsverfahren keine eigenständige Bedeutung gewonnen, sei auch nicht Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gewesen und vom Bundeskartellanwalt schließlich zurückgenommen worden, weil die Antragsgegnerinnen zumindest für den Beobachtungszeitraum bis 2006 die Erfüllung des Ausnahmetatbestands nach §2 KartG 2005 nachgewiesen hätten. Dem Antrag komme damit im Ergebnis eine ganz untergeordnete rechtliche und wirtschaftliche Funktion zu, sodass von einem überwiegenden Verfahrenserfolg des antragstellenden Bundeskartellanwalts auszugehen sei. Damit treffe die Ersatzpflicht für die Rahmengebühr die Antragsgegnerinnen. Für sonstige Kosten, insbesondere Sachverständigengebühren und nach der Anzahl der Sitzungen oder Verhandlungen bemessene Vergütungen für die fachkundigen Laienrichter des Kartellgerichts und des Kartellobergerichts, seien die Personen zahlungspflichtig, die die Gerichtsgebühr zu entrichten hätten (§ 55 KartG 2005). Die Ersatzpflicht für diese Kosten richte sich daher nach der Zahlungspflicht für die Rahmengebühr.

Gegen den Teil des Beschlusses, mit dem ausgesprochen wird, dass für die Rahmengebühr und die sonstigen gerichtlichen Kosten die Antragsgegnerinnen zahlungspflichtig sind, nicht hingegen gegen die Höhe der Rahmengebühr, richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag dahin, die Antragsgegnerinnen zum Ersatz nur jener sonstigen gerichtlichen Kosten zur ungeteilten Hand zu verpflichten, die nach der Gutachtenserörterung am 10. 2. 2009 aufgelaufen sind.

Der Antragsteller beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerberinnen machen geltend, der vom Gericht bestellte Sachverständige sei in seinem Gutachten ON100 zum Ergebnis gelangt, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerinnen bis 2006 die Voraussetzungen der Legalausnahme nach § 2 Abs 1 KartG2005 erfüllt habe. Diese Aussage entspreche dem Ergebnis des schon zuvor von den Antragsgegnerinnen beigebrachten Privatgutachtens. Dass das Verfahren schließlich mit der Abgabe von Verpflichtungszusagen der Antragsgegnerinnen geendet habe, sei allein darauf zurückzuführen, dass für den Zeitraum nach 2006 „keine gesicherte Beweislage zu den Voraussetzungen des § 2 Abs 1 KartG“ bestanden habe. Bei dieser Sachlage sei der Bundeskartellanwalt im Verfahrensabschnitt bis zum Vorliegen des Gerichtsgutachtens zur Gänze unterlegen; er könne allenfalls für jenen Verfahrensabschnitt als obsiegend beurteilt werden, der sich an die Erörterung des Gerichtsgutachtens in der Verhandlung vom 10. 2. 2009 angeschlossen habe, wobei man auch in diesem Abschnitt von einem gleichteiligen Obsiegen der Parteien ausgehen müsse. Die Rekurswerberinnen halten es weiters für verfehlt, dem später zurückgezogenen Geldbußenantrag nur eine ganz untergeordnete Funktion zuzuerkennen, seien doch Geldbußenantrag und Abstellungsantrag zwei gleichwertige verfahrenseinleitende Prozesshandlungen, für die Rahmengebühr in derselben Höhe vorgesehen sei. Geldbußenentscheidungen seien aufgrund erhöhter öffentlicher Aufmerksamkeit das vorrangige Instrument der Kartellbekämpfung. Auch unter diesem Aspekt habe der Antragsteller nur teilweise obsiegt.

1. Die ausdrückliche Regelung des § 91 KartG 2005 zeigt, dass sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, auf jene im Geltungszeitpunkt des KartG 1988 eingeleiteten Verfahren, die nach Inkrafttreten des KartG 2005 fortzusetzen sind, die neuen Gebührenregelungen anzuwenden (vgl 16 Ok 2/06; Matousek in Petsche/Urlesberger/Vartian , KartG § 91 Rz 1). Maßgeblich für die Zahlungspflicht ist im Anlassfall daher § 52 Abs 2 KartG 2005.

2. § 52 Abs 2 erster Halbsatz KartG 2005 entspricht inhaltlich § 43 Abs 1 erster Satz ZPO. Der in der Rechtsprechung des Senats schon zu § 82 Z 3 lit c KartG 1988 entwickelte Grundsatz, wonach bei der Gebührenbestimmung im streitigen Verfahrensrecht und im außerstreitigen Kartellverfahren die gleichen Prinzipien anzuwenden sind (16 Ok 48/05 = RIS-Justiz RS0035831 [T3]), kann daher für die Rechtslage nach dem KartG 2005 fortgeschrieben werden.

3. Als Maßstab dafür, inwieweit die eine Partei als obsiegend, die andere als unterliegend anzusehen ist, ist primär auf den Gesamtstreitgegenstand abzustellen ( M. Bydlinski in Fasching / Konecny ² I § 43 Rz 2). Handelt es sich um Ansprüche, die nicht in Geld bestehen und deren Verhältnis sich nicht eindeutig bemessen lässt, hat das Gericht das Verhältnis des erfolgreichen und des abgewiesenen Begehrens nach freiem Ermessen zu bestimmen ( Fucik in Rechberger , ZPO³ § 43 Rz 1 mwN; RIS-Justiz RS0035831). Es besitzt dabei einen größeren Beurteilungsspielraum. Dabei ist vor allem die unterschiedliche rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung der jeweiligen Teilbegehren von Bedeutung, aber auch der jeweilige Verfahrensaufwand ( M. Bydlinski aaO mwN zur Rsp; 16 Ok 48/05).

4. Zur Ermittlung des Kostenersatzes sind dann Verfahrensabschnitte zu bilden, wenn sich der Streitgegenstand zwischen Einleitung des Verfahrens und Entscheidung quantitativ oder qualitativ erheblich verändert, weil in solchen Fällen das Gericht nicht über einen von Beginn an feststehenden Streitgegenstand entscheidet und das Verfahren damit vom gesetzlichen Idealbild, das den kostenrechtlichen Einzelvorschriften zugrunde liegt, abweicht ( M. Bydlinski aaO Rz 11). Nur bei einer derartigen Phasenbildung (im Sinne einer „horizontalen Teilung der Kostennote“) sind Erfolgs- und Ersatzquoten für jede Phase gesondert zu bestimmen ( Fucik aaO Rz 8).

5.1. Die Rekurswerberinnen verkennen mit ihren Ausführungen, dass die Voraussetzungen einer horizontalen Teilung des Verfahrens in einen Abschnitt bis zur Gutachtenserörterung am 10. 2. 2009 und einen daran anschließenden Abschnitt bis zur Verfahrensbeendigung nicht vorliegen. Es hat sich nämlich der Streitgegenstand im gesamten Verfahren weder quantitativ noch qualitativ so erheblich verändert, dass zur Ermittlung des Kostenersatzes die Bildung von Verfahrensabschnitten gerechtfertigt wäre.

5.2. Streitgegenstand des durch die beiden Anträge auf Abstellung einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot und Auferlegung einer Geldbuße eingeleiteten kartellrechtlichen Verfahrens war die Prüfung, ob die Antragsgegnerinnen durch Gründung und Betrieb des Gemeinschaftsunternehmens gegen das Kartellverbot verstoßen haben bzw weiter verstoßen, welche Aufträge zur Abstellung allfälligen kartellrechtswidrigen Verhaltens zu erteilen sind, und ob und in welcher Höhe eine Geldbuße zu verhängen ist.

5.3. Abstellungsaufträge können nur erteilt und eine Geldbuße kann erst dann verhängt werden, wenn die Vorfrage hinreichend geklärt ist, dass ein kartellrechtswidriges Verhalten vorgelegen hat oder weiterhin vorliegt. Werden demnach - wie hier - Abstellungsauftrag und Geldbußenantrag miteinander verbunden, führt dies naturgemäß dazu, dass sich das Ermittlungsverfahren vorerst auf die Klärung des Vorwurfs eines Kartellrechtsverstoßes konzentriert; demgegenüber tritt die Erhebung der zur Ausmittlung der Geldbuße bedeutsamen Umstände in den Hintergrund. Dazu kommt, dass eine Trennung des Sachverhalts in einzelne Elemente, die nur für den Abstellungsauftrag oder nur für die Geldbuße von Bedeutung sind, kaum möglich ist. Dieser Umstand findet auch in der Kostenbestimmung des § 50 Z 4 KartG 2005 seinen Niederschlag, wonach für ein Geldbußenverfahren, das mit einem Verfahren zur Abstellung einer Zuwiderhandlung verbunden ist, keine gesonderte Gerichtsgebühr zu entrichten ist.

5.4. Es hat sich somit der Umstand, dass der Bundeskartellanwalt den Antrag auf Auferlegung einer Geldbuße zurückgezogen hat, nicht messbar auf den vom Gericht zu bearbeitenden Verfahrensgegenstand ausgewirkt. Gleiches gilt für den Umstand, dass das Gerichtsgutachten für den Zeitraum ab Gründung des Gemeinschaftsunternehmens bis 2006 einen Kartellrechtsverstoß wegen Vorliegens der Voraussetzungen der Legalausnahme nach § 2 Abs 1 KartG verneint hat. Für eine von den Rekurswerberinnen angestrebte Bildung von Verfahrensabschnitten bleibt damit kein Raum.

5.5.1. Dass das Verfahren letztlich mit der Abgabe von Verpflichtungszusagen der Antragsgegnerinnen geendet hat, ist darauf zurückzuführen, dass - wie die in diesem Punkt beweispflichtigen Antragsgegnerinnen selbst zugestehen - für den Zeitraum nach 2006 „keine gesicherte Beweislage zu den Voraussetzungen des § 2 Abs 1 KartG“ bestanden hat.

5.5.2. Wird ein Verfahren zur Abstellung einer Zuwiderhandlung aber mit einer für bindend erklärten Verpflichtungszusage beendet, so bedeutet dieses Verfahrensergebnis seinem Wesen nach ein vollständiges Unterliegen des Antragsgegners, setzt es doch voraus, dass die Zusage künftige Zuwiderhandlungen ausschließt (§ 27 Abs 1 KartG 2005); dem Antrag wäre also ohne die Zusage stattzugeben gewesen ( Primus in Petsche/Urlesberger/Vartian , KartG § 52 Rz 12).

6. Dem Rekurs kann damit kein Erfolg beschieden sein.

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