Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 1.401,02 EUR (darin 233,50 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist seit 12. 3. 1991 bei der Beklagten als Vertragsbedienstete beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis findet die DO 1994 Anwendung. Die Klägerin wurde zunächst in die Bedienstetengruppe der Stationsgehilfinnen in der Verwendungsgruppe E, Schema IV/K, Gehaltsstufe 3 mit Vorrückungsstichtag 24. 8. 1990 eingereiht. Nunmehr ist für die Klägerin Schema IV/K, Verwendungsgruppe K4, Gehaltsstufe 11 und als Vorrückungsstichtag der 24. 8. 2006 maßgeblich. Der Klägerin wurden Vordienstzeiten vom 5. 2. 1982 bis 11. 3. 1991 im halben Ausmaß, sowohl für die Vorrückung als auch für den Urlaubsanspruch angerechnet.
Die Klägerin begehrte zuletzt den Zuspruch von (der Höhe nach unstrittigen) 3.431,61 EUR brutto samt 11,19 % Zinsen ab 1. 8. 2007. Sie sei vom 4. 8. 1981 bis 20. 1. 1983 sowie vom 21. 2. 1983 bis 3. 7. 1983 und vom 1. 3. 1987 bis 10. 3. 1991 in Ungarn als Krankenschwester beschäftigt gewesen. Gemäß § 14 Abs 1 DO, der europarechtskonform auszulegen sei, sei ihr diese Vordienstzeit, die ihr von der Beklagten für die Vorrückung sowie für den Erholungsurlaub nur im halben Ausmaß angerechnet worden sei, zur Gänze anzurechnen. Auf der Grundlage dieser Anrechnung und der dadurch bewirkten Einstufung errechne sich für jenen Zeitraum in dem Verjährung noch nicht eingetreten sei, die begehrte Nachzahlung.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung. § 14 Abs 1 Z 1 DO normiere die Anrechnung von Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt worden seien. Diese Bestimmung müsse verfassungskonform dahin interpretiert werden, dass sie sich nur auf Tätigkeiten im Rahmen der Hoheitsverwaltung beziehe. Sie komme daher auf die Klägerin nicht zur Anwendung. Überdies seien Tätigkeiten in staatlichen Einrichtungen, die von einer oder mehreren Gebietskörperschaften betrieben werden, nicht mit Tätigkeiten in der Gebietskörperschaft selbst gleichzusetzen. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung sei nicht jede im ehemaligen „Ostblock" zugebrachte Dienstzeit als Vordienstzeit anzurechnen. Diese Auffassung würde zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Begünstigung von Wanderarbeitnehmern aus dem ehemaligen „Ostblock" führen. Nicht bei Gebietskörperschaften oder vergleichbaren Einrichtungen zurückgelegte Dienstzeiten seien weder Inländern noch Wanderarbeitnehmern anzurechnen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - abgesehen von der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens im Umfang von 7,19 % - statt. Zu den Vordienstzeiten der Klägerin traf es folgende wesentliche Feststellungen:
„Die Klägerin war vom 4. 8. 1981 bis 20. 1. 1983 als Krankenschwester im Babyheim des Rates des Komitates Tolna, vom 21. 2. 1983 bis 3. 7. 1983 als Krankenschwester in VT. VB. Verwaltung des Gesundheitswesens Szeksard, Kinderkrippe Nr. VI und vom 1. 3. 1987 bis 10. 3. 1991 als Krankenschwester im Krankenhaus - Polyklinik des Rates des Komitates Tolna beschäftigt. Diese Einrichtungen waren Institutionen, die zwischen 1. 1. 1980 und 1. 1. 1997 vom Staat bzw von den Gemeinden (bis 1990 als „Räte" bezeichnet) erhalten wurden und sich stets im staatlichen Eigentum befanden. Laut § 85 des inzwischen außer Kraft gesetzten Gesetzes Nr II aus 1972 über das Gesundheitswesen, welches bis 14. 3. 1990 in Kraft war, waren die Dienststellen des Gesundheitswesens (dh alle Einrichtungen des Gesundheitswesens) Institutionen, die vom Gesundheitsministerium und den Räten erhalten wurden und sich daher im staatlichen Eigentum befanden. Die betreffenden Einrichtungen sind auch in der Zeit nach dem 14. 3. 1990 weiterhin im staatlichen Eigentum verblieben."
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass bei der Anrechnung von Vordienstzeiten nach § 14 Abs 1 Z 1 DO aufgrund europarechtlicher Vorschriften und nach der Rechtsprechung des EuGH im EU-Ausland zurückgelegte Dienstzeiten nicht anders behandelt werden dürften als Dienstzeiten, die im Inland zurückgelegt wurden. Dabei komme es nicht darauf an, ob diese Vordienstzeiten in der Hoheitsverwaltung zurückgelegt worden seien, sondern nur auf die Erbringung einer Tätigkeit bei einer Gebietskörperschaft. Eine einschränkende Interpretation dieser Bestimmung sei nicht zulässig. Nach dem festgestellten Sachverhalt seien die Rechtsträger (Verwalter, Betreiber) der Einrichtungen in denen die Klägerin in Ungarn gearbeitet habe, als Gebietskörperschaften anzusehen. Dem Klagebegehren sei daher stattzugeben. Das Zinsenmehrbegehren wies das Erstgericht mit der Begründung ab, dass die Verzögerung der Zahlung nicht auf einer unvertretbaren Rechtsansicht der beklagten Partei beruhe.
Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Hingegen gab es der gegen die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens gerichteten Berufung der Klägerin statt und änderte das Ersturteil im Sinn der Stattgebung auch dieses Begehrens ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Es billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichts über die Anrechnung der von der Klägerin zurückgelegten Vordienstzeiten. Der dagegen erhobene Einwand, § 14 Abs 1 Z 1 DO sei auf Tätigkeiten in der Hoheitsverwaltung zu reduzieren, sei nicht berechtigt. Der möglicherweise sachlich ungerechtfertigten Nichteinbeziehung von Vordienstzeiten in anderen Institutionen als Gebietskörperschaften könne nicht durch eine Reduktion auf hoheitliche Tätigkeiten begegnet werden. Die von der Beklagten gewünschte Auslegung würde ohne sachliche Begründung weitere Vordienstzeiten von der Anrechnung ausschließen und dadurch weitere Gleichheitswidrigkeiten erzeugen. Eine verfassungskonforme Auslegung dürfe im Übrigen nicht dem äußerst möglichen Wortsinn des Gesetzeswortlauts widersprechen.
Dem Erstgericht sei auch beizupflichten, dass die Klägerin in Ungarn bei Gebietskörperschaften beschäftigt gewesen sei. Bei einer Gebietskörperschaft handle es sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die alle Personen erfasse, die in einer örtlichen Beziehung (zB Wohnsitz, Aufenthalt) zu einem bestimmten Gebiet stehen. Gebietskörperschaften in Österreich seien Bund, Länder und Gemeinden. Den Feststellungen über die Vordienstzeiten der Klägerin sei zu entnehmen, dass die Institutionen, bei denen die Klägerin beschäftigt gewesen sei, im Eigentum des ungarischen Staates gestanden seien und dass diese Institutionen vom Staat bzw den Gemeinden erhalten worden seien. Sämtliche Einrichtungen des Gesundheitswesens seien im hier maßgeblichen Zeitraum staatliche Institutionen gewesen. Der Umstand, dass es sich bei diesen Einrichtungen um staatliche Einrichtungen gehandelt habe, impliziere, dass der Rechtsträger eine Gebietskörperschaft gewesen sei. Die Beklagte habe im Übrigen keinerlei Vorbringen erstattet, dass diese Gesundheitseinrichtungen von einem anderen Rechtsträger betrieben worden wären. Aus den Feststellungen ergebe sich auch, dass es im relevanten Zeitraum keine privaten Einrichtungen des Gesundheitswesens in Ungarn gegeben habe. Auch das Bestehen einer Selbstverwaltung sei angesichts der Eingliederung in das staatliche System ebenso auszuschließen, wie die Ausgliederung dieser Gesundheitseinrichtungen.
Die Berufung der Beklagten sei daher nicht berechtigt.
Hingegen komme der Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Zinsenbegehrens Berechtigung zu, weil die Rechtsauffassung der Beklagten, die der Bestreitung des Klagebegehrens zugrunde gelegen sei, unvertretbar sei.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil oberstgerichtliche Judikatur zur Auslegung des § 14 Abs 1 Z 1 DO fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig und auch teilweise berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der hier relevanten Problematik bereits in seiner Entscheidung vom 30. 9. 2009, 9 ObA 19/09y, im Zusammenhang mit der Anrechnung von Vordienstzeiten einer in der ehemaligen CSSR bzw in der slowakischen Republik als Krankenschwester tätigen Dienstnehmerin der Beklagten auseinandergesetzt. Diese Entscheidung konnte der Beklagten zum Zeitpunkt der Erhebung ihres Rechtsmittels allerdings noch nicht bekannt sein. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung, deren Erwägungen weitestgehend auch hier übernommen werden können Folgendes ausgeführt:
„§ 14 DO hat - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut:
(1) Folgende, dem Tag der Anstellung vorangegangene Zeiten sind dem Beamten für die Vorrückung zur Gänze anzurechnen:
1. die Zeit, die entweder in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder im Lehrberuf an einer inländischen öffentlichen Schule oder an einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten inländischen Privatschule zurückgelegt wurde;
...
(2) Die dem Tag der Anstellung vorangegangenen Zeiten, die nicht nach Abs. 1 anzurechnen sind, sind dem Beamten für die Vorrückung bis zu einem höchstens zu berücksichtigenden Ausmaß von drei Jahren zur Hälfte anzurechnen."
Der EuGH hat bereits mehrfach zur Frage der Anrechnung ausländischer Vordienstzeiten Stellung genommen. In der Rs C-195/98 (EuGH, 30. 11. 2000, ÖGB, GÖD/Republik Österreich, Slg 2000, I-10497) hatte er sich mit der Europarechtskonformität des § 26 VBG (in der damals geltenden Fassung) auseinanderzusetzen, nach dem ebenfalls nur Zeiten von Dienstverhältnissen zu einer inländischen Gebietskörperschaft im vollen Ausmaß anzurechnen waren (§ 26 Abs 1 lit a iVm Abs 2 Z 1 lit a VBG), während ausländische Dienstzeiten nur im halben Ausmaß zu berücksichtigen waren (§ 26 Abs 1 lit b VBG). Der EuGH vertrat die Auffassung, dass diese unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Vordienstzeiten in der öffentlichen Verwaltung mittelbar diskriminierend wirke, weil sie sich ihrem Wesen nach eher auf Wanderarbeiter als auf inländische Arbeitnehmer auswirken könne und daher die Gefahr bestehe, dass diese besonders benachteiligt werden. Die Republik Österreich brachte in diesem Zusammenhang als Rechtfertigung vor, dass die Beschränkung der Freizügigkeit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche. Denn das Homogenitätsgebot nach Artikel 21 Absatz 1 Satz 2 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes gewährleiste die Freizügigkeit der öffentlichen Bediensteten innerhalb der Republik Österreich. Diese Freizügigkeit werde beschränkt, wenn ein Dienstwechsel wirtschaftlich unattraktiv gemacht werde. Dieses System könne aber nicht auf Beschäftigungszeiten bei anderen Mitgliedstaaten ausgedehnt werden, da im gegenwärtigen Stadium des Integrationsprozesses die öffentlichen Dienste der Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich und nicht in dem Ausmaß verbunden seien, wie es im Verhältnis der österreichischen Gebietskörperschaften untereinander der Fall sei. Der EuGH hielt dem entgegen, dass der Zweck der Mobilität der Beschäftigten innerhalb des österreichischen öffentlichen Dienstes keine diskriminierende Beschränkung der Mobilität von Wanderarbeitnehmern verlange. Darüber hinaus könnten die Unterschiede zwischen dem öffentlichen Dienst in Österreich und in anderen Mitgliedstaaten keine unterschiedlichen Bedingungen für die Anrechnung früherer Dienstzeiten rechtfertigen. Aus diesem Grund kam der EuGH zum Ergebnis, dass § 26 VBG gegen Art 48 EG und Art 7 VO 1612/68 verstoße. Die in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Beschäftigungszeiten an vergleichbaren Einrichtungen seien daher für die Berechnung der Entlohnung zeitlich unbegrenzt - also auch dann, wenn diese zeitlich vor dem Beitritt Österreichs zur EU liegen - zu berücksichtigen.
Diese Überlegungen sind auch auf § 14 DO zu übertragen. Demgemäß ist die Ungleichbehandlung von Beschäftigungszeiten zu einer Gebietskörperschaft eines Mitgliedstaates im Vergleich zu inländischen Zeiten gemäß § 14 DO 1994 als mittelbare Diskriminierung zu qualifizieren, die einen Verstoß gegen Art 39 EG und Art 7 VO 1612/68 darstellt. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts muss daher § 14 Abs 2 DO im hier interessierenden Zusammenhang unangewendet bleiben. Daraus folgt, dass vergleichbare im EU-Ausland zurückgelegte Beschäftigungszeiten zeitlich unbegrenzt und zur Gänze anzurechnen sind.
Die Revisionswerberin stellt dies grundsätzlich auch hier nicht in Abrede, macht aber geltend, dass die von der Klägerin in Ungarn zurückgelegten Zeiten nicht mit inländischen Vordienstzeiten im Sinn des § 14 Abs 1 Z 1 DO vergleichbar seien. Zum einen beziehe sich die Wendung in Abs 1 Z 1 „Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft" ausschließlich auf die Hoheitsverwaltung, zum anderen habe die Klägerin ihre ausländischen Beschäftigungszeiten nicht bei einer „Gebietskörperschaft" zurückgelegt.
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung ebenfalls bereits Stellung bezogen und ausgeführt:
„Mit ihrem Argument, die Anrechnungsbestimmung des § 14 Abs 1 Z 1 DO beziehe sich nur auf die Hoheitsverwaltung, beruft sich die Beklagte auf die Ausführungen von Blaha/Hutterer (Dienst- und Besoldungsrecht der Wiener Gemeindebediensteten2, § 14 DO 1994 Erl 6), die es als unsachlich erachten, dass Personen, die vor ihrer Aufnahme in den Dienst der Gemeinde Wien der Art nach dieselben Tätigkeiten ausgeübt haben, nur deshalb unterschiedlichen Anrechnungsbestimmungen unterliegen, weil das frühere Dienstverhältnis in einem Fall zu einer Gebietskörperschaft, im anderen Fall zu einem privaten (allenfalls ausgegliederten) Rechtsträger bestanden hat. Ein sachlich vertretbares Ergebnis ließe sich nur durch eine einschränkende Auslegung des § 14 Abs 1 Z 1 DO dahingehend herbeiführen, dass sich die Vollanrechnung nur auf Tätigkeiten im Rahmen der Hoheitsverwaltung bezieht. Für eine derartige Einschränkung bietet aber der Gesetzeswortlaut nicht den geringsten Anhaltspunkt. Die Vorinstanzen haben daher die von der Beklagten geforderte einschränkende Interpretation des § 14 Abs 1 Z 1 DO zu Recht abgelehnt (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Frage der Vergleichbarkeit von Beschäftigungszeiten - hier also die Frage, ob die Vordienstzeiten der Klägerin in Ungarn der Beschäftigung in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft gleichzuhalten sind - hat das nationale Gericht nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen (EuGH 12. 3. 1998, Rs C-187/96 , Kommission/Republik Griechenland, Slg 1998, I-01095).
Eine Gebietskörperschaft ist eine juristische Person öffentlichen Rechts, die durch ein personales Element gekennzeichnet ist. Sie setzt sich also aus einer Mehrzahl von Personen eines bestimmten Gebiets zusammen, die der Körperschaft im Wege einer Pflichtmitgliedschaft angehören (VwGH 2005/12/0056; 2005/12/0046; 2004/12/0021, ZfVB 2007/1471/1504; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht [1996] 321; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts Rz 863; Stolzlechner in Schäffer/Rill, Kommentar zum B-VG, Art 116 Abs 1, 18). Charakteristikum der Gebietskörperschaft ist darüber hinaus die Gebietshoheit und eine allgemeine sachliche, nicht bloß auf ein einzelnes Sachgebiet beschränkte Zuständigkeit (VwGH 1293/66, VwSlg 3577F/1967; vgl auch Stolzlechner in Schäffer/Rill, Kommentar zum B-VG, Art 116 Abs 1, 18).
Der Revisionswerberin ist beizupflichten, dass sich die Vorstellungen, die in den Staaten des ehemaligen ,Ostblocks' über den Staat, die staatlichen Systeme und das staatliche und nichtstaatliche Eigentum prägend waren, vom österreichischen Verständnis stark unterscheiden und dass daher die für die Beurteilung der Anrechenbarkeit von Vordienstzeiten notwendige Prüfung der Vergleichbarkeit staatlicher Institutionen der ehemaligen ,Ostblockstaaten' mit dem österreichischen Begriff der Gebietskörperschaft Schwierigkeiten bereiten kann. Auch für die Zeit unmittelbar nach dem Zerfall des ehemaligen ,Ostblocks' können derartige Schwierigkeiten auftreten. Dies ändert aber nichts an der Notwendigkeit einer derartigen Prüfung, bei der darauf abzustellen ist, ob der die Anrechnung von Vordienstzeiten anstrebende Arbeitnehmer im betroffenen Staat bei einer Körperschaft öffentlichen Rechts beschäftigt war, die im Wesentlichen den unter Punkt V.2. angeführten Kriterien entsprach. Daher - insoweit ist der Revisionswerberin beizupflichten - reicht der Nachweis der Beschäftigung des Arbeitnehmers bei einer nicht näher definierten ,staatlichen Einrichtung' ebenso wenig aus, wie die Tätigkeit für eine Gebietskörperschaft, der aber kein Dienstverhältnis mit einer solchen zugrunde liegt."
Für die hier zur Beurteilung stehenden Vordienstzeiten in Ungarn, ist dem festgestellten Sachverhalt mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Klägerin - im gesamten relevanten Zeitraum - in einer vom Staat bzw einer Gemeinde betriebenen Einrichtung tätig war, wobei dieser Tätigkeit auch ein Dienstverhältnis zum Staat bzw einer Gemeinde zugrunde gelegen ist. Für die Existenz eines anderen als Dienstgeber in Betracht kommenden Rechtsträgers fehlt für diesen Zeitraum jeglicher Hinweis. Dass es sich von selbst versteht, dass der Staat als solcher - und nichts anderes kann für eine Gemeinde gelten - dem österreichischen Verständnis der Gebietskörperschaft entspricht, hat der erkennende Senat bereits in der zitierten Entscheidung 9 ObA 19/09y ausgesprochen. Die Vorinstanzen haben daher - dem der Höhe nach unstrittigen - Klagebegehren zu Recht stattgegeben.
Hingegen erweist sich die Revision soweit sie den Zuspruch eines 4 % übersteigenden Zinsenbegehrens durch das Berufungsgericht bekämpft als berechtigt. Bereits die differenzierte rechtliche Beurteilung hinsichtlich verschiedener Vordienstzeiten durch den Obersten Gerichtshof in der zitierten Entscheidung 9 ObA 19/09y zeigt, dass die Rechtsansicht, mit der die Beklagte die Anrechnung der gesamten im ehemaligen „Ostblock" zurückgelegten Vordienstzeiten ablehnte, jedenfalls nicht als unvertretbar zu beurteilen ist.
Insgesamt war daher das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 43 Abs 2 ZPO da die Klägerin nur mit dem 4 % übersteigenden Teil ihres Zinsenbegehrens unterlegen ist.
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