OGH 6Nc21/09d

OGH6Nc21/09d12.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. V***** KEG, *****, und 2. K***** P*****, beide vertreten durch Tögl & Maitz, Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 3.150 EUR sA, über den vom Bezirksgericht Linz mit Verfügung vom 22. Oktober 2009, GZ 11 C 557/09m-10, zur Entscheidung vorgelegten negativen Kompetenzkonflikt den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Zur Fortführung des Verfahrens ist das Bezirksgericht Linz zuständig. Der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 2. September 2009, GZ 11 C 557/09m-9, wird aufgehoben.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt mit der beim Bezirksgericht Graz-Ost eingebrachten Klage von den Beklagten, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Sprengel dieses Gerichts haben, die Zahlung des Preises eines Inserats.

Das Bezirksgericht Graz-Ost wies mit Beschluss vom 17. 3. 2009 die Klage sofort wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück, weil nach den Angaben in der Klage Linz als Gerichtsstand vereinbart worden sei. Aufgrund des Antrags der Klägerin, die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Linz zu überweisen, hob das Bezirksgericht Graz-Ost seinen Zurückweisungsbeschluss auf und überwies die Rechtssache gemäß § 230a ZPO dem Bezirksgericht Linz. Dieser Beschluss erwuchs unbekämpft in Rechtskraft. Das Bezirksgericht Linz erließ am 28. 4. 2009 den Zahlungsbefehl, gegen den die Beklagten Einspruch erhoben.

Nachdem das Bezirksgericht Linz in der Verhandlungstagsatzung am 2. 9. 2009 mit den Parteienvertretern unter anderem erörtert hatte, dass der urkundliche Nachweis der behaupteten Gerichtsstandsvereinbarung nicht erbracht worden sei, sprach es von Amts wegen mit Beschluss vom 2. 9. 2009 seine örtliche Unzuständigkeit aus, weil die Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand im Sprengel des Bezirksgerichts Graz-Ost hätten und die behauptete Gerichtsstandsvereinbarung urkundlich nicht nachgewiesen worden sei. Dieser Beschluss wurde von keiner der Parteien bekämpft und ist rechtskräftig. Mit Verfügung vom 22. 10. 2009 legte das Bezirksgericht Linz den Akt dem Obersten Gerichtshof mit dem Ersuchen um „Entscheidung der i.S.d. § 28 JN über den Beschluss vom 2. 9. 2009" vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit für eine bürgerliche Rechtssache durch den Obersten Gerichtshof (§ 28 JN) hat in streitigen Rechtssachen nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag einer Partei zu geschehen (§ 28 Abs 4 JN). Ein Ordinationsantrag liegt nicht vor. Die Aktenvorlage des Bezirksgerichts Linz ist vielmehr als Anzeige eines negativen Kompetenzkonflikts zu behandeln (§ 47 Abs 2 JN), liegen doch zwei einander widersprechende rechtskräftige Beschlüsse des Bezirksgerichts Graz-Ost und des Bezirksgerichts Linz über die örtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über das Klagebegehren vor und kommt die Zuständigkeit eines weiteren Gerichts nicht in Betracht, sodass die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof nach § 47 JN gegeben sind (1 Ob 1/92 ua; Mayr in Rechberger, ZPO³ § 47 JN Rz 1 mwN). Bei der Entscheidung über einen negativen Kompetenzkonflikt ist auf eine allfällige Bindungswirkung des ersten Beschlusses Bedacht zu nehmen, haben doch die Vorschriften über die Bindung einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zuständigkeit und an Überweisungsbeschlüsse (§ 46 Abs 1 JN, Art XXXIV EGZPO; § 230a ZPO; § 261 Abs 6 ZPO; § 474 Abs 1 ZPO iVm § 499 ZPO) den Zweck, Kompetenzkonflikte nach Möglichkeit von vornherein auszuschließen. Dabei nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass allenfalls ein an sich unzuständiges Gericht durch eine unrichtige Entscheidung gebunden wird (4 Nd 503/91; RIS-Justiz RS0046391).

Das Bezirksgericht Graz-Ost überwies die Klage nach Aufhebung deren Zurückweisung zutreffend gemäß § 230a ZPO an das von ihm nicht für offenbar unzuständig gehaltene Bezirksgericht Linz. Ein Gericht, an das die Klage nach § 230a ZPO verwiesen wurde, darf aber seine allfällige Unzuständigkeit nach dem klaren Gesetzeswortlaut „nur noch wahrnehmen, wenn der Beklagte rechtzeitig die Einrede der Unzuständigkeit erhebt". Die neuerliche Prüfung der Zuständigkeit von Amts wegen scheidet somit jedenfalls dann aus, wenn die Überweisung - wie im Anlassfall - nicht in einer dem Gesetzeszweck eindeutig widersprechenden Form beantragt und bewilligt wurde (1 Ob 143/03s mwN; RIS-Justiz RS0039105).

Da die Beklagten die Einrede der Unzuständigkeit nicht erhoben, entfaltet der Überweisungsbeschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost die erörterte Bindungswirkung. Der Versuch des Bezirksgerichts Linz, der aufgezeigten Bindung dadurch zu entgehen, dass es seine Unzuständigkeit aussprach und dadurch einen negativen Kompetenzkonflikt herbeiführte, erweist sich demnach als untauglich, wobei die Frage, ob sich das Bezirksgericht Graz-Ost mit Recht für unzuständig erklärt hat, nicht zu erörtern ist. Es war daher auszusprechen, dass zur Entscheidung über die Klage das Bezirksgericht Linz zuständig ist; gleichzeitig war der Unzuständigkeitsbeschluss dieses Gerichts aufzuheben (3 Nc 34/03k mwN).

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