OGH 15Os144/09d

OGH15Os144/09d11.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. November 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Hofer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus S***** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, AZ 22 Hv 100/07t des Landesgerichts Feldkirch, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 18. März 2009, AZ 6 Bs 51/09i, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Markus S***** verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 18. März 2009, AZ 6 Bs 51/09i, in seinem Strafausspruch § 22 Abs 1 StGB und § 45 Abs 2 erster Halbsatz StGB.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 18. März 2009, AZ 6 Bs 51/09i, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Strafausspruch, insoweit die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet wurde, aufgehoben und dem Oberlandesgericht Innsbruck die neuerliche Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 18. März 2009, AZ 6 Bs 51/09i, wurde in der Strafsache gegen Markus S***** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und anderer strafbarer Handlungen der Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 13. Oktober 2008, GZ 22 Hv 100/07t-24, teilweise Folge gegeben, und - nach Aufhebung zweier Schuldsprüche und des Strafausspruchs - der Angeklagte in Ansehung der den beiden Schuldsprüchen zu Grunde liegenden Taten freigesprochen und für den verbleibenden Schuldspruch über ihn wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB eine Geldstrafe verhängt. Überdies wurde gemäß § 22 Abs 1 StGB die Unterbringung des Markus S***** in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet und diese gemäß § 45 Abs 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren - bei gleichzeitiger Erteilung von Weisungen gemäß §§ 50, 51 StGB - bedingt nachgesehen (ON 44). Die vorgenannte Geldstrafe wurde nicht bedingt nachgesehen. In seiner Begründung führte das Oberlandesgericht aus, ausgehend von den Strafzumessungsgründen des Vorliegens einer einschlägigen Vorstrafe auf der einen Seite, der eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit sowie der teilweisen Schadensgutmachung auf der anderen Seite, wäre eine (unbedingte) Geldstrafe schuld- und tatangemessen. Überdies wäre aufgrund seiner „Person und nach der Art der Anlasstat zu befürchten, dass er sonst im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an berauschende Mittel eine Straftat mit nicht bloß leichten Folgen begehen werde".

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher in mehrfacher Hinsicht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 22 Abs 1 StGB ist, wer dem Missbrauch eines berauschenden Mittels oder Suchtmittels ergeben ist und wegen einer im Rausch oder sonst im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung begangenen strafbaren Handlung oder wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 StGB) in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher einzuweisen, wenn nach seiner Person und nach der Art der Tat zu befürchten ist, dass er sonst im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an berauschende Mittel oder Suchtmittel eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen oder mit Strafe bedrohte Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begehen werde.

Das Oberlandesgericht Innsbruck ging bei Anordnung der Unterbringung nach § 22 Abs 1 StGB aber davon aus, dass der Verurteilte (nur) eine Straftat mit nicht bloß leichten Folgen begehen (US 19) werde, sohin ersichtlich davon, dass eine einzige solche Tat genüge. Demgegenüber bedarf es der Befürchtung der Begehung mindestens zweier mit Strafe bedrohter Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen (Ratz in WK2 § 22 Rz 15). Darüber hinaus unterließ das Oberlandesgericht, Annahmen zum prognostizierten Sachverhalt zu treffen, aufgrund derer eine Prognosetat rechtlich als mit Strafe bedrohte Handlung mit nicht bloß leichten Folgen beurteilt werden könnte.

Überdies darf gemäß § 45 Abs 2 erster Halbsatz StGB die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nur zugleich mit der Strafe bedingt nachgesehen werden.

Weil das Oberlandesgericht die Voraussetzungen für eine bedingte Nachsicht der Strafe zum Zeitpunkt seiner Entscheidungsfindung nicht für gegeben erachtete (vgl S 19 der Berufungsentscheidung), hätte es die Unterbringung gemäß § 22 StGB nicht bedingt nachsehen dürfen. In diesem Umfang wurde somit das Gesetz in der Bestimmung des § 45 Abs 2 StGB - diesfalls nicht zum Nachteil des Angeklagten - verletzt (RIS-Justiz RS0117846, RS0115528).

Weil der Strafausspruch, soweit er die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher anordnet, dem Verurteilten zum Nachteil gereicht, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, den Strafausspruch in diesem Umfang aufzuheben. Einer Aufhebung der vom kassierten Teil des Strafausspruchs rechtslogisch abhängigen Entscheidungen (der im Übrigen gesetzwidrig nicht gesondert in Beschlussform, sondern im Urteil enthaltenen Weisungen; RIS-Justiz RS0101841) bedurfte es nicht, weil diese gleichermaßen als beseitigt gelten (Ratz, WK-StPO § 292 Rz 28).

Dem Oberlandesgericht Innsbruck war dementsprechend die neuerliche Verhandlung und Entscheidung hierüber aufzutragen, wobei es dabei die zu § 290 Abs 2 StPO geltenden Grundsätze des Verschlechterungsverbots zu beachten haben wird.

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