OGH 14Os109/09z

OGH14Os109/09z6.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Oktober 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hassan Ali S***** wegen Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 27 U 43/05p des Bezirksgerichts Floridsdorf, über die von der Generalprokuratur gegen die in der Hauptverhandlung erfolgte Verlesung von Protokollen über die Vernehmung von Zeugen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Bauer und des Verurteilten Hassan Ali S***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 27 U 43/05p des Bezirksgerichts Floridsdorf verletzt die in der Hauptverhandlung erfolgte Verlesung der polizeilichen Niederschriften der Zeugin Shima K***** sowie der ihre Aussagen betreffenden Protokolle aus den Zivilakten AZ 59 C 51/04p und 59 C 56/04y, jeweils des Bezirksgerichts Floridsdorf, das Gesetz in § 252 Abs 1 iVm §§ 447 zweiter Satz, 458 Abs 5 StPO aF.

Das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 2. Februar 2006, GZ 27 U 43/05p-16, wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht verwiesen.

Text

Gründe:

Hassan Ali S***** wurde mit bereits rechtskräftigem (und gemäß § 458 Abs 3 StPO idF vor BGBl I 2009/52 gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 2. Februar 2006, GZ 27 U 43/05p-16, mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zum Nachteil seiner (zwischenzeitig geschiedenen) Gattin Shima K***** schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

In der Hauptverhandlung vom selben Tag wurde „der gesamte Akteninhalt samt der beigeschafften zivilrechtlichen Akte 59 C 51/04p sowie 59 C 56/04y", somit auch darin enthaltene Protokolle über Aussagen der einzigen Belastungszeugin, des Tatopfers Shima K*****, verlesen, obwohl sich die Genannte zuvor nach § 152 (Abs 1 Z 2) StPO aF berechtigt der Aussage entschlagen hatte (S 95).

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorgangsweise steht, wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Gemäß § 252 Abs 1 StPO aF, der gemäß §§ 447 zweiter Satz, 458 Abs 5 StPO aF auch im bezirksgerichtlichen Verfahren anzuwenden war, durften - soweit hier von Interesse - gerichtliche und sonstige amtliche Protokolle über die Vernehmung von Mitbeschuldigten und Zeugen bei sonstiger Nichtigkeit nur in den in den Z 1 bis 4 leg cit aufgezählten Fällen verlesen oder vorgeführt werden. Da die Zeugin Shima K***** in der Hauptverhandlung die Aussage berechtigt verweigerte (§ 152 Abs 1 Z 2 StPO aF), ohne dass die Parteien zuvor Gelegenheit hatten, sich an einer gerichtlichen Vernehmung der Zeugin zu beteiligen (§§ 162a, 247 StPO aF), und - nach dem Protokoll über die Hauptverhandlung - Beschuldigter und Ankläger nicht übereinstimmend ihr Einverständnis zur Verlesung erklärten, lag im Anlassfall keiner der hier in Betracht kommenden Ausnahmetatbestände des § 252 Abs 1 Z 2a und Z 4 StPO aF vor. Die Verlesung des gesamten Akteninhalts war daher - soweit davon auch die polizeilichen Protokolle über die Vernehmung der Zeugin K***** vom 1. Oktober 2004 (S 17) und vom 2. Februar 2005 (S 45 f) umfasst waren - ebenso unzulässig (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 96) und gemäß § 468 Abs 1 Z 3 StPO aF mit Nichtigkeit bedroht, wie die Verlesung der in den Zivilakten des Bezirksgerichts Floridsdorf, AZ 59 C 51/04p und 59 C 56/04y, zu Protokoll gebrachten Aussagen der im nachfolgenden Strafverfahren von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machenden Zeugin (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 228).

Da die Gesetzesverletzung geeignet ist, zum Nachteil des Verurteilten zu wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.

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