OGH 8Ob109/09a

OGH8Ob109/09a29.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Unterhaltssache des Antragstellers Ing. Manfred E*****, gegen den Antragsgegner Florian E*****, vertreten durch Mag. Sylvia Weiländer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhaltsenthebung, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Mai 2009, GZ 43 R 122/09y-31, womit der Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 30. Dezember 2008, GZ 3 Fam 27/07s-23, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten seines Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht enthob den Antragsteller mit Beschluss vom 30. 12. 2008 beginnend ab 1. 10. 2008 von seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem am 10. 7. 1985 geborenen Sohn und Antragsgegner. Dieser Beschluss wurde dem im Verfahren erster Instanz unvertretenen Antragsgegner am 8. 1. 2009 durch Hinterlegung zugestellt. Innerhalb der Rekursfrist beantragte der Antragsgegner die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Das Erstgericht forderte ihn daraufhin mit Beschluss vom 26. 1. 2009 auf, innerhalb einer Frist von 14 Tagen am Amtstag zu erscheinen, um den Antrag zu verbessern. Der Antragsgegner folgte dieser Aufforderung am 3. 2. 2009. Er erhielt von der Rechtspflegerin Rechtsbelehrung, dass er einen Rekurs auch ohne Anwalt persönlich bei Gericht einbringen konnte, worauf er seinen Antrag auf Verfahrenshilfe zurückzog und den Rekurs gegen den Beschluss vom 30. 12. 2008 zu Protokoll gab.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs als verspätet zurück. Durch die Rücknahme des Antrags auf Verfahrenshilfe sei dessen Unterbrechungswirkung auf den Lauf der Rechtsmittelfrist weggefallen. Die Rekursfrist sei nicht verlängert worden, weshalb der Rekurs verspätet sei. Das Rekursgericht sprach weiters aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zu § 7 AußStrG im Zusammenhang mit der Frage der Rücknahme eines Verfahrenshilfeantrags und deren Auswirkungen auf die Verlängerung der Rekursfrist nicht vorliege.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom angenommenen Zurückweisungsgrund aufzutragen. Der Antragsteller beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.

§ 62 Abs 1 AußStrG erfasst mit dem Begriff „Revisionsrekurs" nicht nur das Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung des Gerichts zweiter Instanz über einen Rekurs gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung; die Bestimmung regelt vielmehr schlechthin die Anfechtbarkeit für jeden „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts" (Fucik/Kloiber AußStrG § 62 Rz 2) und gilt daher auch für Beschlüsse, mit denen ein Rekurs ohne Sachentscheidung aus rein formalen Gründen zurückgewiesen wird. Der Beschluss des Rekursgerichts ist daher unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG grundsätzlich anfechtbar (8 Ob 131/08k; RIS-Justiz RS0120974), der Rechtsmittelwerber zeigt jedoch keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Die Rücknahme des Antrags auf Verfahrenshilfe wirkt ex tunc (RIS-Justiz RS0110058), sodass die durch den Verfahrenshilfeantrag ursprünglich bewirkte Unterbrechung der Rechtsmittelfrist wegfällt und die Rechtsmittelfrist nicht verlängert wird (Pimmer in Fasching/Konecny² § 464 Rz 19 zur Berufungsfrist). Diese Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 125/08a auch für den Bereich des § 7 AußStrG aufrecht erhalten, sodass - entgegen der Zulassungsbegründung des Rekursgerichts - von einer fehlenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ausgegangen werden kann. Durch § 7 AußStrG sollten keine Sonderregelungen über die Verfahrenshilfe gegenüber dem Zivilprozess getroffen, sondern diese vielmehr inhaltlich übernommen werden. Die Regierungsvorlage erwähnt § 464 Abs 3 ZPO ausdrücklich unter diesen für das AußStrG 2003 zu übernehmenden Regelungen (RV 224 BlgNR 22. GP 26, abgedruckt auch bei Fucik/Kloiber aaO § 7).

Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass es eine Partei in der Hand hätte, durch die Rücknahme eines Verfahrenshilfeantrags eine verfahrensrechtliche Notfrist zu verlängern. Das Motiv oder die Umstände für die Rückziehung des Antrags spielen dabei keine Rolle. Die vom Revisionsrekurswerber geforderte „EMRK-konforme Auslegung des § 464 Abs 3 ZPO" kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Die MRK selbst garantiert kein Recht auf Gewährung einer Verfahrenshilfe in Zivilverfahren (EGMR U 19. 9. 2000, Glaser, Nr 32346/96; RIS-Justiz RS0121206). Art 6 Abs 1 MRK verpflichtet den Staat nur dann zur Gewährung von Verfahrenshilfe, wenn diese unabdingbar für den wirksamen Zugang zum Gericht ist (EGMR U 7. 5. 2002, McVicar, Nr 46311/99). Dies ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil dem Antragsgegner die Möglichkeit der Erhebung eines (rechtzeitigen) Rekurses gegen den Beschluss des Erstgerichts ja grundsätzlich offen stand und er dafür unter den Voraussetzungen des § 47 Abs 1 AußStrG auch keine Vertretung benötigte.

Ob ein (mit dem Revisionsrekurs eventualiter verbundener) Wiedereinsetzungs- oder Wiederaufnahmsgrund vorliegt, ist vom dazu nicht entscheidungsbefugten Obersten Gerichtshof nicht zu prüfen.

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