OGH Ds7/09

OGHDs7/0929.9.2009

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat am 29. September 2009 durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Danek, Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Jensik und Dr. Höllwerth als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Annerl als Schriftführer in der Dienststrafsache gegen den Richter des Bezirksgerichts ***** Mag. *****, vertreten durch Mag. Stefan Weiskopf und Dr. Rainer Kappacher, Rechtsanwälte in *****, über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts ***** als Disziplinargericht für Richter vom 6. März 2009, GZ Ds 4/08-24, nach Anhörung des Generalprokurators und des Disziplinarbeschuldigten in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss des Disziplinargerichts wird aufgehoben und das Disziplinarverfahren eingestellt.

Die Kosten des Disziplinarverfahrens erster und zweiter Instanz sind vom Bund zu tragen.

Text

Gründe:

Der Disziplinarbeschuldigte war 2007 und ist bis heute auf einer Planstelle des Bezirksgerichts ***** ernannt, wo er Zivilsachen zu erledigen hat. Ihm wird im letzten Regelrevisionsbericht 2007 eine bislang ausgezeichnete Leistung attestiert und es werden sein zielstrebiges und effizientes Arbeiten sowie seine Freundlichkeit und Sachlichkeit hervorgehoben.

Am 17. Oktober 2007 erhob der in einem Verfahren vor dem Landesgericht ***** auf Räumung einer Liegenschaft Beklagte vor dem selben Gerichtshof Widerklage auf Einwilligung in einen verbücherungsfähigen Vertrag betreffend einen bestimmten Liegenschaftsanteil verbunden mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch Belastungs- und Veräußerungsverbot, sowie dem Antrag, die Widerklage bzw dieses Verbot auf der Liegenschaft des Widerbeklagten anzumerken. Mit dem vor Klagezustellung gefassten Beschluss vom 18. Oktober 2007 setzte das Landesgericht den Streitwert herab und trat das Verfahren gemäß § 60 Abs 3 JN an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht ab, bei dem der Disziplinarbeschuldigte tätig ist. Das Landesgericht erklärte sich unter Überweisung des Antrags an das Bezirksgericht gemäß § 44 Abs 1 JN zur Entscheidung über das Sicherungsbegehren für unzuständig und wies den Antrag auf grundbücherliche Anmerkung der Widerklage zurück. Die Rechtskraft wurde nicht abgewartet, der Beschluss langte bereits am 24. Oktober 2007 beim Bezirksgericht ein. Der Disziplinarbeschuldigte als zuständiger Richter fasste hierauf am 30. Oktober 2007 den Beschluss, dass das Bezirksgericht zur Entscheidung über den verbundenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht zuständig sei und der Sicherungsantrag an das Landesgericht rücküberwiesen werde. Er vertrat die Ansicht, dass von einem die Bezirksgerichtsgrenze übersteigenden Streitwert auszugehen und daher das Landesgericht (sachlich und örtlich) zuständig sei und sowohl bei der Abtretung einer Rechtssache nach § 60 Abs 2 und 3 JN als auch bei einer Überweisung nach § 44 Abs 1 JN eine Bindungswirkung (per analogiam) nach § 46 Abs 1 JN erst mit Rechtskraft eintrete, weshalb das Bezirksgericht an den Überweisungsbeschluss nicht gebunden sei.

Das Landesgericht legte daraufhin den Akt zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt sowie über den inzwischen gegen den Beschluss vom 18. Oktober 2007 erhobenen Rekurs des Widerklägers an das zuständige Oberlandesgericht vor, das mit jeweils am 14. November 2007 gefassten Beschlüssen sowohl über den Rekurs als auch über den behaupteten Kompetenzkonflikt entschied. Das Bezirksgericht wurde als zur Entscheidung über den Sicherungsantrag zuständiges Gericht bestimmt und dessen Unzuständigkeits- und Überweisungsbeschluss aufgehoben (1 Nc 19/07y). Dem Rekurs des Widerklägers wurde Folge gegeben, der angefochtene Überweisungsbeschluss aufgehoben, dem Erstgericht (Landesgericht) die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens aufgetragen und ausgesprochen, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig ist (1 R 287/08a).

Die Entscheidung zu 1 Nc 19/07y stützte sich auf die für die Bestimmung des Bezirksgerichts als entscheidend erachtete Rechtsansicht, im Fall einer Überweisung nach § 44 Abs 1 JN gelte der Grundsatz nicht, Voraussetzung einer Entscheidung nach § 47 JN bei einem negativen Kompetenzkonflikt sei, dass rechtskräftige, die Zuständigkeit verneinende Beschlüsse vorliegen müssten. In einem derartigen Fall bleibe der Überweisungsbeschluss für das Adressatgericht solange maßgebend, als dieser nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert werde. Das Adressatgericht könne der Bindungswirkung auch nicht durch einen zuvor gefassten Unzuständigkeitsbeschluss entgehen. Ungeachtet des nicht rechtskräftigen Überweisungsbeschlusses des Landesgerichts habe daher Bindung des Bezirksgerichts an diesen Beschluss bestanden. Der Beschluss des Bezirksgerichts vom 30. Oktober 2007 verletze diese Bindungswirkung und sei daher aufzuheben. Das Bezirksgericht sei als zur Entscheidung über den Sicherungsantrag zuständig zu bestimmen, weil der Überweisungsbeschluss des Landesgerichts noch nicht rechtskräftig abgeändert worden sei.

Die Rekursentscheidung beseitigte den angefochtenen Überweisungsbeschluss des Landesgerichts - seinem Spruch nach - zur Gänze. Eine Streitwertherabsetzung komme nicht in Betracht, sodass die Voraussetzungen des § 60 Abs 3 JN für die Abtretung der Streitsache an das Bezirksgericht nicht vorlägen. Nach § 387 Abs 1 EO sei darüber hinaus das Erstgericht als Prozessgericht grundsätzlich auch zur Entscheidung über die beantragte einstweilige Verfügung zuständig und habe gemäß § 61 Abs 1 GBG auch über den Antrag auf Streitanmerkung zu entscheiden. Der amtswegig gefasste Beschluss des Erstgerichts sei daher in seinem gesamten Inhalt ersatzlos aufzuheben und diesem die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen. Abschließend wird - in gewissem Gegensatz zur umfassend gehaltenen Fassung des Spruchs - „der Vollständigkeit halber" ausgeführt, dass das Bezirksgericht mit dem zu 1 Nc 19/07y ergangenen Beschluss als das zur Entscheidung über die begehrte einstweilige Verfügung zuständige Gericht bestimmt und dessen Unzuständigkeits- und Überweisungsbeschluss vom 30. Oktober 2007 aufgehoben wurde. „Die dem Erstgericht aufgetragene Verfahrensfortsetzung bezieht sich daher nicht auf den Sicherungsantrag des Klägers." Das Landesgericht übermittelte am 26. November 2007 Ausfertigungen dieser Entscheidungen des Oberlandesgerichts dem Bezirksgericht (dort am 29. November 2007 eingelangt) zur Entscheidung über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Der Disziplinarbeschuldigte sprach hierauf mit Beschluss vom 4. Dezember 2007 aus, das Bezirksgericht sei zur Fortsetzung des Sicherungsverfahrens, insbesondere zur noch ausstehenden Entscheidung über den mit (Wider-)Klage verbundenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht zuständig. Dieses Sicherungsverfahren werde aufgrund der Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 14. November 2007, womit der (das Bezirksgericht vorerst bindende) Beschluss des Landesgerichts vom 18. Oktober 2007 ersatzlos aufgehoben worden sei, iSd § 44 JN iVm § 387 Abs 1 EO an das Landesgericht als zuständiges Prozessgericht überwiesen.

In der Begründung führte der Disziplinarbeschuldigte aus, dass der Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht nachvollziehbar sei, weil dem (einseitigen) Rekurs des Klägers zur Gänze Folge gegeben worden, dieser durch die Rekursentscheidung sohin nicht im geringsten beschwert sei, und hielt bezugnehmend auf einen Aktenvermerk vom 3. Dezember 2007 fest, dass die Rekursentscheidung dem Rechtsvertreter des Antragstellers am 29. November 2007 zugestellt wurde. Ausgehend von der mit 29. November 2007 in (formelle) Rechtskraft erwachsenen Rekursentscheidung vertrat er sodann die Rechtsansicht, der (inhaltlich unrichtige) Überweisungsbeschluss des Landesgerichts vom 18. Oktober 2007 entfalte deshalb für das Bezirksgericht (jedenfalls nunmehr) keine Bindungswirkung mehr, sodass nach § 44 Abs 1 JN einerseits (deklarativ) auszusprechen sei, dass das Bezirksgericht zur Fortsetzung des Sicherungsverfahrens, insbesondere zur noch ausstehenden Entscheidung über den Sicherungsantrag nicht zuständig und andererseits der Sicherungsantrag (neuerlich) an das Landesgericht zu überweisen sei. Die abschließenden Ausführungen der Rekursentscheidung blieben unerwähnt.

Das Landesgericht erließ hierauf mit Beschluss vom 13. Dezember 2007 die einstweilige Verfügung gegen Erlag einer Sicherheitsleistung, welche über Rekurs des Klägers herabgesetzt wurde. Aus diesem Anlass brachte der Vorsitzende des Rekurssenats dem Präsidenten des Oberlandesgerichts die Nichtbeachtung der Entscheidung im Kompetenzkonflikt und eine dadurch bedingte Verzögerung der Erledigung des Sicherungsantrags zur Kenntnis. Der Präsident des Oberlandesgerichts nahm dies im Rahmen der Dienstaufsicht zum Anlass einer entsprechenden Verständigung des Vorstehers des Bezirksgerichts. Das Schreiben enthielt die Wendung, dieses Verhalten werde „ausgestellt".

Die Disziplinaranwältin beantragte am 11. Dezember 2008 gemäß § 121 RStDG die Verhängung einer Ordnungsstrafe über den Disziplinarbeschuldigten mit der Begründung, er habe nicht mehr anfechtbare und damit verbindliche Beschlüsse des Oberlandesgerichts nicht beachtet. Dies begründe lediglich eine Ordnungswidrigkeit, weil es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handle.

Der Disziplinarbeschuldigte hält an der Begründung seines Beschlusses vom 4. Dezember 2007 fest und verantwortet sich damit, er habe mit diesem Beschluss nicht gegen die Bindungswirkung verstoßen wollen. Er sei der Meinung, die Entscheidung des Oberlandesgerichts zu 1 Nc 19/07y sei im Zeitpunkt der Fassung seines neuerlichen Überweisungsbeschlusses bereits obsolet gewesen, weil der Beschluss des Landesgerichts vom 18. Oktober 2007 durch die zu diesem Zeitpunkt bereits zugestellte Rekursentscheidung (1 R 287/07a) rechtskräftig abgeändert gewesen sei. Schon im Beschlusstenor habe er auf den „vorerst" bindenden Beschluss des Landesgerichts hingewiesen. Ausschließlicher Grund für die Fassung des Überweisungsbeschlusses sei der Begründungssatz zu 1 Nc 19/07y gewesen, wonach in einem derartigen Fall eine Überweisung nach § 44 Abs 1 JN der Überweisungsbeschluss solange maßgebend bleibe, als dieser nicht in höherer Instanz abgeändert werde. Er sei davon ausgegangen, dass die dem Landesgericht in der Rekursentscheidung aufgetragene Durchführung des gesetzlichen Verfahrens auch die noch ausstehende Entscheidung über den Sicherungsantrag mitumfasse. Wenn diese Meinung rechtsirrtümlich sei, nehme er dies zur Kenntnis, er habe aber niemals gegen die Bindungswirkung verstoßen wollen. Der allfällige Verstoß gegen die Bindungswirkung sei bei den gegebenen Umständen als einmalige Fehlleistung entschuldbar. Es fehle an der (auch) für eine Qualifikation als Ordnungswidrigkeit notwendigen subjektiven Tatseite. Mit der Textierung seiner ersten Stellungnahme habe er niemanden kränken wollen. Die Bedeutung des Wortes „ausgestellt" sei ihm und anderen Juristen, mit denen er gesprochen habe, nicht bekannt gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Das Oberlandesgericht ***** als Disziplinargericht für Richter entschied mit dem angefochtenen Beschluss, dass der Disziplinarbeschuldigte dadurch, dass er die ihn gemäß § 57 Abs 1 RStDG treffende Pflicht, die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten, die Pflichten seines Amtes gewissenhaft zu erfüllen und die ihm übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen, verletzte, indem er entgegen dem durch bindenden Beschluss des Oberlandesgerichts vom 14. November 2007, 1 Nc 19/07y, erledigten negativen Kompetenzkonflikt zwischen dem Landesgericht und dem Bezirksgericht, womit zur Entscheidung über den mit der beim Landesgericht eingebrachten Widerklage wegen Eigentumseinverleibung verbundenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung das Bezirksgericht als zuständiges Gericht bestimmt und dessen vorausgegangener Unzuständigkeits- und Überweisungsbeschluss vom 30. Oktober 2007 aufgehoben wurde, mit Beschluss vom 4. Dezember 2007 wiederum die Unzuständigkeit des Bezirksgerichts zur Entscheidung über den Sicherungsantrag aussprach und das Sicherungsverfahren neuerlich an das Landesgericht überwies, statt umgehend über den Sicherungsantrag zu entscheiden, eine Ordnungswidrigkeit nach § 101 Abs 1 zweiter Satz RStDG begangen hat. Das Disziplinargericht verhängte über ihn gemäß § 121 Abs 1 iVm § 103 Abs 1 lit a RStDG die Ordnungsstrafe der Ermahnung. Es könne nicht als erwiesen zugrunde gelegt werden, dass der Disziplinarbeschuldigte durch den Beschluss vom 4. Dezember 2007 im Bewusstsein der Unrichtigkeit der vertretenen Rechtsansicht gegen die Bindung an die Entscheidung des Oberlandesgerichts verstoßen habe wollen. Er habe den Eintritt der Rechtskraft der Rekursentscheidung damals im Sinn der Begründung seines Beschlusses und seiner Stellungnahme tatsächlich für rechtserheblich gehalten. Diese Rechtsansicht sei aber verfehlt und die Bindung an die nach § 47 Abs 1 JN getroffene Entscheidung bei der gebotenen Aufmerksamkeit trotz der offensichtlichen Fixierung auf das seit dem Beschluss vom 30. Oktober 2007 thematisierte Rechtskrafterfordernis nicht in Zweifel zu ziehen. Der Disziplinarbeschuldigte habe die beiden am selben Tag gefassten Beschlüsse des Oberlandesgerichts einerseits nach § 47 JN, andererseits als Rekursentscheidung zu beurteilen gehabt. Das Bezirksgericht sei nach dem unmissverständlichen Wortlaut des Spruchs zu 1 Nc 19/07y im Sinn des bei einem negativen Kompetenzkonflikt endgültig zu treffenden Ausspruchs uneingeschränkt als zur Entscheidung über den Sicherungsantrag zuständiges Gericht bestimmt worden. Die Beschlussbegründung sei ausgehend von der sodann dargelegten, ebenso bindenden Rechtsansicht, im Fall der Überweisung nach § 44 Abs 1 JN gelte nicht der Grundsatz, Voraussetzung für eine Entscheidung nach § 47 Abs 1 JN seien rechtskräftige, die Zuständigkeit verneinende Beschlüsse und in einem derartigen Fall einer Überweisung (§ 44 Abs 1 JN) bleibe der Überweisungsbeschluss für das Adressatgericht solange maßgebend, als dieser nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert werde, das Bezirksgericht könne der Bindungswirkung auch nicht durch einen zuvor gefassten Unzuständigkeitsbeschluss entgehen, gleichermaßen eindeutig. Die vom Richter zu fordernde unvoreingenommene Prüfung der zugrundegelegten Verfahrenslage und Rechtsansicht hätte ergeben, dass gemäß § 47 JN habe entschieden werden können und das Bezirksgericht, welches mit der Entscheidung vom 30. Oktober 2007 gegen die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses des Landesgerichts verstoßen habe, zur Entscheidung über den Sicherungsantrag bestimmt worden sei. Mit dem vom Disziplinarbeschuldigten zur Rechtfertigung angeführten vorletzten Satz der Begründung, welcher auf den Überweisungsbeschluss und nicht etwa auf die Bestimmung des zuständigen Gerichts im Kompetenzkonflikt abstelle, sei die im Rahmen der Bindung nicht zu prüfende Rechtsansicht geäußert worden, aus welcher sich diese Folgerung ergebe. Der abschließende Satz der Begründung, dass zur Entscheidung über den Sicherungsantrag das Bezirksgericht zu bestimmen gewesen sei, zumal der Überweisungsbeschluss des Landesgerichts noch nicht rechtskräftig abgeändert worden sei, bringe unmissverständlich nur die Sach- und Rechtslage in dem für die Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts maßgebenden Zeitpunkt, also dem 14. November 2007, zum Ausdruck. Die (spruchgemäß aufgrund der Berechtigung des Rechtsmittels kaum anders mögliche) Rekursentscheidung vom gleichen Tag, die auch erst zuzustellen gewesen sei, enthielte zudem die schon hervorgehobene, eindeutige und offenkundig vom Disziplinarbeschuldigten nicht beachtete Klarstellung, dass sich die dem Erstgericht (Landesgericht) aufgetragene Verfahrensfortsetzung nicht auf den Sicherungsantrag (die Entscheidung darüber) beziehe.

Fundament der zu wahrenden Unabhängigkeit der Rechtsprechung sei das von jedem Richter zu bewahrende Vertrauen in die unbedingte Gesetzestreue der Justiz. Fehler der Rechtsprechung seien daher nicht generell einer disziplinarrechtlichen Überprüfung entzogen. Fehler bei der Rechtsanwendung seien disziplinär zu ahnden, wenn sie so schwer wiegen, dass das Vertrauen in die Gesetzestreue der Justiz in Frage stehe und dem Richter zugleich ein gravierender Schuldvorwurf zu machen sei. Der Disziplinarbeschuldigte habe ungeachtet der Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt neuerlich seine Unzuständigkeit zur Entscheidung über den Sicherungsantrag samt Rücküberweisung ausgesprochen und dabei die Bindung aller Staatsorgane an eine im Einzelfall rechtskräftig und damit unabänderlich wie unwiederholbar festgestellte Rechtslage missachtet; dies in Anbetracht der generell gebotenen Dringlichkeit von Entscheidungen im Provisorialverfahren. Die Sachlage sei - objektiv gesehen - so eindeutig gewesen, dass jede andere Vorgangsweise als die umgehende Entscheidung über den Sicherungsantrag außerhalb des richterlichen Beurteilungsspielraums gelegen sei. Zumindest lasse die Nichtbeachtung der aus den dargelegten Gründen eindeutigen Bindung an die Bestimmung des Bezirksgerichts als zur Entscheidung über den Sicherungsantrag zuständiges Gericht gerade auch im Hinblick auf die Klarstellung in der Begründung der Rekursentscheidung des Oberlandesgerichts einen so leichtfertigen Umgang mit der Verfahrensfrage erkennen, dass von einem leichten Verschulden nicht mehr die Rede sein könne. Die für das Funktionieren der Justiz evidente Wichtigkeit des nicht beachteten Rechtsgrundsatzes sei daher ungeachtet des vorgebrachten Rechtsirrtums als disziplinär zu ahndende Verletzung der richterlichen Amtspflichten zu beurteilen. Sie bestehe darin, sich über einen klaren Rechtsbestand (eine klar bindende Entscheidung über einen negativen Kompetenzkonflikt) hinweggesetzt und dabei die Amtspflichten nicht mit der notwendigen Gewissenhaftigkeit und dem Bemühen um eine möglichst rasche Erledigung der bei Gericht anhängigen Sachen erfüllt zu haben. Ausgehend von der schon für die Tatbestandsmäßigkeit erforderlichen und bejahten groben Fahrlässigkeit könne nicht wegen eines besonders geringen Verschuldensvorwurfs von einer Ordnungsstrafe abgesehen werden. Allerdings biete die dem Disziplinarbeschuldigten sonst attestierte ausgezeichnete Arbeitsleistung und die bei der Einvernahme angedeutete Schuldeinsicht hinreichend Gewähr für die künftige Einhaltung der Amtspflichten; das sicherlich seltene Zusammentreffen zweier miteinander richtig in Einklang zu bringender Entscheidungen der dargelegten Art sei zudem zu seinen Gunsten in Rechnung zu stellen. Es sei von einer doch geringer zu ahndenden Pflichtverletzung auszugehen, weshalb mit der milderen Ordnungsstrafe der Ermahnung gemäß § 103 Abs 1 lit a RStDG das Auslangen gefunden werde.

Die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten, mit der er die Aufhebung der Ordnungsstrafe sowie die Einstellung des Disziplinarverfahrens anstrebt, ist berechtigt.

§ 57 Abs 1 RStDG verpflichtet Richter zur unverbrüchlichen Beachtung der österreichischen Rechtsordnung und fordert, sich mit voller Kraft und Eifer dem Dienst zu widmen sowie die Amtspflichten unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen. Nicht jede Verletzung des materiellen Rechts oder der Verfahrensbestimmungen ist Gegenstand des Dienststrafrechts, sondern nur eine solche, die mit Rücksicht auf Art und Schwere der Verfehlung aus general- und spezialpräventiven Gründen einer dienststrafrechtlichen Ahndung bedarf. Eine Gesetzesverletzung, die nur auf entschuldbarer Fahrlässigkeit oder einer bloß fallweisen Unkenntnis einer Rechtsvorschrift beruht, macht somit nicht disziplinär verantwortlich, wohl aber gegebenenfalls eine bewusste oder wiederholt grob fahrlässige Rechtsverletzung. Dort wo das Gesetz dem Richter eine Ermessensentscheidung aufträgt, kann eine disziplinär strafbare Amtspflichtverletzung nur bei missbräuchlicher Ausübung richterlichen Ermessens in Frage kommen (Ds 3/08 mwN; RIS-Justiz RS0072522). Fehler bei der Rechtsanwendung sind disziplinär zu behandeln, wenn sie so schwer wiegen, dass das Vertrauen in die Gesetzestreue der Justiz in Frage steht und dem Richter zugleich ein gravierender Schuldvorwurf zu machen ist (Ds 15/04).

Das diesem Disziplinarverfahren zugrundeliegende Zivilverfahren ist durch eine Mehrzahl von Fehlleistungen aller Instanzen gekennzeichnet:

Das Landesgericht überwies - wie vom Oberlandesgericht als Rekursgericht zutreffend ausgeführt - die Rechtssache zu Unrecht an das Bezirksgericht. Darüber hinaus hätte es den - freilich auch zu Unrecht gefassten (3 Ob 62/67 = SZ 40/97 uva; RIS-Justiz RS0002439) - (ersten) Rücküberweisungsbeschluss des Bezirksgerichts nicht sofort zum Anlass nehmen dürfen, den Akt zur Entscheidung eines negativen Kompetenzkonflikts vorzulegen, sondern vielmehr die Rechtskraft seines Überweisungsbeschlusses abwarten müssen. Ein negativer Kompetenzkonflikt entsteht erst dann, wenn alle in Frage kommenden Gerichte rechtskräftig ihre Zuständigkeit verneint haben (RIS-Justiz RS0046299).

Das Oberlandesgericht hätte vor Rechtskraft der Unzuständigkeitsentscheidung des Landesgerichts nicht über den Kompetenzkonflikt entscheiden dürfen, sondern den Akt insoweit zurückstellen müssen. Die seiner Entscheidung zugrundeliegende Auffassung, die Rechtskraft sei nicht abzuwarten, weil der Überweisungsbeschluss für das Bezirksgericht bindend gewesen sei, ist unrichtig. Dass das Bezirksgericht mit der Rücküberweisung gegen die Bindungswirkung verstoßen hat, hätte in einem Rechtsmittel gerügt werden können (Überweisungsbeschlüsse nach § 44 JN sind mit Rekurs anfechtbar [3 Ob 171/03y mwN]) und wäre auch aufzugreifen gewesen; das bedeutet aber nicht, dass deshalb bereits ein negativer Kompetenzkonflikt vorläge.

Durch die verfrühte Annahme eines Kompetenzkonflikts stand das Oberlandesgericht vor dem Dilemma, dass es zu 1 R 287/07a einerseits den Unzuständigkeits- und Überweisungsbeschluss aufzuheben hatte, weil er unrichtig war und daher auch nicht teilweise - in Ansehung des Sicherungsantrags - aufrecht erhalten werden konnte, andererseits aber in der Entscheidung zum (vermeintlichen) Kompetenzkonflikt zu 1 Nc 19/07y bereits ausgesprochen hatte, das Bezirksgericht habe über den Sicherungsantrag zu entscheiden. Die Ausführungen in der Rekursentscheidung zu 1 R 287/07a, die mit „Der Vollständigkeit halber" eingeleitet werden, aber eine wesentliche Einschränkung des Spruchs bedeuten, sind ein untauglicher Versuch, aus der - selbst verschuldeten - verfahrenen Situation herauszukommen. Der Widerspruch lässt sich nicht auflösen: Kann die Unzuständigkeits- und Überweisungsentscheidung angefochten werden, dann kann eine Rechtssache auch nicht schon vor Rechtskraft der Unzuständigkeits- und Überweisungsentscheidung im Wege der Entscheidung eines vermeintlichen Kompetenzkonflikts endgültig dem überwiesenen Gericht mit der Begründung zugewiesen werden, dass es insoweit an den Überweisungsbeschluss gebunden ist, als es seine Zuständigkeit nicht unter Berufung auf die Zuständigkeit des überweisenden Gerichts ablehnen kann. Diese Bindung könnte nur in einem Rechtsmittel gegen seinen Rücküberweisungsbeschluss geltend gemacht werden. Sie kann aber nicht dazu führen, dass die Unzuständigkeits- und Überweisungsentscheidung des zuerst angerufenen Gerichts praktisch unanfechtbar wird.

Die am selben Tag gefällten Entscheidungen des Oberlandesgerichts im Kompetenzkonflikt und im Rekursverfahren, die dem Disziplinarbeschuldigten auch gleichzeitig zugingen, ließen zwar erkennen, dass einerseits das Bezirksgericht als zur Entscheidung über den Sicherungsantrag zuständig bestimmt und andererseits das Landesgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens als Prozessgericht in der Hauptsache aufgetragen erhielt. Der Disziplinarbeschuldigte sah sich aber mit zwei Beschlüssen konfrontiert, deren Sprüche im Widerspruch zueinander standen: In einem Beschluss wurde seine Zuständigkeit bejaht, im anderen aber der Überweisungsbeschluss (im Spruch) ohne jede Einschränkung aufgehoben. Dass dann „der Vollständigkeit halber" auf eine wesentliche Einschränkung hingewiesen wird, zu der es nur gekommen ist, weil zu Unrecht angenommen worden war, es liege ein negativer Kompetenzkonflikt vor, hätte der Disziplinarbeschuldigte nicht übersehen oder übergehen dürfen. Ein so gravierender Schuldvorwurf, dass von einem disziplinär zu ahndendem Fehlverhalten gesprochen werden könnte, ist daraus aber nicht abzuleiten; dies auch unter Berücksichtigung seiner sonst ausgezeichneten Arbeitsleistung, die erwarten lässt, dass Gewähr für die künftige Einhaltung der Amtspflichten gegeben ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 137 Abs 2 und § 140 Abs 3 RStDG.

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