European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00141.09T.0918.000
Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
„Die gerichtliche Aufkündigung des Bezirksgerichts Dornbirn vom 18. Dezember 2008 wird aufgehoben.
Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin die Geschäftsräume mit der Nummer E/3 im Einkaufszentrum 'Stadtmarkt D*****', *****, bis längstens 14. Juli 2009 zu übergeben, wird abgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 589,15 EUR (darin 98,19 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 1.209,81 EUR (darin 152,97 EUR Umsatzsteuer und 292 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Mit „Bestandvertrag" vom 15. 4./6. 6. 1994 samt Ergänzungsvereinbarung vom 15. 6. 1994 nahm die Beklagte die als E/3 im Einkaufszentrum „Stadtmarkt D*****" bezeichnete Geschäftsräumlichkeit in Bestand.
Gemäß Punkt II. (Bestandzweck) 1. dieses Bestandvertrags sind die Räume für den Betrieb einer B*****‑Filiale in Bestand gegeben, wobei sich die Beklagte als Bestandnehmerin verpflichtete, die Bestandräume einschließlich der Schaufensteranlagen zum vertraglich festgelegten Zweck, dem Verkauf von jenen Sortimenten, wie sie üblicherweise in allen anderen B*****‑Filialen vertrieben werden, für die Dauer des Bestandvertrags zu nutzen. Die Beklagte trifft weiters eine Betriebspflicht hinsichtlich der Geschäftsräumlichkeit während der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums, verbunden mit der Verpflichtung, ein ausreichendes Sortiment ihrer Branche zu führen.
Ein zweiter Drogerie- und Parfümeriemarkt darf gemäß Punkt II. 2. nur mit Zustimmung der Beklagten im Einkaufszentrum untergebracht werden.
Nach Punkt II. 5. nahm die Beklagte zur Kenntnis, dass sie selbst für die Erlangung der Betriebsanlagenbewilligung für den Bestandgegenstand Sorge zu tragen habe, wobei die Klägerin als Bestandgeberin die baulichen Voraussetzungen dafür schaffen werde.
Das Bestandverhältnis begann laut Punkt III. (Bestandzeit) 1. mit dem Übergabetag der Bestandräumlichkeit und wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, wobei die Beklagte innerhalb von fünf Jahren ab Vertragsbeginn auf die Aufkündigung des Bestandverhältnisses verzichtete.
Der Bestandzins wurde mit einem bestimmten Betrag pro Quadratmeter vereinbart (Punkt V. [Bestandzins] 1.).
In Punkt IX. (Werbungskostenbeiträge) 1. verpflichtete sich die Klägerin zur Einrichtung eines Werbe- und Promotionservice für die Dauer des Bestandverhältnisses, die Beklagte jedoch zur Leistung eines Werbungskostenbeitrags; diese Werbungskostenbeiträge, die sich nach der Anzahl der in Bestand genommenen Quadratmeter richtet und monatlich zu entrichten ist (Punkt IX. 2.), ist von der Klägerin für Gemeinschaftswerbung wie etwa Plakate, Inserate, Funk‑/Fernsehwerbung, Öffentlichkeitsarbeit, Promotion‑Aktionen und Verwaltungskosten für diese Leistungen zu verwenden.
Die Klägerin stellte das Bestandobjekt laut technischer Beschreibung, welche Vertragsbestandteil ist, zur Verfügung; die Beschaffung etwaiger zusätzlicher Einbauten und Einrichtungen war Sache der Beklagten (Punkt XI. [Inneneinrichtung uä] 1.). Die Bestandräumlichkeit wurde der Beklagten folgendermaßen übergeben:
Boden: Estrichboden glatt; Decke: Sichtbeton gestrichen, Verrohrung und Kanäle sichtbar; Säulen: Sichtbeton gestrichen; Wände: Sichtbeton oder Verputz gestrichen; Geschäftsfronten und Eingangsportale im Innenbereich zur Mall hin sind durch die Bestandnehmerin selbst zu erstellen; sanitäre Ausstattung: Kaltwasseranschluss und Abflussleitung; Brandschutz: für den gesamten Komplex ist eine Sprinkleranlage mit Grundversorgung vorgesehen; die einzelnen Sprinkler im Bestandobjekt und deren Anbindung sind durch die Bestandnehmerin auf deren Kosten zu installieren; Lüftung: Luftkanalanschlüsse pro Geschäftseinheit montiert; der Ausbau der Luftverteilung samt Luftauslässen und -einlässen ist Sache der Bestandnehmerin.
Von der Beklagten fest eingebaute Gegenstände oder durchgeführte Umbauten wird diese nach Beendigung des Bestandverhältnisses unter Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands auf eigene Kosten zu entfernen haben (Punkt XI. 2.).
Punkt XIX. (Wahrung des Gesamtinteresses) 1. wiederholt die Betriebspflicht der Beklagten während der Betriebszeiten des Einkaufszentrums; in Punkt XIX. 2. verpflichtet sich die Beklagte unter anderem, ihr Geschäft so zu betreiben, wie es dem Charakter des Einkaufszentrums entspricht.
Punkt XX. (Auflösung des Bestandvertrags) 8. legt einen Verstoß der Beklagten gegen ihre Betriebspflicht als sofortigen Auflösungsgrund für das Bestandverhältnis fest.
In Punkt XXIV. (Hinweis auf gesetzliche Bestimmungen) ist festgehalten, dass - soweit dieser Vertrag die gegenseitigen Rechte und Pflichten nicht oder nicht ausreichend regelt - die Bestimmungen des ABGB, nicht jedoch jene des Mietrechtsgesetzes gelten sollen.
Für die Fertigstellung ihres Geschäftslokals hatte die Beklagte erhebliche Investitionen zu tragen, das Einkaufszentrum hatte allerdings von Anfang an „Auslastungsprobleme" in Bezug auf Bestandnehmer.
Am 9. 7. 2002 unterfertigte der Geschäftsführer der Klägerin eine von der Beklagten verfasste Urkunde vom 27. 6. 2002. Demnach wurde der monatliche Nettopachtzins auf Basis des ursprünglichen Bestandvertrags ab 1. 7. 2002 von 4.645,68 EUR auf 3.850 EUR reduziert.
Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom 18. 12. 2008 über Antrag der Klägerin die gerichtliche Aufkündigung der Bestandräumlichkeit zum 30. 6. 2009.
Dagegen wendete die Beklagte ein, zwischen den Parteien sei es nicht zum Abschluss eines Pacht‑, sondern eines Mietverhältnisses gekommen; ein wichtiger Kündigungsgrund gemäß § 30 MRG liege jedoch nicht vor. Ein Pachtverhältnis scheide schon allein deshalb aus, weil die Klägerin der Beklagten kein lebendes Unternehmen, sondern lediglich einen „Edelrohbau" zur Verfügung gestellt habe; die Beklagte habe auch selbst für die Betriebsanlagengenehmigung sorgen müssen und zahle nicht einen umsatzabhängigen Bestandzins; bei Beendigung des Bestandverhältnisses werde die Beklagte den ursprünglichen Zustand der Bestandräumlichkeit wieder herzustellen haben.
Dem hielt die Klägerin entgegen, Bestandverhältnisse in Einkaufszentren seien „im Allgemeinen" als Pachtverhältnisse zu qualifizieren, die Vertragsparteien hätten ausdrücklich die Geltung des Mietrechtsgesetzes abbedungen und die Beklagte sei selbst vom Vorliegen eines Pachtverhältnisses ausgegangen.
Die Vorinstanzen erklärten die gerichtliche Aufkündigung vom 18. 12. 2008 für rechtswirksam und verpflichteten die Beklagte zur Räumung der Bestandräumlichkeit bis längstens 14. 7. 2009; das Berufungsgericht erklärte darüber hinaus die ordentliche Revision für nicht zulässig.
In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, es sprächen zwar gewichtige Gründe für die Qualifizierung des Bestandverhältnisses als Miete. So habe die Klägerin der Beklagten kein lebendes Unternehmen überlassen, sondern lediglich einen „Edelrohbau", der mit beträchtlichem Aufwand von der Beklagten einzurichten gewesen sei; die Beklagte habe selbst um die Betriebsanlagenbewilligung ansuchen müssen, ein umsatzabhängiger Bestandzins sei nicht vereinbart worden; eine übereinstimmende Parteienabsicht in Richtung Abschluss eines Pachtvertrags habe nicht bestanden. Für die Einstufung als Pachtverhältnis spreche jedoch die vereinbarte Betriebspflicht der Beklagten, deren Verpflichtung zur Wahrung des Gesamtinteresses des Einkaufszentrums, zur Leistung eines Werbekostenbeitrags für Gemeinschaftswerbung und zur Führung eines breiten Warensortiments; außerdem habe die Beklagte nach Beendigung des Bestandverhältnisses fest eingebaute Gegenstände und durchgeführte Umbauten nur zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, soweit diese von der Klägerin nicht genehmigt wurden und die Klägerin die Entfernung verlange; da die Klägerin bei entsprechender Vereinbarung Einbauten übernehmen könne, sei dies „ein gewisses Indiz dafür, dass die [Klägerin] durchaus auch die Übernahme eines 'lebenden Unternehmens' in Erwägung gezogen habe". Die Klägerin habe „offensichtlich" nicht nur ein wirtschaftliches Interesse an der Erzielung eines Bestandzinses für die beigestellten Räume, sondern auch ein „besonderes eigenes Interesse" am Betrieb der einzelnen Unternehmen in den für den gewünschten Branchenmix erforderlichen Geschäftszweigen. Unter Abwägung dieser Umstände gelangte das Berufungsgericht zur Annahme eines Pachtverhältnisses.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat; sie ist auch berechtigt.
1. Wenngleich die Auslegung rechtsgeschäftlicher Parteienerklärungen, von denen nicht zwingend anzunehmen ist, dass sie in vergleichbarer Form neuerlich vorkommen, mangels einer über den Anlassfall hinausgehenden Bedeutung die Zulässigkeit der Revision regelmäßig nicht begründen kann (1 Ob 58/97d; 1 Ob 31/00s), liegt hier doch eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor. Das Berufungsgericht hat nämlich bei der Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen ein nicht vertretbares Auslegungsergebnis erzielt, das weder im Wortlaut der Vereinbarungen noch in den erstinstanzlichen Feststellungen zur Parteienabsicht eine ausreichende Grundlage hat und mit den gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 914 ff ABGB in Widerspruch steht (vgl 3 Ob 145/08g).
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt eine Unternehmenspacht - wovon die Vorinstanzen im vorliegenden Fall übereinstimmend ausgegangen sind - im Allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrags ist. Neben den Räumen muss dem Bestandnehmer vom Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand gehört, also etwa Betriebsmittel (Einrichtung und Warenlager), Kundenstock und Gewerbeberechtigung.
Dies bedeutet zwar nicht, dass im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müssten. Das Fehlen einzelner Betriebsgrundlagen lässt noch nicht darauf schließen, dass Miete und nicht Pacht vorliegt, wenn nur die übrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber beigestellt werden und das lebende Unternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit fortbesteht (RIS‑Justiz RS0020398).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat im vorliegenden Fall die Klägerin der Beklagten jedoch keines dieser „Betriebsmittel" zur Verfügung gestellt; die Beklagte musste vielmehr selbst sogar für die Erlangung der Betriebsanlagenbewilligung Sorge tragen.
In der Entscheidung 7 Ob 260/07x (immolex 2008/92 [Pfiel]) wurde als maßgeblich für die Qualifizierung eines Bestandverhältnisses unter anderem auch die Zurverfügungstellung von Kundenparkplätzen und der Infrastruktur des Einkaufszentrums durch den Bestandgeber angesehen. Diesem Umstand allein kann jedoch keine entscheidende Bedeutung zukommen, weil sich ansonsten die in der Literatur heftig diskutierte Frage Miete oder Pacht in Einkaufszentren nie stellen würde, wäre doch dann immer Pacht anzunehmen.
3. Zwar ist auch bei einem erst zu errichtenden Unternehmen eine Qualifikation des Bestandverhältnisses als Pacht nicht ausgeschlossen; zusätzlich zur Betriebspflicht müssen aber die wesentlichsten Grundlagen für den Unternehmensbeginn bereits bestehen beziehungsweise vom Bestandgeber beigestellt werden, nämlich im Einzelfall etwa die bereits entsprechend adaptierten Räume, der Kundenstock oder die Konzession (RIS‑Justiz RS0020581).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen musste die Beklagte vor Eröffnung ihrer Filiale die in Bestand genommenen Räumlichkeiten erst unter beträchtlichem Aufwand und mit erheblichen Investitionen fertigstellen; bereits entsprechend adaptierte Räume waren somit nicht vorhanden. Es ist daher zwischen den Parteien an sich auch gar nicht strittig, dass die Klägerin der Beklagten ein lebendes Unternehmen nicht zur Verfügung gestellt hat.
Gegen die Annahme eines Pachtverhältnisses spricht unter diesem Gesichtspunkt aber auch die Verpflichtung der Beklagten, bei Beendigung des Bestandverhältnisses die Bestandräume wieder in den Zustand zu versetzen, in dem sie sich zum Zeitpunkt der Übergabe befunden haben. Die Beklagte hat also das leere Bestandlokal zurückzustellen, was für Miete spricht (1 Ob 2315/96i MietSlg 49.104). Dass - wie das Berufungsgericht meint - die Klägerin bei Beendigung des Bestandverhältnisses mit der Beklagten die Übernahme von Ein- und Umbauten vereinbaren könnte, mag zwar sein. Warum sie damit jedoch - schon bei Vertragsabschluss (!) - die Übernahme eines lebenden Unternehmens „in Erwägung gezogen" haben soll, ist nicht nachvollziehbar. Im Übrigen erscheint es auch äußerst unwahrscheinlich, dass die Klägerin in den Bestandräumlichkeiten selbst eine B*****‑Filiale betreiben könnte.
4. Bei einem erst zu gründenden Unternehmen beziehungsweise Betrieb sind die Anforderungen für die Beurteilung eines Bestandverhältnisses als Unternehmenspacht strenger (1 Ob 2315/96i; 3 Ob 274/02v SZ 2002/160; 6 Ob 36/03t wobl 2004/69 [Vonkilch]; 3 Ob 253/05k immolex 2007/39 [H. Böhm] = wobl 2007/1 [Vonkilch]).Deshalb ist es im vorliegenden Verfahren auch durchaus von erheblicher Bedeutung, dass die Parteien nicht einen umsatzabhängigen Bestandzins, sondern ein von der Größe der zur Verfügung gestellten Fläche abhängiges Entgelt vereinbarten. Auch dies spricht für Miete und nicht für Pacht.
5. Das Berufungsgericht hat sich zur Begründung seiner Auffassung, die Parteien hätten einen Pachtvertrag abgeschlossen, vornehmlich darauf gestützt, die Beklagte treffe eine vertragliche Betriebspflicht.
Nach jahrzehntelanger ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestand das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen Miete und Pacht zwar in der den Bestandnehmer betreffenden Betriebspflicht; wurde eine solche vereinbart, dann liege ein Pachtvertrag vor (RIS‑Justiz RS0020451). Allerdings wurde auch immer wieder betont, dass grundsätzlich bloße Raummiete anzunehmen sei, wenn lediglich ein für den Unternehmenszweck noch gar nicht eingerichteter Raum in Bestand gegeben und eine Betriebspflichtvereinbarung getroffen wurde (1 Ob 598/80 MietSlg XXXII/23 mwN; vgl auch 8 Ob 11/04g immolex 2004/128; 1 Ob 147/06h MietSlg 58.109). In jüngerer Zeit wurde schließlich ausgesprochen, dass die Vereinbarung einer Betriebspflicht nicht überbewertet werden dürfe; sie führe jedenfalls nicht automatisch zur Beurteilung des Bestandvertrags als Pachtvertrag (3 Ob 253/05k; 7 Ob 260/07x immolex 2008/92 [Pfiel]).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen trifft die Beklagte zwar eine umfassende Betriebspflicht; bei Abschluss des Bestandvertrags war das Einkaufszentrum der Kläger jedoch noch gar nicht errichtet, in weiterer Folge wurde ihr ein „Edelrohbau" überlassen, der erst unter beträchtlichem Aufwand und mit erheblichen Investitionen zu einem Geschäftslokal umgewandelt und fertiggestellt werden musste.
6. Mit seinen Ausführungen zum Interesse der Klägerin an einem entsprechendem Branchenmix im Einkaufszentrum zielt das Berufungsgericht offensichtlich auf jene Rechtsprechung ab, wonach es bei der Abgrenzung zwischen Unternehmenspacht und Geschäftsraummiete darauf ankommen soll, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0020521). Allerdings kann auch ein solcher Aspekt nicht für sich allein ausschlaggebend sein, weil ansonsten in Einkaufszentren, die ja immer auf einen bestimmten (erfolgsträchtigen) Branchenmix abstellen werden, regelmäßig nur Pachtverhältnisse abgeschlossen werden könnten. Im Übrigen beruft sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren ja nicht einmal auf den Umstand, dass die Auflösung des Bestandverhältnisses mit der Beklagten seinen Grund in einer Änderung des Branchenmix habe.
7. Für die Frage, ob Miete oder Pacht anzunehmen ist, ist es belanglos, welche rechtliche Unterstellung die Parteien im Bestandvertrag in dieser Richtung vorgenommen haben (RIS‑Justiz RS0020514). Dass die Parteien im vorliegenden Verfahren ausdrücklich die Nichtanwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes vereinbart haben, ist somit nicht von entscheidender Bedeutung.
Der Oberste Gerichtshof hat zwar in diesem Zusammenhang bereits ausgesprochen, inhaltliche Regelungen in einem Bestandvertrag, die einen Zusammenhang mit dem Mietrechts- bzw früher Mietengesetz herstellen, könnten einen wesentlichen Gesichtspunkt für die rechtliche Qualifikation eines Bestandvertrags als Miet‑ oder Pachtvertrag nach der Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls bilden, weil in solchen nicht allein eine Rechtsvorstellung zum Ausdruck gebracht wird, sondern die Rechte und Pflichten der Vertragspartner bestimmt werden, etwa wenn bestimmte Kündigungsgründe nach dem Mietrechtsgesetz angesprochen werden (3 Ob 253/05k; 7 Ob 260/07x). Daraus ist aber - unter Außerachtlassung der übrigen Umstände - nicht der Schluss zu ziehen, dass bei Fehlen derartiger Hinweise in Richtung mietenrechtlicher Regelungen zwingend von einem Pachtverhältnis ausgegangen werden müsste.
Die Parteien vereinbarten im vorliegenden Fall ursprünglich ein Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit, die Beklagte verzichtete innerhalb von fünf Jahren ab Vertragsbeginn auf die Aufkündigung des Bestandverhältnisses. Eine derartige Regelung wäre auch für einen Mietvertrag nicht gerade untypisch, zwingt jedenfalls aber nicht zur Annahme eines Pachtvertrags.
Dass die Beklagte rund acht Jahre nach Vertragsbeginn möglicherweise selbst die Auffassung vertreten hat, Pächterin und nicht Mieterin der Bestandräumlichkeit zu sein, ist nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung; jedenfalls kann eine derartige nachträgliche Rechtsauffassung nicht zurückwirken.
8. Das Berufungsgericht hat sich zur Begründung seiner Rechtsauffassung - neben der Betriebspflicht ‑ auch darauf gestützt, dass die Beklagte aufgrund der getroffenen Vereinbarungen das Gesamtinteresse des Einkaufszentrums der Klägerin zu wahren, einen Werbekostenbeitrag für Gemeinschaftswerbung zu bezahlen und ein breites Warensortiment zu führen habe. Derartigen Gemeinschaftsverpflichtungen kommt jedoch keine für die Typenentscheidung wesentliche Bedeutung zu, weil solche Vereinbarungen ohne Weiteres auch mit Mietern geschlossen werden können (3 Ob 253/05k).
9. Nimmt somit jemand ein im „Edelrohbauzustand" befindliches Geschäftslokal in einem Einkaufszentrum zu einem nicht umsatzabhängigen Bestandzins in Bestand, das er unter beträchtlichem Aufwand und mit erheblichen Investitionen fertigstellt und bei Beendigung des Bestandverhältnisses wieder in den Zustand zu versetzen haben wird, in dem es sich zum Zeitpunkt der Übergabe befunden hat, und stellt ihm der Bestandgeber auch sonst keine Betriebsmittel wie etwa Einrichtung, Warenlager, Kundenstock oder Gewerbeberechtigung zur Verfügung, ist selbst dann von einem Miet- und nicht von einem Pachtverhältnis auszugehen, wenn die Vertragsparteien die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes ausgeschlossen haben, den Bestandnehmer gewisse Gemeinschaftsverpflichtungen wie etwa die Wahrung des Gesamtinteresses des Einkaufszentrums oder die Bezahlung eines Werbekostenbeitrags für Gemeinschaftswerbung treffen und der Bestandgeber dem Bestandnehmer die Infrastruktur des Einkaufszentrums und Kundenparkplätze zur Verfügung stellt.
Damit haben die Vorinstanzen im vorliegenden Verfahren jedoch zu Unrecht ein Pachtverhältnis angenommen. Der hier zu beurteilende Sachverhalt entspricht im Übrigen weitgehend jenem der Entscheidung 7 Ob 260/07x; auch dort wurde ein Mietverhältnis angenommen.
10. Es ist zwischen den Parteien im Revisionsverfahren - durchaus zutreffend (vgl 3 Ob 253/05k) - nicht strittig, dass bei Annahme eines Mietverhältnisses die Aufkündigung der Klägerin mangels Geltendmachung von Kündigungsgründen nach § 30 MRG zur Abweisung des Klagebegehrens führen muss. Dass die Parteien die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes ausgeschlossen haben, ändert angesichts dessen zwingenden Charakters daran nichts (vgl Würth in Rummel, ABGB³ Bd II/5 [2003] § 1 MRG Rz 1 mwN; ausdrücklich zu Bestandverträgen in Geschäftsräumlichkeiten ebenso Iro in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 1091 Rz 3 mwN).
11. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat jedoch keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für ihren Schriftsatz vom 9. 3. 2009, mit dem ein Vollmachtswechsel bekannt gegeben wurde; ein derartiger Umstand fällt in die Sphäre der davon betroffenen Partei (vgl ebenso OLG Wien 3 R 10/04v, zit bei Obermaier, Kostenhandbuch [2005] Rz 183/15). Dass in TP 1 des Rechtsanwaltstarifs „Widerruf oder Kündigung von Vollmachten" ausdrücklich vorgesehen sind, ändert daran nichts; Rechtsanwaltstarifgesetz und Rechtsanwaltstarif gelten nämlich sowohl für die Honorarverrechnung zwischen Rechtsanwalt und Mandant als auch für den Kostenersatzanspruch der Partei gegenüber dem Verfahrensgegner (Obermaier aaO Rz 41).
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