Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Teilurteil des Berufungsgerichts und das Urteil des Erstgerichts, soweit es nicht schon vom Berufungsgericht aufgehoben wurde, werden aufgehoben und es wird die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer eines Grundstücks in Hainburg an der Donau. Der Garten dieses Grundstücks war zu einem dahinterliegenden, dem öffentlichen Verkehr zugänglichen Parkplatz durch eine (10,7 m lange) Einfriedungsmauer aus Mischmauerwerk begrenzt, das hauptsächlich aus Findlingssteinen, durchmischt mit Ziegeln und Beton- und Mörtelresten, bestand. Sie war mit einer schrägen Betonplatte abgedeckt. Die Mauer war im Unfallszeitpunkt ca 80 Jahre alt und äußerst desolat, eine umfassende Sanierung wäre angestanden.
Am 12. 9. 2005 lenkte Dragan V*****, ein Angestellter der Erstbeklagten, einen bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Lkw. Er fuhr bei einem Wendemanöver mit dem Fahrzeug zurück und stieß mit dem Heck gegen die Mauer. Die Mauer wies im Mittel eine Höhe von etwa 1,5 m auf. Das Fahrzeug stieß auf einer Höhe von etwa 1,2 m über dem Boden gegen die Mauer und verschob das bereits lockere Mauerwerk in Richtung des Gartens der Kläger. Um einen Zusammensturz der Mauer zu verhindern, wäre es notwendig gewesen, diese abzupölzen. Die Kläger versuchten dies dadurch, dass sie von innen Bretter in die Gegenrichtung verkeilten. Diese Absicherung reichte jedoch nicht aus, sodass durch Witterungseinflüsse spätestens ab März 2006 ein (7 m langer) Teil der Mauer zur Gänze in sich zusammenstürzte. Die Kläger begehrten zunächst 7.100 EUR sA, nach Einschränkung um (von den Beklagten während des Verfahrens bezahlten) 1.566 EUR sA zuletzt 5.534 EUR sA und brachten im Wesentlichen vor, die etwa acht Meter lange Einfriedungsmauer sei aus Bruchsteinmauerwerk hergestellt worden und wirke daher sehr antik, was das besondere Flair ihres Grundstücks ausmache. Sie hätten Anspruch auf Wiederherstellung der Mauer mit dem Bruchsteinmauerwerk, sodass nach der Schadensbehebung derselbe Zustand wie vor dem Unfall gegeben sei. Ein Abzug „neu für alt" sei bei dieser Konstellation nicht vorzunehmen. Die Wiederherstellungskosten beliefen sich auf mindestens 7.000 EUR. Dazu kämen die den Klägern entstandenen Nebenspesen, Fahrtkosten und sonstigen Auslagen von mindestens 100 EUR. Da sie die Mauer gepölzt hätten, treffe sie keine Verletzung der Schadensminderungspflicht. Die Beklagten bestritten die Schadensverursachung durch einen Lkw der Erstbeklagten und brachten weiter vor, die geltend gemachten Wiederherstellungskosten seien bei weitem überhöht. Bei der gegenständlichen Mauer handle es sich um eine sehr alte Mauer in äußerst mangelhaftem Allgemeinzustand. Selbst wenn ein Lkw der Erstbeklagten gegen die Mauer gestoßen sein sollte, sei ein Umstürzen der Mauer keinesfalls auf diesen Anstoß, sondern vielmehr auf den schlechten Zustand dieses Bauwerks zurückzuführen. Da die Kläger die Wiederherstellung der Einfriedungsmauer begehrten, sei jedenfalls ein Abzug „neu für alt" vorzunehmen. Da von einer mittleren Nutzungsdauer einer derartigen Mauer von 80 Jahren ausgegangen werden müsse und deren Alter ca 60 Jahre betragen habe, könnten die Kläger selbst bei schuldhafter Beschädigung der Mauer durch eine der Erstbeklagten zurechenbare Person lediglich 25 % der Neuherstellungskosten fordern. Aus einem vom zweitbeklagten Haftpflichtversicherer eingeholten Sachverständigengutachten ergebe sich, dass Sanierungskosten von maximal 2.087,50 EUR angemessen seien. Da die Kläger die eingedrückte Mauer nicht gepölzt hätten, treffe sie eine Verletzung der Schadensminderungspflicht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über die eingangs wiedergegebenen noch folgende Feststellungen:
Die Kosten der Wiederherstellung des durch die Verschiebung der Mauerkrone bei dem Unfall beschädigten Teils der Mauer hätten 5.220 EUR betragen. Dadurch verlängert sich die Restnutzungsdauer dieses Teils der Mauer, sodass ein Abzug von 70 % gerechtfertigt ist. Derartige Mauern halten im Allgemeinen 80 bis 90 Jahre, unter allerbesten Umständen höchstens 100 Jahre.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Beklagten hafteten dem Grunde nach für den entstandenen Schaden. Die Wiedererrichtung der Mauer wäre jedoch gegenüber der eingestürzten Mauer wirtschaftlich etwas völlig anderes. Die Kläger seien daher nicht berechtigt, die Kosten dafür zu fordern. Weil die von den Klägern versuchte Pölzung nicht ausreichend gewesen sei und zum völligen Zusammenbruch der Mauer geführt habe, treffe die Kläger eine Verletzung der Schadensminderungspflicht, sodass ihnen der Ersatz der weiteren Verschlechterung des Zustands nicht zukomme. Den Klägern stehe daher lediglich der Ersatz der Kosten der Wiederherstellung der verschobenen Mauerkrone nach Abzug der Amortisationsquote zu, welchen Betrag die Beklagten bereits bezahlt hätten.
Das von den Klägern hinsichtlich der Abweisung von 4.542 EUR sA angerufene Berufungsgericht gab der Berufung teilweise Folge. Im Umfang von 100 EUR sowie der Kostenentscheidung hob es das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem diesbezüglich eine neuerliche Entscheidung auf. Im Übrigen gab es mit Teilurteil dem Klagebegehren im Betrag von 3.654 EUR samt 4 % Zinsen ab 15. 10. 2005 statt und wies das Mehrbegehren von 1.780 EUR samt 4 % Zinsen ab 15. 10. 2005 (einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils des erstgerichtlichen Urteils) ab.
Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, betreffend die Nebenspesen in Höhe von 100 EUR sei die Berufung berechtigt. Das Erstgericht habe diese Position in den Feststellungen übergangen und werde im fortgesetzten Verfahren solche treffen müssen. Im Übrigen begehrten die Berufungswerber ohnedies nur den vollen Ersatz der Kosten der Wiederherstellung des durch die Verschiebung der Mauerkrone beschädigten Teils der Mauer ohne Amortisationsabzug. Dieses Begehren sei gerechtfertigt, da die längere Lebensdauer des mittleren Teils der Mauer keinen Einfluss auf die Lebensdauer der gesamten Mauer habe. Hätten die rechts- und linksseitig sowie die unter dem durch den Anstoß verschobenen Teil liegenden, unbeschädigten Teile der Mauer ihre Höchstlebensdauer erreicht, müsse die gesamte Mauer erneuert werden, da man nicht um einen mittig situierten Teil herumbauen könne. Ein Abzug „neu für alt" stehe nur zu, wenn eine gebrauchte Sache zerstört werde und die neu hergestellte Sache eine längere Lebensdauer habe, als die zerstörte alte Sache Restlebensdauer gehabt hätte. Würden hingegen Teile einer Sache ohne Verkehrswert erneuert, die ohne Beschädigung vor dem natürlichen Zugrundegehen der Sache nicht hätten erneuert werden müssen, und erfahre die alte Sache in ihrer Gesamtheit dadurch keine Werterhöhung, so seien die gesamten Reparaturkosten zu ersetzen. Der Einwand der Berufungsgegner, dass eine Reparatur der Mauer auch ohne den Schadensfall durchgeführt werden hätte müssen und der Schaden deshalb in der Differenz zwischen dem durch den natürlichen Verfall verminderten Verkehrswert und dem durch das schädigende Ereignis weiter verminderten Verkehrswert liege, sei nicht zutreffend, weil diese Art der Schadensberechnung eine beschädigte Sache mit einem Verkehrswert voraussetze. Eine Gartenmauer für sich allein habe keinen Verkehrswert.
Erst über Antrag der Beklagten ließ das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision nachträglich zu. Im Hinblick auf die von den Beklagten in ihrem Abänderungsantrag geführte Argumentation, dass es auch einer Auseinandersetzung mit der Frage bedurft hätte, ob Untunlichkeit einer Reparatur vorliege, da die Reparatur des mittleren Teils der Mauer den Wert des gesamten Mauerwerks übersteige, seien die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zu bejahen. Gegen den klagsstattgebenden Teil des Teilurteils des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Kläger begehren in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.
Die Revisionswerber machen geltend, das Berufungsgericht sei von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung insofern abgewichen, als das Höchstgericht die vollen Reparaturkosten lediglich im Rahmen der Tunlichkeit zuerkenne. Zu dieser Frage hätte das Berufungsgericht Feststellungen treffen oder das Urteil des Erstgerichts aufheben müssen. Es fehle auch höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Tunlichkeit einer Reparatur einer geringwertigen, weil desolaten Einfriedungsmauer. Das Berufungsgericht übersehe, dass bei Erneuerung von Teilen einer Sache, die ohne Beschädigung vor dem Zugrundegehen ohnehin hätten erneuert werden müssen, die Erneuerung der Teile unter Tragung der Gesamtkosten durch den Schädiger auch dann zu einer Bereicherung des Geschädigten führte, wenn die Sache insgesamt keine Wertsteigerung erfahre.
Hiezu wurde erwogen:
Da die Beklagten in erster Instanz die nunmehr aufgeworfene Frage der Tunlichkeit nicht releviert haben, ist darauf nicht weiter einzugehen (RIS-Justiz RS0030394 [T1]).
Die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts gehen davon aus, die Kläger begehrten ohnehin nur den Ersatz der „Kosten der Wiederherstellung des durch die Verschiebung der Mauerkrone bei dem Unfall beschädigten Teils der Mauer".
In Zusammenhalt mit den Ausführungen des Sachverständigen, auf denen die erstgerichtlichen Feststellungen beruhen, wird jedoch klar, dass die festgestellten „Kosten der Wiederherstellung des durch die Verschiebung der Mauerkrone bei dem Unfall beschädigten Teils der Mauer" in Höhe von 5.220 EUR nicht diejenigen sind, die eine Reparatur der verschobenen Mauerkrone vor dem Zusammenstürzen der Mauer gekostet hätte, sondern die Kosten der Wiederherstellung der (Monate später) eingestürzten Mauer.
Davon ausgehend ist die Schadensberechnung des Berufungsgerichts aber verfehlt.
Entscheidungswesentlich, aber nicht festgestellt ist, wieviel die Reparatur der Mauer nach der Verschiebung der Mauerkrone durch den LKW, aber vor dem Zusammenstürzen der Mauer gekostet hätte. Wären die Kläger ihrer Schadensminderungspflicht nachgekommen und hätten sie daher die Mauer gleich nach dem Schadensfall reparieren lassen oder ausreichend gepölzt, wären nämlich (nur) diese Kosten angefallen. Die Urteile der Vorinstanzen weisen daher den aufgezeigten Feststellungsmangel auf, weshalb sie aufzuheben waren. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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