OGH 5Ob160/09d

OGH5Ob160/09d1.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin B*****straße ***** B*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Mohn, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Lore P*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 8 Abs 2, 37 Abs 1 Z 5 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Mai 2009, GZ 40 R 232/08a-44, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

Die Antragstellerin strebt die Errichtung einer Liftanlage an, welche sich als Erneuerung eines bisher bereits bis in den dritten Stock bestandenen Lifts darstellt, der nunmehr aber bis ins Dachgeschoß hinaufgeführt werden soll. Dieser Lift verbindet die Mietobjekte mit dem Eingang H*****straße, bei welchem Hauseingang sich der Müllraum, die Garage und Postkästen befinden. Der zweite - spätere errichtete und als Anschluss für eine der beiden Dachgeschoßwohnungen unerlässliche - Lift verbindet die Mietobjekte mit dem Eingang B*****straße. Die Bewohner des Dachgeschoßes müssen derzeit, um zum Eingang H*****straße zu gelangen, das Haus über den Eingang B*****straße verlassen und außen am Gehsteig bis zum anderen Hauseingang gehen.

Durch den geplanten Liftausbau müssten jene Fenster in der Wohnung der Antragsgegnerin, die unmittelbar an den Liftschacht angrenzen würden, nämlich das Vorzimmerfenster, das Badezimmerfenster zu etwa 2/3 und das WC-Fenster durch Glasbausteine verschlossen werden. Im Wintergarten wäre das Ersetzen von einem Fenster (230 x 207 cm) durch Glasbausteine notwendig. Im Bereich des Liftschachtes ist es nicht möglich, die Glasbausteine so herzustellen, dass diese geöffnet werden können. Im Badezimmer würde ein Lüftungsschlitz verbleiben. Die Fenster der Küche, des Kabinetts und der Speis sowie das zweite Fenster des Wintergartens würden nicht direkt an den Liftschacht angrenzen. Der Abstand des Liftschachts zum zweiten Fenster des Wintergartens würde etwa 80 cm betragen. Durch den Einbau von Glasbausteinen auf der gesamten Fensterfläche würde sich eine Verbesserung der Belichtungsverhältnisse gegenüber der Situation vor Abtragung des alten Lifts ergeben. Eine Belüftung ist nicht mehr möglich. Bei den übrigen Fenstern ergäbe sich durch den Lifteinbau keine Änderung der Belichtungs- und Belüftungssituation. Die Einschränkung der Belichtungssituation bei dem durch Glasbausteine ersetzten Fenster würde 43 % betragen.

Das Erstgericht hat mit seinem Sachbeschluss den - inhaltlich auf § 8 Abs 2 MRG gestützten - Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin als Hauptmieterin einer näher bezeichneten Wohnung zu verpflichten, die Errichtung eines Personenaufzugs gemäß dem Einreichplan zu dulden, abgewiesen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge und verpflichtete die Antragsgegnerin zur Duldung des von der Antragstellerin geplanten Bauvorhabens.

Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil (nur) die Zumutbarkeit einer Beeinträchtigung durch eine Baumaßnahme nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Antragsgegnerin macht in ihrem gegen den Sachbeschluss des Rekursgerichts erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage geltend:

1.1. Die Antragsgegnerin behauptet eine Aktenwidrigkeit des zweitinstanzlichen Sachbeschlusses mit der Begründung, das Rekursgericht habe seiner Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht - abweichend von den Feststellungen des Erstgerichts - die Annahme zugrunde gelegt, der zweite zum Erreichen der Mietobjekte des Hauses zur Verfügung stehende Lift befinde sich auf der Nachbarliegenschaft und stelle folglich keine rechtlich gesicherte Zugangsmöglichkeit dar.

1.2. Die von der Antragsgegnerin behauptete Aktenwidrigkeit liegt vor. Die Sachverhaltsannahme des Rekursgerichts, der zweite Lift befinde sich auf der Nachbarliegenschaft, ist durch die erstgerichtlichen Feststellungen nicht gedeckt. Diese Aktenwidrigkeit ist dadurch zu korrigieren, dass von den erstgerichtlichen Feststellungen, nämlich der Existenz eines zweiten Lifts auf der betreffenden Liegenschaft selbst auszugehen ist (RIS-Justiz RS0110055). Eine unvertretbare Entscheidungsfindung des Rekursgerichts folgt daraus aber - wie darzustellen sein wird - im Ergebnis nicht, weshalb der angesprochenen Aktenwidrigkeit keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0043367 [T1]).

2.1. Die Antragsgegnerin beanstandet, dass Erstgericht habe sich im Rahmen seiner Entscheidungsbegründung nur auf die Notwendigkeit der Lifterrichtung nach § 111 Wiener Bauordnung gestützt. Dabei habe das Rekursgericht nicht bedacht, dass diese Bestimmung zufolge § 68 Abs 5 Wiener Bauordnung nicht bei nachträglichen Aufzugein- bzw -zubauten anzuwenden sei, wenn andernfalls, wie es nach Ansicht der Antragsgegnerin hier in ihrer Mietwohnung der Fall sei, die Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse beeinträchtigt würden.

2.2. Der Antragsgegnerin ist einzuräumen, dass das Rekursgericht zwar eine Verpflichtung der Antragstellerin zur Errichtung der fraglichen Liftanlage nach § 111 Wiener Bauordnung angenommen, sich aber mit der Ausnahmebestimmung des § 68 Abs 5 Wiener Bauordnung nicht auseinander gesetzt hat. Dies ist aber deshalb nicht entscheidungswesentlich, weil auch beim Fehlen einer unmittelbaren gesetzlichen Verpflichtung zur Errichtung des von der Antragstellerin geplanten Lifts eine Duldungspflicht der Antragsgegnerin im Lichte des § 8 Abs 2 MRG bejaht werden kann.

3.1. Nach Ansicht der Antragsgegnerin treffe sie deshalb keine Duldungspflicht, weil die von der Antragstellerin angestrebte Lifterrichtung nicht notwendig im Sinn des § 8 Abs 2 Z 1 MRG sei. Sie selbst strebe für die von ihr gemietete Wohnung keinen Liftanschluss an und alle übrigen Mietobjekte seien ohnehin durch den zweiten Lift erschlossen. Die Errichtung von zwei Liftanlagen bediene daher nur Wünsche nach besonderer Bequemlichkeit (Erreichbarkeit beider Hauseingänge durch zwei Lifte), während die Antragsgegnerin in ihrer Wohnung erhebliche und deshalb unzumutbare Beeinträchtigungen hinsichtlich der Beleuchtungs- und Belüftungsverhältnisse erleide.

3.2. Die Antragsgegnerin gesteht selbst zu, dass das von der Antragstellerin angestrebte Bauvorhaben (Neuerrichtung und Ausbau des [alten] Personenaufzugs) eine Verbesserungsarbeit im Sinn des § 8 Abs 2 Z 1 MRG darstellt (vgl 5 Ob 26/89 = wobl 1989/41, 91 = ImmZ 1989, 253 = MietSlg 41.208; 5 Ob 151/02w = immolex 2003, 36 = wobl 2003/101, 210 = MietSlg 54.239 = MietSlg 54.395). Auch im Falle einer solchen Maßnahme gilt zwar das Schonungsprinzip (§ 8 Abs 3 MRG), sodass deren Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit (vgl 5 Ob 151/02w = immolex 2003, 36 = wobl 2003/101, 210 = MietSlg 54.239) und zwar in dem Sinn zu prüfen ist, dass nicht mehr als unbedingt nötig in die Rechte des Mieters eingegriffen wird (5 Ob 18/92 = wobl 1992/132, 200 = MietSlg 44/13); eine weitergehende Interessenabwägung (Zumutbarkeitsabwägung) findet jedoch nicht statt (RIS-Justiz RS0069474; RS0069319).

Die Zweckmäßigkeit der Neuerrichtung und des Ausbaus des alten Personenaufzugs konnte das Rekursgericht vertretbar bejahen, sind doch nur so die Bewohner des Dachgeschoßes in der Lage den Eingang H*****straße und somit Müllraum, Garage und Postkästen zu erreichen, ohne das Haus selbst verlassen zu müssen. Demgegenüber erscheinen die (zusätzlichen) Beeinträchtigungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der Beleuchtungs- und Belüftungsverhältnisse im Vergleich zur alten Liftanlage zwar nicht mehr ganz geringfügig, doch wird deren Bedürfnissen durch entsprechende Bauweise (Glasbausteine zur besseren Belichtung) so weit wie möglich Rechnung getragen.

Im Ergebnis bewegt sich damit die Entscheidung des Rekursgerichts im Rahmen des dabei eingeräumten Ermessens. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 37 Abs 3 MRG) unzulässig und zurückzuweisen.

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