OGH 15Os5/09p

OGH15Os5/09p19.8.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krajina als Schriftführerin in der Medienrechtssache der Antragstellerin Katharina B***** gegen die Antragsgegnerin „Ö*****" ***** GmbH wegen § 7 MedienG, AZ 93 Hv 28/08f des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

In der Medienrechtssache der Antragstellerin Katharina B***** gegen die Antragsgegnerin „Ö*****" ***** GmbH als Medieninhaberin wurde die Antragsgegnerin mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9. Mai 2008, GZ 93 Hv 28/08f-10, nach § 7 Abs 1 MedienG zu einer Entschädigungszahlung verurteilt, weil in einem Bericht in der Zeitschrift M***** vom 16. Februar 2008 unter dem Titel „Zerplatzter Traum von ewiger Liebe" behauptet wurde, das Verhalten der Antragstellerin wäre ausschlaggebend für die von ihrem Mann initiierte Trennung gewesen; sie wäre ein Kontrollfreak, hätte ihren Ehemann domestizieren wollen, damit er nach ihrer Pfeife tanze, in seinen privaten Unterlagen gestöbert und sein Handy durchsucht und sich gleichsam pathologisch aufgeführt, wodurch der höchstpersönliche Lebensbereich der Antragstellerin in einer Weise erörtert und dargestellt worden sei, die geeignet war, sie in der Öffentlichkeit bloßzustellen.

Nach den erstinstanzlichen Feststellungen entnehme der Leser dieser Veröffentlichung, dass sich das Ehepaar Katharina B***** und Tom W***** am 12. März 2008 vor dem Bezirksgericht Josefstadt scheiden lassen werde, wobei die Initiative hiezu von W***** ausgegangen sei; dies deshalb, weil die Antragstellerin sich fortgesetzt schier unerträglich betragen habe. Das Scheitern der Ehe sei auf ihren herrsch- und rachsüchtigen Charakter sowie ihr krankhaft eifersüchtiges und kontrollbesessenes Verhalten zurückzuführen. Der Leser erfahre, dass B***** nicht davor zurückgeschreckt habe, in die Geheimnissphäre ihres Mannes einzudringen, und dessen private Post, Unterlagen und sein Handy durchsucht habe.

Vor Erscheinen dieses Artikels ist bereits in derselben Druckschrift, aber auch in anderen Medien, über das Familienglück der Antragstellerin geschrieben worden. Am 13. Dezember 2007 ist in der zur Zeitung „Ö*****" gehörenden Farbbeilage „Life & Style" unter dem Titel „Ende der Blitzehe" ein Interview mit der Antragstellerin erschienen, in welchem sie über die Befindlichkeit ihrer Ehe gesprochen und ausgeführt hat, dass sie die Scheidung eingereicht habe, weil es eben passiere, „dass Menschen unterschiedliche Werte haben", und sie ihrem Mann keine Träne nachweine. Die Frage zum genauen Trennungsgrund beantwortete sie ausweichend, eine konkrete Ursache nannte sie nicht.

Nach der Veröffentlichung des inkriminierten Interviews sind in den Ausgaben der K***** vom 30. März 2008 und vom 20. April 2008 mit Fotos der Antragstellerin und ihres Kindes versehene Werbeeinschaltungen publiziert worden, in denen die Antragstellerin als Werbeträgerin für gesunde Ernährung auftritt.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass durch die inkriminierte Berichterstattung der höchstpersönliche Lebensbereich der Antragstellerin in einer Weise erörtert worden sei, die geeignet sei, sie in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Die Ausschlussgründe des § 7 Abs 2 Z 2 und 3 MedienG lägen nicht vor, weil einerseits das Charakter- und Lebensbild der Antragstellerin und ihr Verhalten in der Ehe nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben stünden und zum anderen eine Zustimmung der Antragstellerin zu dem inkriminierten Artikel aus den konkreten Umständen nicht habe angenommen werden dürfen.

Mit Urteil vom 20. Oktober 2008, AZ 18 Bs 330/08y (ON 17 der Hv-Akten), gab das Oberlandesgericht Wien der Berufung der Antragsgegnerin nicht Folge.

Mit der Behauptung einer Verletzung im Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 Abs 1 MRK beantragt die Antragsgegnerin nun die Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO (RIS-Justiz RS0122228).

Unter nahezu wortidenter Wiederholung ihres Berufungsvorbringens verweist sie darauf, dass die Antragstellerin in den Medien, ua in der Druckschrift M*****, zu den Themen Mutterschaft, Erziehungsideale und Aufgabenverteilung zwischen ihr und ihrem Ehemann ebenso Stellung genommen habe wie zu ihren Eheproblemen und sie zudem gemeinsam mit ihrem Kind Werbung als „junge Mutti" mache. Da sie ihr Privat- und Familienleben dadurch in den persönlichen Vermarktungsprozess einbezogen habe, sei die inkriminierte Berichterstattung - nicht zuletzt mangels Bloßstellungseignung - nicht tatbestandsmäßig nach § 7 Abs 1 MedienG.

Selbst unter der Prämisse einer tatsächlich stattgefundenen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der Antragstellerin scheide eine Haftung der Antragsgegnerin aber aus, weil fallbezogen der Ausschlussgrund des § 7 Abs 2 Z 3 MedienG zum Tragen käme, wonach den Umständen nach angenommen werden dürfe, dass die Betroffene mit der Veröffentlichung einverstanden sei.

Rechtliche Beurteilung

Dem Erneuerungsantrag kommt - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - keine Berechtigung zu.

Wird in einem Medium der höchstpersönliche Lebensbereich eines Menschen in einer Weise erörtert oder dargestellt, die geeignet ist, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen, so hat der Betroffene nach § 7 Abs 1 MedienG gegen den Medieninhaber einen Anspruch auf Entschädigung.

Diese Bestimmung schützt nicht das gesamte private Leben eines Menschen, der höchstpersönliche Lebensbereich umfasst vielmehr nur solche Angelegenheiten, deren Kenntnisnahme durch Außenstehende die persönliche Integrität im besonderen Maß berührt. Dazu gehören vor allem das Leben in der Familie, die Gesundheitssphäre und das Sexualleben, aber auch Kontakte mit engsten Vertrauten (Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG² § 7 Rz 6 f und 9). Voraussetzung für einen Anspruch nach § 7 Abs 1 MedienG ist weiters, dass die Erörterung oder Darstellung des höchstpersönlichen Lebensbereichs in einer Weise erfolgt, die geeignet ist, den Betroffenen in der Öffentlichkeit bloßzustellen.

Entscheidend ist dabei, inwieweit durch die Preisgabe höchstpersönlicher Umstände und Tatsachen die Möglichkeit des Einzelnen, über das der Umwelt eröffnete Persönlichkeitsbild selbst zu bestimmen, beschnitten wird. Dabei spielt auch das Erscheinungsbild und der Ton einer Publikation eine Rolle: Während bei Angelegenheiten der intimsten Sphäre jede Informationsteilhabe durch Außenstehende eine Verletzung der persönlichen Integrität bedeutet, somit die mediale Indiskretion als solche bloßstellend wirkt, ist in den übrigen Fällen bei der Prüfung der Bloßstellungseignung nach Art eines beweglichen Systems der betroffene private Bereich stets im Verhältnis zur Darstellung zu beurteilen (vgl 11 Os 144/07x, 15 Os 175/08m).

Die konkrete Gestaltung der Beziehung von Ehegatten zueinander ist ebenso wie deren - mitunter konfliktbeladene - Kommunikation im häuslichen Bereich dem engsten Kernbereich der Privatssphäre zuzuordnen (vgl MR 1999, 68). Die mediale Verbreitung von diesbezüglichen Informationen ist daher in jedem Fall bloßstellend. Wird durch solche Mitteilungen darüber hinaus ein Charakterbild gezeichnet, dem die Gesellschaft mit Geringschätzung und Abwertung begegnet, wird die Bloßstellungseignung noch verstärkt. Den Umstand, dass der Betroffene in diesem oder einem anderen Zusammenhang sein Privat- und Familienleben bereits medienwirksam an die Öffentlichkeit getragen und werbewirksam eingesetzt hat, kommt im Hinblick auf den Ausschlussgrund nach § 7 Abs 2 Z 3 MedienG, der dem Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 Abs 1 MRK auf einfach gesetzlicher Stufe Geltung verschafft, entscheidende Bedeutung zu. Nach dieser Gesetzesstelle besteht ein Anspruch nach § 7 Abs 1 MedienG nicht, wenn nach den Umständen angenommen werden konnte, dass der Betroffene mit der Veröffentlichung einverstanden war. Dadurch werden die Anforderungen an eine wirksame Zustimmung herabgesetzt: Eine solche muss weder ausdrücklich noch konkludent gegeben werden; es genügt, wenn sie etwa aus dem früheren Umgang des Betroffenen mit den Medien ableitbar ist. Die Vermutung der Zustimmung muss allerdings immer auf den konkreten Anlass bezogen werden und darf nicht fingiert werden. Auch Personen, die die Öffentlichkeit suchen und eine publicityträchtige Berichterstattung bisher gerne in Kauf genommen, wenn nicht angestrebt haben, haben nicht ein für allemal und in jeder Hinsicht auf ein schutzwürdiges Privatleben verzichtet (vgl Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG² § 7 Rz 29, 30).

Hinsichtlich jener privaten Details, die der Betroffene selbst öffentlich gemacht hat - hinsichtlich derer er sich also „geoutet" hat - kann sich das belangte Medium aber stets mit Fug und Recht auf den angesprochenen Ausschlussgrund berufen (vgl 4 Ob 150/08z, Berka aaO Rz 29).

Bei Personen, die regelmäßig mit aufsehenerregenden Enthüllungen aus ihrem Privatleben oder sogenannten Skandalgeschichten an die Öffentlichkeit treten, um (auch) dadurch ihren Bekanntheitsgrad und „Marktwert" zu steigern, liegt die Annahme eines Einverständnisses des Betroffenen zu gleichartigen Veröffentlichungen im Allgemeinen näher als bei Personen, die sich bisher in den Medien zurückhaltend präsentiert haben.

Im vorliegenden Fall folgt daraus, dass - wie von der Einzelrichterin und dem Berufungsgericht ausführlich und zutreffend dargestellt - die detaillierte Berichterstattung über das angeblich von einem herrsch- und rachsüchtigen Charakter bestimmte, krankhaft eifersüchtige und kontrollbesessene Verhalten der Antragstellerin ihrem Ehemann gegenüber, das zur Scheidung führe, dem Kernbereich des höchstpersönlichen Lebensbereiches zuzuordnen ist, wodurch die erforderliche Eignung zur Bloßstellung in mehrfacher Hinsicht gegeben ist.

Der sich daraus ergebenden Haftung der Antragsgegnerin nach § 7 Abs 1 MedienG steht im gegenständlichen Fall kein Ausschlussgrund entgegen. Weder aus der früheren Veröffentlichung einer den Alltag einer durchschnittlichen Jungfamilie schildernden „Homestory" noch aus einem späteren Interview mit der Antragstellerin, in dem diese einräumt, dass aufgrund unterschiedlicher Wertvorstellungen ihrerseits und seitens ihres Ehemannes die Scheidung bevorstünde, konnte angenommen werden, dass diese mit der gegenständlichen (thematisch über das zuvor Abgehandelte weit hinausgehenden) Berichterstattung über die Art und Weise des zwischenmenschlichen Verhaltens der Ehepartner zueinander im Verlauf ihrer Ehe einverstanden gewesen wäre. Dass die Antragstellerin unter Einbeziehung ihres Babys als Werbeträgerin fungierte, tut im gegenständlichen Fall nichts zur Sache. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin als „Star" aufgetreten wäre und durch vergleichbare Skandalgeschichten und Enthüllungen ihren Bekanntheitsgrad gesteigert hätte, hat das gegenständliche Verfahren nicht geboten. Weil demnach die Einschränkung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung zum Schutz des guten Rufs und des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art 10 Abs 2 MRK iVm § 7 Abs 1 MedienG gesetzlich vorgesehen und im konkreten Fall auch erforderlich war, war der Erneuerungsantrag der Ö***** GmbH - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Äußerung der Antragsgegnerin - als offenbar unbegründet in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

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