OGH 9Ob33/08f

OGH9Ob33/08f4.8.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Verein *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** Verband, *****, vertreten durch Dr. Klaus Maleschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 300 EUR sA und Feststellung (Streitwert 15.000 EUR) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2007, GZ 14 R 158/07v-17, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 1. Juni 2007, 19 Cg 134/06z-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der beklagte Verband stellt einen Verein mit dem Zweck der Pflege und Verbreitung des Rollsports dar. Ordentliche Mitglieder sind Vereine (wie es auf den Kläger zutrifft), außerordentliche Mitglieder sind Landesverbände und natürliche Personen. Der Beklagte veranstaltete im August 2005 einen Rollschnelllauf/Straße (Halbmarathon) zur Vergabe österreichischer Meistertitel. In der offiziellen Ausschreibung dieser Meisterschaft wurde irrtümlich vergessen, die Altersklasse „Jugend" (männlich und weiblich) zu erwähnen. Der Kläger entsandte keine TeilnehmerInnen dieser Altersklasse zu den Meisterschaften. Dennoch wurde auch in dieser Klasse gelaufen und österreichische Meistertitel, nämlich die Plätze eins, zwei und drei vergeben.

Der Kläger begehrte - neben einer bereits rechtskräftig erledigten Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung - die Feststellung, dass die vom Beklagten abgehaltene österreichische Meisterschaft im Rollschnelllauf/Straße Halbmarathon 2005 in der Klasse „Jugend" (männlich und weiblich) nicht als österreichische Meisterschaft gelte und die im Rahmen dieses Bewerbs verliehenen Titel (1., 2. und 3. Platz) nicht als österreichische Meistertitel gelten. Es sei seit langer Zeit ständige Übung des Beklagten, dass nur solche Meisterschaften stattfänden und als solche bezeichnet würden, zu denen auch eingeladen worden sei, was schon aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber allen Vereinsmitgliedern folge. Zur Begründung seines rechtlichen Interesses verwies der Kläger darauf, einem Verein, der bei Meisterschaften Erfolge erziele, würden mehr Mitglieder zulaufen und mehr Subventionen und private Spenden zuteil werden, als einem erfolglosen Verein. Daraus resultiere das offensichtliche Interesse daran, mit allen Altersklassen zu einer Meisterschaft eingeladen zu werden, sowie daran, dass der Beklagte in seiner Eigenschaft als österreichischer Fachverband nicht Meisterschaften als „österreichische" bezeichne, die diesen Titel nicht verdienten.

Der Beklagte bestritt und wendete ua ein, dem Kläger fehle es am rechtlichen Interesse an der Annullierung der Meisterschaft, weil er damals über keine Mitglieder verfügt habe, die daran überhaupt hätten teilnehmen wollen. Auch mangle es ihm an der Aktivlegitimation, weil an einer österreichischen Meisterschaft nur Einzelpersonen teilnehmen könnten und daher auch nur solche startberechtigt seien.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 250 EUR (Rückersatz der einbezahlten Gebühr zwecks Entscheidung durch das Sportgericht über einen Einspruch des Klägers aus dem Titel Schadenersatz wegen Unterlassung dieser Entscheidung) und wies das Mehrbegehren von 50 EUR (rechtskräftig) ab. Darüber hinaus gab es dem Feststellungsbegehren nicht Folge. Die Unterlassung der Erwähnung der Altersklasse „Jugend" in der Ausschreibung sei dem Beklagten als sorgfaltswidrige Verletzung seiner Aufklärungspflicht zuzurechnen. Es fehle am rechtlichen Interesse für ein Feststellungsbegehren, weil der Kläger behaupte, es sei ihm bereits ein Vermögensschaden entstanden (entgangene Subventionen und private Spenden), womit er aber eine Leistungsklage erheben könne; die behaupteten ideellen Schäden seien nicht ersatzfähig.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger nur gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens erhobenen Berufung nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteigend und ließ - nach Abänderungsantrag des Klägers - die ordentliche Revision zu. Das Erstgericht habe den Gegenstand des Feststellungsbegehrens missverstanden, weil das festzustellende Rechtsverhältnis die Anerkennung der durchgeführten Wettbewerbe als österreichische Meisterschaften und der vergebenen Platzierungen als österreichische Meistertitel bilde. Ungeachtet dessen leide die Klage an einer unheilbaren Unschlüssigkeit. Es sei unstrittig, dass TeilnehmerInnen der Klasse „Jugend" österreichische Meistertitel, nämlich erste, zweite und dritte Plätze verliehen worden seien. Die vorliegende Klage laufe darauf hinaus, diesen erfolgreichen TeilnehmerInnen ihre Meistertitel rückwirkend abzuerkennen. Die Feststellung von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die im Verhältnis zu nicht am Verfahren beteiligten Dritten bestehen, sei nicht generell ausgeschlossen, sofern das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis die Rechtssphäre des Klägers oder des Beklagten unmittelbar, im Sinne eines spezifischen eigenen Interesses, berühre. Ein im Sinn des Klagebegehrens ergehendes Urteil könnte aber über die am vorliegenden Prozess beteiligten Parteien hinaus keinerlei Bindungswirkung für die übrigen Rennteilnehmer, insbesondere nicht für die erst-, zweit- und drittplatzierten TeilnehmerInnen und deren Vereine erzeugen. Daraus könnte sich die unhaltbare Situation ergeben, dass die durchgeführten Wettbewerbe zwar im Verhältnis zwischen den Streitteilen nicht als österreichische Meisterschaft gelten wohl aber im Verhältnis der Prozessparteien zu den übrigen Vereinen, die dem Beklagten angehören, und deren Mitgliedern. Unter diesen Umständen sei eine notwendige Streitgenossenschaft aller beteiligten Vereine und WettkampfteilnehmerInnen nach § 14 ZPO anzunehmen, die die Einbindung sämtlicher Rechtsgenossen in das Verfahren erfordere. Die Revision erklärte das Berufungsgericht schließlich für zulässig, weil die Frage der Passivlegitimation bei einer Klage eines einem Sportverband angehörenden Vereins auf Annulierung der abgehaltenen Meisterschaft vom Obersten Gerichtshof noch nicht beantwortet worden sei.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Klagsstattgebung, hilfsweise Aufhebung.

Dem tritt der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung entgegen, ohne die Unzulässigkeit der Revision geltend zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - ungeachtet des gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts - nicht zulässig, weil sie keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag.

1. Der Kläger kritisiert in der Revision das Verständnis des Feststellungsbegehrens durch das Berufungsgericht nicht. Er wendet sich aber ausdrücklich gegen dessen Rechtsansicht, zwischen allen „beteiligten Vereinen und WettkampfteilnehmerInnen" sei eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinn des § 14 ZPO anzunehmen.

2. Einheitliche Streitpartei ist eine Streitgenossenschaft nach § 14 ZPO dann, wenn sich die Urteilswirkungen kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses („anspruchsgebunden") oder kraft gesetzlicher Vorschrift („wirkungsgebunden") auf sämtliche Streitgenossen erstrecken. Die einheitliche Streitpartei ist nicht immer eine notwendige Streitgenossenschaft, sondern dann, wenn kraft Gesetzes die Klage nur von oder gegen alle Rechtsgenossen gemeinsam angebracht werden kann (wie zB nach § 110 KO). Sonst schafft die prozessrechtliche Regelung keinen Zwang zur Klage von oder gegen alle Berechtigten gemeinsam, sodass - mit Ausnahme der Fälle, in denen die einheitliche Streitpartei kraft Gesetzes besteht - nur die materiellrechtliche Beurteilung des Streitgegenstands als Kriterium bleibt (Schubert in Fasching/Konecny² § 14 ZPO Rz 1). In diesem Sinn liegt nach ständiger Rechtsprechung eine notwendige Streitgenossenschaft im Zweifel nur vor und führt zur Klagsabweisung, wenn wegen Nichterfassung aller Teilhaber die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen entsteht, was nach den Umständen des besonderen Einzelfalls zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0035479, RS0035496 [T7]). Schon daraus ergibt sich, dass dabei grundsätzlich eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten ist.

3. Von den dargestellten Grundsätzen, die auch auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar sind, ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Der Kläger gesteht in der Revision die Möglichkeit zu (Punkt 4.3.2), dass - gemeint: nach einem Erfolg des vorliegenden Feststellungsbegehrens - „ein anderer Verein oder Sportler den beklagten Verband nochmals auf Feststellung klagt, um die Tabelle erneut zu korrigieren", um also die Aberkennung des österreichischen Meistertitels zu bekämpfen und zu revidieren.

Damit anerkennt er nicht nur das rechtliche Interesse der Genannten an einer solchen Feststellungsklage, sondern bestätigt auch die weitere Rechtsansicht des Berufungsgerichts, ein im Sinn des Klagebegehrens ergehendes Urteil könnte über die am vorliegenden Prozess beteiligten Parteien hinaus keinerlei Bindungswirkung für die übrigen Rennteilnehmer, insbesondere nicht für die erst-, zweit- und drittplatzierten TeilnehmerInnen und deren Vereine erzeugen. Dann besteht aber die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen, wenn nämlich beide Feststellungsklagen erfolgreich sein sollten. In diesem Fall würde aber ein und dasselbe Rennen für die Mitglieder des Beklagten unterschiedlich qualifiziert werden, und zwar sowohl als österreichische Meisterschaft (für die/den Verein/e der erfolgreichen TeilnehmerInnen) als auch nicht als solche (für den Kläger).

Wenn das Berufungsgericht unter diesen besonderen Umständen des Einzelfalls eine notwendigen Streitgenossenschaft der Streitteile (jedenfalls) mit den drei erstplatzierten TeilnehmerInnen und deren Verein/en annahm, so kann darin keine unvertretbare und daher korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erblickt werden.

4. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

5. Da der Beklagte die Unzulässigkeit der Revision in der Revisionsbeantwortung nicht geltend machte, hat er deren Kosten selbst zu tragen (§ 40 ZPO; RIS-Justiz RS0035979).

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