Spruch:
Die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache vom Bezirksgericht Feldbach an das Bezirksgericht Neunkirchen wird genehmigt.
Text
Begründung
Im Alter von 2 ½ Jahren war der Minderjährige seiner Mutter abgenommen und bei der mütterlichen Großmutter untergebracht worden. Diese wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Graz vom 17. Jänner 1998 mit der Obsorge für den Minderjährigen betraut. Mit Beschluss vom 7. Jänner 2008 wurde ihr die Obsorge entzogen und auf die Bezirkshauptmannschaft Feldbach als Vertreter des Jugendwohlfahrtsträgers Land Steiermark übertragen. Nunmehr lebt der Minderjährige in einer Wohngemeinschaft im Sprengel des Bezirksgerichts Neunkirchen. Nach dem Gutachten der Sachverständigen wird die Unterbringung in der Wohngemeinschaft bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs empfohlen.
Mit Beschluss vom 2. Dezember 2008, GZ 4 Ps 393/06d-63 übertrug das Bezirksgericht Feldbach die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN an das Bezirksgericht Neunkirchen. Dieses lehnte mit Beschluss vom 5. Dezember 2008 (ON 65) die Übernahme der Zuständigkeit ab. Nach Erledigung eines offenen Besuchsrechtsantrags übertrug das Bezirksgericht Feldbach die Zuständigkeit neuerlich an das Bezirksgericht Neunkirchen (B v. 22. April 2009, ON 76). Dieses lehnte am 11. Mai 2009 (ON 77) die Übernahme der Zuständigkeit mit der Begründung ab, dass das Bezirksgericht Feldbach mit der Pflegschaftssache schon seit etwa 2 ½ Jahren betraut und persönlich mit den Verfahrensbeteiligten befasst gewesen sei. Zudem sei die Bezirkshauptmannschaft Feldbach gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen. Die vorherrschende Thematik im Pflegschaftsakt drehe sich um das Besuchsrecht, wobei das Besuchsrecht der Großmutter nicht nur in der Wohngemeinschaft „S*****", sondern in überwiegendem Ausmaß an deren Wohnort in der Steiermark stattfinden solle.
Das Bezirksgericht Feldbach legte die Akten gemäß § 111 Abs 2 JN zur Genehmigung der Übertragung dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Übertragung ist zu genehmigen.
Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Gericht im Interesse des Pflegebefohlenen seine Zuständigkeit übertragen. Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist die Übertragung nur dann wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit übernimmt oder im Fall der Weigerung des anderen Gerichts eine Genehmigung durch das den beiden Gerichten zunächst übergeordnete gemeinsame Gericht - hier durch den Obersten Gerichtshof - erfolgt.
Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache für Minderjährige ist immer das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047074). § 111 JN nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist. Nach ständiger Rechtsprechung wird der pflegschaftsgerichtliche Schutz daher am Besten durch jenes Gericht gewährleistet, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält (2 Nd 501/00; 7 Nc 5/05b; 9 Nc 14/08w uva). Dass in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25. Juni 2008, GZ 8 Nc 5/08i ausgesprochen wurde, eine Verlagerung des Lebensmittelpunkts eines Pflegebefohlenen rechtfertige für sich alleine im Allgemeinen noch keine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN, ist im Zusammenhalt mit den weiteren Ausführungen zu sehen, wonach die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht in aller Regel dann unzweckmäßig sei, wenn - beispielsweise infolge widerstreitender Obsorgeanträge der Eltern - noch gar nicht feststehe, ob das Kind im Sprengel des Gerichts bleiben werde, an das die Zuständigkeit übertragen werden solle. Im vorliegenden Fall wird jedoch die Unterbringung in der im Sprengel des Bezirksgerichts Neunkirchen liegenden Wohngemeinschaft bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres empfohlen. Dass das Besuchsrecht der mütterlichen Großmutter zum Teil auch an deren Wohnort in der Steiermark stattfinden soll, stellt keinen Umstand dar, der die Wahrung der Interessen des Pflegebefohlenen durch das Bezirksgericht Neunkirchen erschweren könnte. Es ist daher weder ein besonderer Vorteil aus der Sachbearbeitung durch das bisherige Pflegschaftsgericht zu erwarten, noch sprechen Gründe des Kindeswohls dafür, die Pflegschaftssache nicht an das Bezirksgericht dessen Aufenthaltsorts zu übertragen.
Die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Neunkirchen ist daher zu genehmigen.
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