OGH 1Ob116/09d

OGH1Ob116/09d6.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. Maria W*****, und 2. Johann W*****, beide *****, vertreten durch Dr. Gerd Tschernitz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1. Olga L*****, und 2. Ing. Jörg L*****, vertreten durch Mag. Christian Leyroutz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert 10.000 EUR), infolge der Rekurse aller Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 6. März 2009, GZ 1 R 380/08i-10, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Ferlach vom 13. Oktober 2008, GZ 1 C 388/08x-6, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Rekurs der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.

2. Dem Rekurs der klagenden Parteien wird Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt.

3. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit 4.297,96 EUR (darin 1.343,20 EUR Barauslagen und 492,46 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger erwarben mit Kaufvertrag vom 16. 9. 1997 eine nach dem Grundbuchstand unbelastete Liegenschaft. Nach Einverleibung ihres Eigentumsrechts erlangten sie Kenntnis davon, dass im Keller des auf der Liegenschaft befindlichen Hauses eine Wasserversorgungsanlage installiert ist, die auch die Liegenschaft der Beklagten mit Wasser versorgt. Dieser Umstand war für die Kläger als technische Laien anlässlich der Besichtigung der Liegenschaft vor dem Kauf nicht erkennbar gewesen, zumal sich auf der Liegenschaft auch ein Schwimmbad befindet, sodass der Schluss nahe lag, die vorhandenen Zu- und Ableitungen könnten der Versorgung des Schwimmbades dienen. Im Kaufvertrag war den Klägern die „lastenfreie Übergabe" des Kaufobjekts zugesagt worden. Die Verkäuferin hatte sie nicht darüber informiert, dass sie den Beklagten die Dienstbarkeit des Wasserbezugs über das im Haus installierte Wasserwerk eingeräumt hatte.

Die Kläger begehrten nun die Feststellung, dass die Beklagten nicht berechtigt seien, die Dienstbarkeit des Wasserbezugs über die Hausversorgungsanlage des Hauses der Kläger auszuüben, und dass ihnen kein Leitungsrecht über die Liegenschaft der Kläger zustehe. Die Kläger seien beim Erwerb der Liegenschaft weder über das Bestehen einer Berechtigung der Beklagten informiert worden, noch sei für sie die Wasserversorgung der Beklagten über die auf der Liegenschaft befindliche Wasserversorgungsanlage erkennbar gewesen. Nach Kenntnis dieses Umstands sei den Beklagten die Weiterbenützung nur präkaristisch eingeräumt worden; sie seien aufgefordert worden, sich so rasch wie möglich an das bestehende Wassernetz anzuschließen. Dies hätten die Beklagten jedoch abgelehnt. Die Kläger hätten gutgläubig lastenfreies Eigentum erworben und seien daher berechtigt, den Beklagten den Wasserbezug zu untersagen.

Die Beklagten wandten dagegen im Wesentlichen ein, aufgrund der Notwendigkeit, den Kauf rasch abzuwickeln, seien die Kläger versehentlich auf das Bestehen der Dienstbarkeit nicht hingewiesen worden. Die vorhandene Berechtigung sei ihrer Ansicht nach aber jedem Liegenschaftserwerber ohnehin erkennbar gewesen. Eine präkaristische Gestattung des Wasserbezugs durch die Kläger sei nicht erfolgt. Die Kläger hätten durch fast zehn Jahre an der gegebenen Situation nichts auszusetzen gehabt. Sie hätten daher eine für sie erkennbare offensichtliche Belastung mitübernommen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte unter anderem fest, dass es zwischen den Streitteilen keinerlei Vereinbarung über den Wasserbezug im Wege der Wasserversorgungsanlage der Kläger gegeben habe. Im Zuge des Kanalbaus in der Ortschaft vor etwa ein bis zwei Jahren seien die Beklagten von den Klägern aufgefordert worden, die Wasserversorgung abzuändern und eine eigene Wasserversorgung für ihr Haus zu installieren, was die Beklagten abgelehnt hätten. Mangels Erkennbarkeit der zugunsten der Beklagten auf der Liegenschaft bestehenden Wasserversorgungsanlage seien sie an die den Beklagten von der Verkäuferin eingeräumte Dienstbarkeit nicht gebunden.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Da die Beklagten den Beweis der Offenkundigkeit ihrer Berechtigung schuldig geblieben seien, sei der gute Glaube der Kläger beim Erwerb der Liegenschaft zu bejahen. Nach einer vom Schrifttum kritisierten Rechtsprechungslinie des Obersten Gerichtshofs komme der Schutz des § 1500 ABGB allerdings nur dann in Betracht, wenn der gutgläubige Erwerber sofort nach erhaltener Kenntnis der Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen und dem Grundbuchstand nötigenfalls mit Klage einschreitet, weil der gute Glaube sonst durch die Duldung der Ausübung nicht verbücherter Rechte verloren werde. Das von den Beklagten erstattete Vorbringen über die langjährige Nutzung der Wasserversorgungsanlage durch die Beklagten nach dem Erwerb der Liegenschaft durch die Kläger decke auch einen Sachverhalt, der der Bestimmung des § 863 ABGB zu unterstellen wäre, weil ein rechtsgeschäftlicher Wille nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklärt werden könne, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund übrig lassen, daran zu zweifeln. Entscheidend sei demnach, wie die Rechtsbeziehungen der Streitteile bezüglich der im Kaufobjekt installierten Wasserversorgungsanlage im Zeitraum nach dem bücherlichen Erwerb der Kläger bis zur Einbringung der vorliegenden Klage gestaltet gewesen seien. Hiezu bedürfe es ergänzender Tatsachenfeststellungen nach Ergänzung der beiderseitigen Prozessbehauptungen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse sämtlicher Streitteile. Der Rekurs der Beklagten erweist sich als unzulässig, weil darin keine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage erörtert wird. Der Rekurs der Kläger ist hingegen zulässig und berechtigt.

1. Zum Rekurs der Beklagten:

Unberechtigt ist der - fälschlicherweise unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit erhobene - Vorwurf, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, der Prozessbehauptung der Beklagten, die Dienstbarkeitsvereinbarung sei offensichtlich gewesen, fehle es an einem Tatsachensubstrat. Mit ihrer Rekursausführung, durch die Einvernahme einer beantragten Zeugin hätte die Offenkundigkeit der Servitut bewiesen werden können, gestehen die Rekurswerber vielmehr gerade zu, dass ihr erstinstanzliches Prozessvorbringen kein (ausreichendes) Tatsachensubstrat enthalten hat.

Der weitere Vorwurf, das Berufungsgericht hätte noch die „von den Revisionsrekurswerbern aufgezeigten Feststellungen" treffen müssen, ist schon deshalb unbeachtlich, weil es nach ständiger Rechtsprechung unzulässig ist, anstelle eigenständiger Rechtsmittelausführungen bloß auf andere Schriftsätze zu verweisen (RIS-Justiz RS0007029 ua). Welche zusätzlichen Feststellungen die Rekurswerber hier im Auge haben, legen sie jedoch nicht dar.

Was letztlich die vom Berufungsgericht angesprochene „Rechtsprechungslinie" des Obersten Gerichtshofs zu den Rechtsfolgen des nachträglichen Wegfalls des guten Glaubens betrifft, ist an dieser Stelle festzuhalten, dass darin schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegen kann, weil sich die Rekurswerber in diesem Zusammenhang ja gerade nicht mit der Ansicht des Rekursgerichts in Widerspruch setzen (Weiteres dazu unter 2.). Die Behauptung, die Kläger hätten Entgelt für den Strom zum Betrieb der Wasserversorgungsanlage (offenbar von den Beklagten) entgegengenommen, stellt eine unzulässige Neuerung dar.

2. Zum Rekurs der Kläger:

Zutreffend weisen die Kläger im Zusammenhang mit der bereits erwähnten „Rechtsprechungslinie" des Obersten Gerichtshofs darauf hin, dass das Höchstgericht die vom Berufungsgericht erwähnte Auffassung bereits seit längerer Zeit aufgegeben hat (mit Ausnahme von 9 Ob 26/00i stammt die letzte einschlägige Entscheidung in RIS-Justiz RS0034821 aus dem Jahr 1982). Seither (vgl insbesondere 7 Ob 160/02h sowie RIS-Justiz RS0012151 ua) wird im Anschluss an die überwiegende Auffassung in der Literatur vertreten, dass eine nicht verbücherte, nicht offenkundige Dienstbarkeit durch den gutgläubigen Erwerb des belasteten Grundstücks erlischt und nicht allein durch die Untätigkeit des Erwerbers wieder entsteht. Eine (allenfalls inhaltsgleiche) Dienstbarkeit kann nur neu begründet werden, sei es durch Ersitzung oder auch im Wege einer Vereinbarung, allenfalls auch durch konkludentes Verhalten (§ 863 ABGB).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vermag der erkennende Senat in den erstinstanzlichen Verfahrensbehauptungen der Beklagten eine Berufung auf eine im rechtsgeschäftlichen Weg unter Anwendung des § 863 ABGB neu begründete Dienstbarkeit nicht zu erblicken. Die Beklagten haben lediglich vorgebracht, die Kläger hätten fast zehn Jahre hindurch an der gegebenen Situation nichts auszusetzen gehabt und daher eine für sie erkennbare offensichtliche Belastung „mitübernommen". Damit wird aber keineswegs der (konkludente) Abschluss einer neuen Dienstbarkeitsvereinbarung einige Zeit nach Erwerb der Liegenschaft durch die Kläger geltend gemacht. Vielmehr vertreten die Beklagten erkennbar die Auffassung, die Kläger hätten schon beim Erwerb der Liegenschaft die - ihrer Ansicht nach leicht erkennbare - Belastung „mitübernommen", somit gerade keinen neuen Rechtsgrund geschaffen.

Da die Kläger also durch den auch noch im Zeitpunkt der Verbücherung bestehenden guten Glauben unbelastetes Eigentum erworben haben und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass später zugunsten der Beklagten eine Dienstbarkeit begründet worden wäre, ist die klagestattgebende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 und 46 Abs 2 ZPO. Für die Berufungsbeantwortung ist allerdings nur der dreifache Einheitssatz angefallen.

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