OGH 2Ob16/09f

OGH2Ob16/09f25.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Brandstetter, Pritz & Partner Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei P. D***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssocietät in Linz, wegen 18.532,62 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 28. Oktober 2008, GZ 4 R 59/08s-19, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 4. Februar 2008, GZ 28 Cg 24/07a-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 978,84 EUR (darin enthalten 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei führte bis zum 30. 4. 2006 die zu einem Krankenhaus gehörenden gastronomischen Betriebe. Im Zuge der Neuausschreibung durch den Krankenhausbetreiber hat die klagende Partei diese Betriebe zum Stichtag 1. 5. 2006 übernommen. Dies bewirkte den Übergang der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer dieser Betriebe auf die klagende Partei als Betriebsnachfolgerin. Die Streitteile haben diesbezüglich keine vertraglichen Vereinbarungen getroffen. Die von der klagenden Partei per 1. 5. 2006 übernommenen Arbeitnehmer hatten noch offene Urlaubsansprüche aus der Zeit vor dem Betriebsübergang. Für die bei der klagenden Partei konsumierten Urlaubstage stellte sie der beklagten Partei - neben nicht mehr strittigen Beträgen an Urlaubsersatzleistungen - den noch offenen Klagsbetrag von 18.532,62 EUR sA an Urlaubsentgelten inklusive USt in Rechnung. Die Nettobeträge entsprechen der Höhe nach der von den Streitteilen berechneten Abgeltung für den tatsächlich konsumierten Urlaub aus der Zeit vor dem Betriebsübergang.

Die klagende Partei stützt ihr Begehren darauf, dass sie als Betriebsnachfolgerin vor dem Betriebsübergang begründete Urlaubsansprüche der übernommenen Arbeitnehmer unter anderem durch tatsächliche Gewährung von Urlauben befriedigt habe. Die beklagte Partei hafte für alle vor dem Betriebsübergang begründeten Verpflichtungen aus den übernommenen Arbeitsverhältnissen im Hinblick auf § 6 Abs 1 AVRAG solidarisch. Forderungen aus tatsächlich gewährten Urlauben seien zwar von der vorhandenen Judikatur nicht ausdrücklich erfasst, deren Grundprinzipien sprächen aber auch für eine Ersatzpflicht in dieser Konstellation.

Die beklagte Partei wandte sich gegen eine ausdehnende Anwendung der Judikatur auf tatsächlich konsumierten Urlaub. Es handle sich dabei um keinen Geldanspruch des Arbeitnehmers, für den der Veräußerer und der Erwerber zur ungeteilten Hand hafteten, daher sei ein Regress nicht möglich. Der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch nicht in Anspruch genommene Urlaub könne nur vom jeweiligen Arbeitgeber gewährt werden und nicht mehr vom Veräußerer. Dieser werde wegen von ihm nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung gegenüber dem Arbeitnehmer von seiner Leistungspflicht zur Gänze befreit. Die Arbeitnehmerschutzbestimmung des § 6 AVRAG regle nicht das Verhältnis zwischen Erwerber und Veräußerer, dieses sei vielmehr nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Auch liege kein umsatzsteuerpflichtiger Leistungsaustausch vor, weshalb die Verrechnung der Umsatzsteuer zu Unrecht erfolgt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (rechtskräftig) mit 365,95 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Es schloss sich der Argumentation der beklagten Partei an.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung dahingehend ab, dass es die Nettobeträge des begehrten Urlaubsentgelts von 15.491,56 EUR sA zusprach und das Mehrbegehren abwies. Wenn der Betriebsübergang ohne Vereinbarung mit dem alten Betriebsinhaber erfolge, bestimme sich der Regress danach, welchen Nutzen der alte Betriebsinhaber als Arbeitgeber aus den Leistungen der Arbeitnehmer gezogen habe und welche Entgeltbestandteile diesem Nutzen abgelten sollten. Dies gelte nicht nur für Urlaubsersatzleistungen, wie der Oberste Gerichtshof in 5 Ob 114/03f ausgesprochen habe, sondern auch für erst beim Erwerber tatsächlich konsumierte Urlaube und dafür zustehendes Urlaubsentgelt. Auch der Naturalurlaubsanspruch finde im Urlaubsentgelt seinen geldwerten Ausdruck. Es sei daher nicht zu rechtfertigen, dass der Regress des Erwerbers für den vom übernommenen Arbeiter ohne Gegenleistung gewährten Urlaubsanspruch gegenüber dem Veräußerer davon abhängig sein solle, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber beendet wurde und der Arbeitnehmer eine Urlaubsersatzleistung in Geld erhalte. Die geltend gemachte Leistung unterliege aber nicht der Umsatzsteuer, weshalb nur der Nettobetrag zuzusprechen sei. Mangels Rechtsprechung zu dieser Frage sei die Revision zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei, die sich zusammengefasst weiterhin darauf stützt, dass das AVRAG keine taugliche Regressgrundlage sei und mangels Solidarverpflichtung auch § 896 ABGB nicht zum Tragen komme. Die Konsumation von Urlaub sei anders zu behandeln als die Erbringung von Urlaubsersatzleistungen, weil es sich dabei um einen Naturalanspruch handle und eine Umwandlung in einen Geldanspruch, selbst wenn der Urlaubsanspruch bereits ganz oder teilweise vor dem Betriebsübergang entstanden sei, nicht erfolge. Der Naturalanspruch könne aber nur vom jeweiligen Dienstgeber gewährt werden. Dem Veräußerer sei die Leistung unmöglich.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der in Umsetzung der Betriebsübergangs-RL, RL 77/187/EWG über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen, mit Wirkung zum 1. 7. 1993 in Österreich eingeführte § 3 AVRAG sieht vor, dass im Falle des Übergangs eines Unternehmens, Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber dieser als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt.

Relevant ist der Wechsel des Inhabers der wirtschaftlichen Einheit. Es muss zwischen dem „Veräußerer" und dem „Erwerber" der wirtschaftlichen Einheit aber keine rechtsgeschäftliche Beziehung bestehen, sondern genügt etwa die Fortführung des Betriebs im Zuge der Neuverpachtung (Gahleitner in Neumayr/Reissner, Zeller Komm zum Arbeitsrecht, § 3 AVRAG Rz 15 f). Wird in diesem Fall das Pachtobjekt kurzfristig an den Verpächter zurückgestellt, der den Betrieb aber nicht weiter führt, sondern geschieht dies erst durch den Neupächter, liegt kein Betriebsübergang auf den Verpächter vor, sondern ein direkter Betriebsübergang auf den neuen Pächter (Gahleitner aaO Rz 16; Schima, Betriebsübergang durch „Vertragsnachfolge", RdW 1996, 319 f; Krejci, Betriebsübergang, 63 f; Rummel in Tomandl, Der Betriebs(teil)übergang im Arbeitsrecht, 95; zur Umsetzung der Betriebsübergangsrichtlinie auch Rebhahn, Arbeitsrecht bei Betriebsübergang: Eintrittspflicht bei Insolvenz und Haftungsfragen, Teil I JBl 1999, 621; Binder, Die österreichische Betriebsübergangsregelung - eine geglückte Bedachtnahme auf die europarechtlichen Vorgaben?, RdA 1996, 1 f). Die Arbeitsverhältnisse gehen ex lege auf den neuen Inhaber über, der mit sämtlichen Rechten und Pflichten in die bestehenden Verträge eintritt. Diese Rechtsfolge tritt grundsätzlich unabhängig vom Willen der betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein (vgl aber § 3 Abs 2 und 4 AVRAG). Es kommt daher zu keiner Beendigung der Arbeitsverhältnisse, weshalb auch keine Beendigungsansprüche gebühren. Beim bisherigen Arbeitgeber zurückgelegte Dienstzeiten sind beim neuen Arbeitgeber anzurechnen, zB für den Erwerb der Abfertigung (Gahleitner aaO Rz 41 und 44).

Für Verpflichtungen aus einem Arbeitsverhältnis zum Veräußerer, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs begründet wurden, bestimmt § 6 Abs 1 AVRAG, sofern nicht andere gesetzliche Regelungen oder Gläubigerschutzbestimmungen für den Arbeitnehmer günstiger sind, die Haftung des Veräußerers und des Erwerbers zur ungeteilten Hand, wobei hinsichtlich der Haftung des Erwerbers gegebenenfalls § 1409 ABGB anzuwenden ist. Der mit BGBl I Nr 100/2002 neu gefasste Abs 2 dieser Bestimmung nennt ausdrücklich Pensionszusagen, Abfertigungsansprüche und Betriebspensionen, und begrenzt hinsichtlich solcher nach Betriebsübergang entstehender Forderungen die Veräußererhaftung auf fünf Jahre nach Betriebsübergang.

Haften nach § 6 AVRAG Veräußerer und Erwerber zur ungeteilten Hand, stellt sich die - nicht im AVRAG geregelte - Frage des Regresses zwischen ihnen nach Inanspruchnahme durch den Arbeitnehmer.

Im Gegensatz zu der in der Literatur vertretenen Ansicht, dass die Solidarhaftung nach § 6 AVRAG für im Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch nicht fällige Forderungen nur bei den in Abs 2 ausdrücklich genannten Fällen besteht (Binder, Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz, § 6 AVRAG Rz 29; Rummel aaO, 103 FN 39 Pkt 6; vgl auch Gahleitner aaO § 6 AVRAG Rz 11 mit Hinweis auf Schima, Umgründungen 195), judiziert der Oberste Gerichtshof seit 5 Ob 114/03f (RIS Justiz RS0118665; vgl zuletzt 9 Ob 79/08w), dass auch bei Ansprüchen auf Sonderzahlungen etc, die mit Zeitablauf aliquot erworben werden, der Veräußerer für die „Altschulden", die seinen Anteil darstellen, einzustehen habe. Es komme dabei nicht auf die Fälligkeit der Dienstnehmeransprüche an, sondern darauf, ob der Anspruch bzw das Anwartschaftsrecht schon sukzessive mit der Dienstleistung entstanden sei. Ebenso wie Abfertigungsansprüche entstünden zB auch solche auf Sonderzahlungen grundsätzlich sukzessive mit der Leistung. Es gebühre daher auch bei periodischen Remunerationen ein aliquoter Anteil dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor Fälligkeit des Anspruchs gelöst werde. Erfolge der Betriebsübergang ohne Vereinbarung mit dem alten Betriebsinhaber, sei es am sachgerechtesten, den Regress danach zu bestimmen, welchen Nutzen der alte Betriebsinhaber als Arbeitgeber aus den Leistungen des Arbeitnehmers gezogen habe und welche Entgeltbestandteile diesen Nutzen abgelten sollten. Der Grad dieses Nutzens sei vereinfachend mit dem Anteil an der Dienstdauer gleichzusetzen. Im Sinne der konsequenten Verfolgung des Grundsatzes, dass schlussendlich derjenige für Ansprüche der Dienstnehmer haften solle, dem die Arbeitsleistung zugutegekommen sei, sei auch bei der Urlaubsersatzleistung im internen Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber derjenige mit den Kosten zu belasten, bei dem der Urlaubsanspruch entstanden sei und infolge dessen auch der Regressanspruch auf Abgeltung entsprechend zu aliquotieren. Es sei nicht gerechtfertigt, den Erwerber endgültig für Zahlungen nach § 10 UrlG haften zu lassen, die nur dadurch entstanden seien, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub beim Veräußerer nicht in natura konsumieren habe können.

Diese Ansicht dient der Verhinderung wirtschaftlich nicht zu vertretender Beanspruchungen des Erwerbers in jenen Fällen, in denen keine direkte vertragliche Beziehung zum Veräußerer besteht. Ein Veräußerer könnte ansonsten bei Ablauf des Pachtvertrags seine ganze Belegschaft mit enormen Urlaubsrückständen und Gutstunden aus Überstundenleistungen an den neuen Pächter weiter reichen, und dieser müsste alle Ansprüche erfüllen, obwohl ihm die entsprechende Gegenleistung nicht zugutegekommen ist (vgl auch Gahleitner aaO § 6 AVRAG Rz 11) und er keine Möglichkeit hatte, dafür mit dem Veräußerer vertraglichen Ausgleich zu finden.

Keine Judikatur besteht für den hier zu beurteilenden Fall der tatsächlichen Konsumation des Urlaubs erst beim Erwerber:

Gemäß § 2 UrlG gebührt jedem Arbeitnehmer für jedes Arbeitsjahr ein ununterbrochener, bezahlter Urlaub in näher geregeltem Umfang. Ab dem zweiten Arbeitsjahr entsteht der gesamte Urlaubsanspruch mit Beginn des Arbeitsjahres. Unter Urlaub versteht man die Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht für eine bestimmte Zeit bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Er stellt einen Teil der Gegenleistung des Arbeitgebers dar, die dem Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung gebührt.

Der Urlaubsanspruch selbst ist grundsätzlich ein Naturalanspruch, er hat keinen Entgeltcharakter und verkörpert ein höchstpersönliches Recht. Er kann daher während des Arbeitsverhältnisses nicht in Geld abgegolten werden (Reissner in Neumayr/Reissner, Zeller Komm zum Arbeitsrecht § 2 UrlG Rz 1 f). Der Urlaub soll grundsätzlich im jeweiligen Urlaubsjahr, in dem er entstanden ist, verbraucht werden, es besteht aber die Möglichkeit seiner Übertragung auf das folgende oder nächstfolgende Urlaubsjahr, soweit er nicht verjährt ist (§ 4 UrlG).

Während des Urlaubs behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf das Entgelt gemäß § 6 UrlG. Er hat grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten, das er aus der Perspektive des Urlaubsbeginns verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte (Reissner aaO § 6 UrlG Rz 5 mwN). Der Urlaubsanspruch ist daher ein Doppelanspruch, er besteht aus zwei Komponenten, nämlich einerseits dem Anspruch auf Freistellung von der Arbeit und andererseits dem Entgeltfortzahlungsanspruch (M. Bydlinski in FS Bauer, Maier, Petrag, Haftet der Veräußerer für erst nach dem Betriebsübergang aktuell werdende Ansprüche auf Urlaubsersatzleistung?, 232).

Die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses anfallende Urlaubsersatzleistung ist dem Wesen nach eine Art bereicherungsrechtlicher Ausgleich dafür, dass der Arbeitgeber insoweit Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers in überproportionalen Ausmaß entgegengenommen hat, als er bei „regulärer" Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nur eine um die aliquote Anzahl der Urlaubstage verminderte Leistung erhalten hätte. Soweit nun diese „Bereicherung" dem Veräußerer zugutegekommen ist, ist es nach der dargestellten Judikatur sachgerecht, diesen - ungeachtet der Haftung des Erwerbers für alle Ansprüche aus dem auf ihn übergegangenen Arbeitsverhältnis - aus den gleichen Gründen zur Haftung heranzuziehen, die dem Gesetzgeber ausreichend erschienen, eine Haftung für beim Veräußerer erworbene Abfertigungs- und Pensionsanwartschaften bzw für die daraus resultierende - proportionale bzw zeitbezogene - Haftung für die später beim Erwerber entstehenden Vollansprüche des Arbeitnehmers vorzusehen (vgl auch M. Bydlinksi aaO 233).

Beendet dagegen der Erwerber das Arbeitsverhältnis nicht, sondern gewährt er während des fortgesetzten Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer den aus der Zeit vor dem Betriebsübergang resultierenden Urlaubsanspruch, stellt sich die Frage, ob er vom Veräußerer das an den Arbeitnehmer bezahlte Urlaubsentgelt für die auf den Veräußerer entfallenden Dienstzeiten im Regressweg zurückfordern kann, auch wenn dieser den Urlaubsanspruch naturaliter nicht mehr erfüllen konnte und musste.

Der BGH ist dieser Ansicht: Er hat in seiner Entscheidung III ZR 27/98 die in IX ZR 172/84 = NJW 1985, 2643 eingeschlagene Rechtsprechung zu § 613a BGB, wonach beim Betriebsübergang der bisherige Arbeitgeber dem neuen Arbeitgeber anteiligen Ausgleich in Geld für die vor dem Betriebsübergang entstandenen Ansprüche der Arbeitnehmer auf Urlaub schuldet, die der neue Arbeitgeber erfüllt, bestätigt. Der Umstand, dass der Veräußerer von seiner Verpflichtung frei werde, die er nicht mehr erfüllen könne, werde durch die Sonderregelung des § 613a BGB zum Betriebsübergang ausgeräumt. Diese den Übergang durch Rechtsgeschäft regelnde Bestimmung sieht die Solidarhaftung für Verpflichtungen, die vor dem Übergang entstanden sind, aber innerhalb eines Jahres danach fällig wurden, bzw die aliquote Haftung für danach fällig werdende Verpflichtungen vor.

Dagegen vernachlässigt nach Egermann, Betriebsübergang, Urlaub und Regress, ecolex 2005, 382 f, - wie auch die Rechtsmittelwerberin argumentiert - eine Bejahung des Regresses beim konsumierten Urlaub, dass das AVRAG zum Arbeitnehmerschutz geschaffen wurde und zivilrechtliche Grundsätze nicht geändert hat. Nach dem Betriebsübergang könne der Veräußerer den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers aber nicht mehr erfüllen. Er werde daher wegen nachträglicher, nicht zu vertretender Unmöglichkeit gegenüber dem Arbeitnehmer von seiner diesbezüglichen Leistungspflicht zur Gänze frei, woran § 6 AVRAG nichts ändere. Existiere keine Solidarhaftung von Veräußerer und Erwerber für diesen Urlaubsanspruch, könne auch kein Regressanspruch zwischen den beiden bestehen.

Wratzfeld, Betriebsübergang und Rückgriff auf den Vorpächter, ecolex 2004, 195 f, führt aus, dass bei konsequenter Fortentwicklung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Urlaubsersatzleistung auch bei den übrigen Ansprüchen, die während der Beschäftigungsdauer beim früheren Betriebsinhaber verdient wurden, ein neuer Betriebsinhaber von seinem Vorgänger Ersatz verlangen könne, wenn die übernommenen Arbeitnehmer den Urlaub verbrauchten. Es sei durch nichts gerechtfertigt, dem neuen Betriebsinhaber die Kosten des Verbrauchs des Urlaubsanspruchs endgültig aufzuerlegen, der nur dadurch entstanden sei, dass der Arbeitnehmer beim vorigen Betriebsinhaber seinen Urlaub nicht vor dem Betriebsübergang konsumieren habe können.

Auch nach Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (Kapitel 4b) 60/XX, hat die Judikatur, wonach Ersatzleistungen für nicht verbrauchten Urlaub entsprechend dem dienstzeitanteiligen Erwerb bzw Zuwachs des Urlaubs regresspflichtig sind, konsequenterweise auch für das Urlaubsentgelt von später konsumierten Urlauben (Urlaubsteilen) aus der Zeit vor dem Übergang zu gelten.

Auch wenn im Gegensatz zur nur auf Geld gerichteten Urlaubsersatzleistung der Urlaubsanspruch ein Naturalanspruch ist, den nur der jeweilige Arbeitgeber gewähren kann, gilt dies nicht für seine zweite Komponente, den Anspruch auf Urlaubsentgelt. Diese entgeltliche Komponente des Urlaubsanspruchs wird ebenso wie die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Geld gerichtete Urlaubsentschädigung sukzessive während des Arbeitsjahres aufgebaut. Im Hinblick auf diese entgeltliche Komponente des Urlaubsanspruchs ist kein wertungsmäßiger Unterschied zur Urlaubsentschädigung zu sehen. Auch hier ist daher - jedenfalls in Fällen, in denen wie hier eine vertragliche Vereinbarung zwischen früherem Betriebsinhaber und neuem Betriebsinhaber nicht erfolgen konnte - eine anteilige Regressmöglichkeit zu bejahen. Dabei ist davon auszugehen, welcher Nutzen dem jeweiligen Betriebsinhaber aus der tatsächlichen Verteilung von Arbeitsleistung und Urlaubsinanspruchnahme vor und nach Betriebsübergang im Vergleich zur Lage bei aliquotierter Verteilung entstanden ist. Es ist nicht einzusehen, warum ein Betriebsübernehmer, der keine Möglichkeit einer vertraglichen Berücksichtigung vorhandener Urlaubsansprüche aus Vorperioden hat, andernfalls in die Lage kommen sollte, Urlaubsansprüche - womöglich aus mehreren Perioden - entgeltmäßig abdecken zu müssen, obwohl ihm die entsprechende Arbeitsleistung der Periode nicht (oder zum Teil nicht) zugutegekommen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.

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