OGH 11Os89/09m (11Os90/09h)

OGH11Os89/09m (11Os90/09h)23.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juni 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofmann als Schriftführerin, in der Strafvollzugssache des Abdelai R***** wegen bedingter Entlassung aus der Freiheitsstrafe, AZ 25 BE 14/08p des Landesgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 28. April 2008, ON 9 und ON 13, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafvollzugssache AZ 25 BE 14/08p des Landesgerichts Innsbruck verletzen:

1./ der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 28. April 2008, ON 9, § 46 Abs 1 iVm § 48 Abs 1 StGB sowie § 50 Abs 1 StGB, 2./ der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 28. April 2008, ON 13, den sich aus dem 16. Hauptstück der StPO ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Die im erstgenannten Beschluss angeordnete Bewährungshilfe sowie der Beschluss zu 2./ werden jeweils ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Abdelai R***** wurde mit (gemäß § 152a Abs 3 StVG gekürzt ausgefertigtem) Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 28. April 2008, GZ 25 BE 14/08p-9, aus dem Vollzug der mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 8. April 2008, GZ 27 Hv 239/07v-32, verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten und des Strafrests aus der (zugleich mit dem Urteil widerrufenen) bedingten Entlassung des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 5. September 2007, AZ 37 BE 20/07g (in der Dauer von ebenfalls zwei Monaten), mit Wirkung vom 28. April 2008 - jedoch ohne Festsetzung einer Probezeit - bedingt entlassen (§ 46 Abs 1 und Abs 3 StGB). Zugleich wurde nach § 50 StGB Bewährungshilfe angeordnet.

Diese - infolge des allseitigen Rechtsmittelverzichts unmittelbar nach der Verkündung in Rechtskraft erwachsene - Entscheidung wurde (noch am selben Tag) mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 28. April 2008, GZ 25 BE 14/08p-13, insoweit „ergänzt", als der „irrtümlicherweise" unterbliebene Ausspruch über die Bestimmung einer Probezeit nachgeholt und diese mit drei Jahren bestimmt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die beiden Beschlüsse des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 28. April 2008, AZ 25 BE 14/08p ON 9 und ON 13, stehen - wie die Generalprokuratur (§ 23 Abs 2 StPO) zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe setzt gemäß § 46 Abs 1 StGB zwingend die gleichzeitige Bestimmung einer nach § 48 Abs 1 StGB zu bemessenden Probezeit voraus.

Nachdem die vom Vollzugsgericht verabsäumte Festsetzung einer Probezeit seitens der öffentlichen Anklägerin - die ebenso wie der Strafgefangene sofort nach Verkündung der Entscheidung einen Rechtsmittelverzicht abgab (S 29) - unbekämpft blieb, kommt der somit unmittelbar in Rechtskraft erwachsenen bedingten Entlassung ohne Bestimmung einer Probezeit die Wirkung einer endgültigen Entlassung zu (14 Os 66/04, SSt 2004/48; Jerabek in WK2 § 43 Rz 26, § 46 Rz 23). Da die Anordnung von Bewährungshilfe gemäß § 50 StGB zwingend eine bedingte Strafnachsicht oder Entlassung aus dem Vollzug einer Freiheitsstrafe voraussetzt, verletzt die Anordnung von Bewährungshilfe im Gegenstand überdies die genannte Norm. Der „Ergänzung" dieser bereits rechtskräftigen Entscheidung durch nachträgliche beschlussmäßige Festsetzung der Probezeit steht der sich aus dem 16. Hauptstück der StPO ergebende Grundsatz der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen entgegen (abermals SSt 2004/48; zur Sperrwirkung von Beschlüssen vgl Lewisch, WK-StPO Vor §§ 352-363 Rz 47 mwN).

Während die (zunächst) unterlassene Festsetzung einer Probezeit dem Strafgefangenen zum Vorteil gereichte, sodass es diesbezüglich mit der Feststellung der Gesetzesverletzung sein Bewenden haben muss, war die unter einem angeordnete Bewährungshilfe zur Klarstellung (RIS-Justiz RS0116270 [T2], RS0116267; Ratz, WK-StPO § 292 Rz 45 f) zu beseitigen, weil eine solche Anordnung höchstens bis zum Ende der Probezeit Geltung haben könnte (§ 50 Abs 3 erster Satz StGB; vgl Schroll in WK2 § 50 Rz 8), im Fall der - hier im Ergebnis vorliegenden - endgültigen Entlassung jedoch wirkungslos ist. In Ansehung des am selben Tag zum Nachteil des Verurteilten ergangenen Ergänzungsbeschlusses (ON 13) sah sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 292 letzter Satz StPO veranlasst, ihn ersatzlos zu kassieren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte