Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.872,82 EUR (darin 782,95 EUR USt und 175 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin schloss als Fruchtgenussberechtigte mit der Tochter der Beklagten am 28. 11. 2003 einen Mietvertrag über ein Gastronomielokal im Erdgeschoss sowie Räumlichkeiten im ersten, zweiten und dritten Kellergeschoss eines Hauses mit einer Nutzfläche von insgesamt etwa 500 m², befristet mit 30. 6. 2006. Am 1. 7. 2004 trat die Beklagte in den Mietvertrag ein, die Tochter schied aus. Bereits vor, aber auch nach dem 30. 6. 2006 gab es zwischen den Streitteilen Gespräche über die Weitervermietung des Bestandobjekts. Ein neuer Mietvertrag sollte jedenfalls andere Bedingungen enthalten als der bis zum 30. 6. 2006 geltende. Insbesondere sollte das gesamte Haus Gegenstand eines allfälligen Vertrags sein. Die Verhandlungen führten allerdings zu keinem Ergebnis, weshalb die Vermieterin rund ein halbes Jahr nach Auslaufen des Mietvertrags den Hausverwalter mit der „Klärung der Angelegenheit" betraute. Dieser erstellte, nachdem er mit der Tochter der Beklagten die Details eines neuen Mietvertrags - im Einverständnis mit der Beklagten - ausgehandelt hatte, einen Vertragsentwurf. Dennoch kam es am 7. April 2007 nicht zum Abschluss eines neuen Vertrags und wurden darauf folgende Gesprächsversuche der Beklagten von der Klägerin abgelehnt, die letztlich am 4. Juli 2007 die vorliegende Räumungsklage einbrachte. Diese stützte sich auf § 1115 ABGB, weil die Klägerin nicht bereit sei, das Bestandverhältnis mit der Beklagten fortzusetzen, sowie auf den Auflösungsgrund des wesentlich nachteiligen Gebrauchs des Bestandobjekts im Sinne des § 1118 ABGB, weil ihr die Beklagte den ungehinderten Zugang zu der im Obergeschoss befindlichen Wohnung verwehre.
Die Beklagte wendete insbesondere ein, dass auf das Mietverhältnis die Bestimmungen des MRG anzuwenden seien und dass mangels unverzüglicher Klagsführung das Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert worden sei. Schließlich sei im Mai 2007 der Bestandvertrag mündlich „auf zehn Jahre" verlängert und auf das gesamte Haus erweitert worden.
Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Es ging davon aus, dass das Bestandobjekt gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG nicht dem MRG unterliege. Von einem „Bewendenlassen" im Sinne des § 1114 ABGB könne im Hinblick auf die Vertragsverhandlungen schon vor Ablauf der Vertragsdauer nicht ausgegangen werden. Vielmehr habe ein neues Mietverhältnis zu anderen Bedingungen begründet werden sollen. Dies sei aber nicht erfolgt, weshalb seit 1. 7. 2006 kein Rechtsgrund für die Benützung des Bestandobjekts bestehe. Damit erübrige sich ein Eingehen auf den Kündigungsgrund nach § 1118 ABGB. Ein neuer (mündlicher) Vertrag sei nicht abgeschlossen worden.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klagsabweisung ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Ob das Bestandverhältnis dem MRG unterliege, könne dahingestellt bleiben, weil von einer stillschweigenden Verlängerung nach § 569 ZPO auszugehen sei, und zwar sowohl im Hinblick auf den Zeitraum zwischen der Einbringung der Räumungsklage und dem Auslaufen des Mietvertrags von mehr als einem Jahr als auch jenem von beinahe drei Monaten nach dem Scheitern der Vertragsverhandlungen. Es bleibe daher bei einer Verlängerung des Bestandverhältnisses gemäß den Vorschriften des § 29 Abs 3 MRG bzw § 1114 ABGB. Die Räumungsklage gehe zur Gänze davon aus, dass ein bereits beendetes Bestandverhältnis vorliege. Die bloße Erwähnung eines Aufhebungsgrundes nach § 1118 ABGB könne nicht zum Erfolg führen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Sowohl für dem MRG als auch für dem ABGB unterliegende Bestandverträge besteht die Möglichkeit einer stillschweigenden Erneuerung von Zeitmietverträgen.
In der im Beurteilungszeitraum maßgeblichen Fassung sah § 29 Abs 3 MRG eine Verlängerung des Bestandverhältnisses auf unbestimmte Zeit vor. Bestandverträge, die nicht dem MRG unterliegen, können dagegen zwar nach § 1114 ABGB stillschweigend erneuert werden, bei Miete mit monatlicher Zinszahlung aber nach der Judikatur zu § 1115 Satz 2 zweiter Halbsatz ABGB lediglich auf einen Monat (RIS-Justiz RS0020812; RS0020864; 1 Ob 629/93; 8 Ob 542/92). Der gegenteiligen Ansicht von Binder (in Schwimann³ § 1115 ABGB Rz 3 mwN), die allerdings auch nur zu einer halbjährigen und nicht zu einer unbefristeten Verlängerung führen würde, ist die Judikatur nicht gefolgt.
Nach § 569 ZPO sind Bestandverträge, welche durch den Ablauf der Zeit erlöschen, ohne dass es einer Aufkündigung bedarf, dadurch, dass der Bestandnehmer fortfährt, den Bestandgegenstand zu gebrauchen und oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabei bewenden lässt, dann als stillschweigend erneuert anzusehen, wenn binnen 14 Tagen nach Ablauf der Bestandzeit weder vom Bestandgeber eine Klage auf Zurückstellung, noch vom Bestandnehmer auf Zurücknahme des Bestandgegenstands erhoben wird. Nach § 1114 Satz 3 ABGB geschieht die stillschweigende Erneuerung - sofern im Bestandvertrag keine Aufkündigung bedungen worden ist - dadurch, dass der Bestandnehmer nach Ablauf der Bestandzeit fortfährt, den Bestandgegenstand zu gebrauchen oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabei bewenden lässt. Trotz des Begriffs „Erneuerung" handelt es sich um eine Verlängerung, also die Fortsetzung des alten Vertrags, wie sich aus § 1115 Satz 1 ABGB ergibt (Iby in Fasching/Konecny IV/12 § 569 ZPO Rz 2 ff).
Zur Widerlegung der Rechtsvermutung des § 569 ZPO bzw § 1114 Satz 3 ABGB genügt nach der Rechtsprechung jedenfalls jede im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Endtermin stehende eindeutige Ablehnung der Vertragsverlängerung (Iby aaO Rz 7; vgl Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 29 MRG Rz 55). Grundsätzlich kann auch ein anderer als der im § 569 ZPO beschriebene Vorgang, mit dem ein Vertragsteil seinen Willen, den Vertrag nicht ohne weiteres fortzusetzen, unzweifelhaft und rechtzeitig vor Eintritt der Verlängerung zum Ausdruck bringt, die stillschweigende Vertragsverlängerung ausschließen. So hindert nach der Judikatur bei eindeutiger fristgerechter Ablehnung einer Vertragsverlängerung auch ein längeres Zuwarten mit der Räumungsklage die stillschweigende Vertragsverlängerung selbst dann, wenn rechtsirrtümlich weiterhin Mietzins vorgeschrieben wird, oder wenn - trotz Räumungsaufschubs um ein halbes Jahr - aus dem Gesamtverhalten des Bestandgebers erkennbar ist, dass ihm nicht an einer Verlängerung gelegen ist (Vonkilch aaO Rz 54 mwN). Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung reichen zur Verhinderung einer stillschweigenden Verlängerung dann aus, wenn bei ihrem Scheitern innerhalb angemessener Frist eine Räumungsklage folgt (MietSlg 51.758 = immolex 1999, 325; Vonkilch aaO).
Auch wenn hier die Räumungsklage erst mehr als ein Jahr nach Ablauf der vereinbarten Bestanddauer und etwa drei Monate nach dem Scheitern der Unterzeichnung des Vertragsentwurfs erfolgte, ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - dennoch nicht von einer stillschweigenden Vertragsverlängerung auszugehen:
Die Verlängerung des Bestandvertrags in der ursprünglichen Form - also ohne die über dem Lokal befindliche Wohnung - wurde nämlich nach den Feststellungen zwischen den Streitteilen nie in Aussicht genommen, sondern nur über einen neuen Mietvertrag über das gesamte Haus verhandelt. Damit war aber eindeutig klar, dass eine Verlängerung des Bestandvertrags in seiner bestandenen (alten) Form von Vermieterseite jedenfalls abgelehnt wird und das Zuwarten mit der Räumungsklage nur darin seine Ursache fand, dass eine Lösung hinsichtlich allfälliger Anmietung des gesamten Hauses gesucht wurde. Damit hat es die Bestandgeberin aber nicht im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen „dabei bewenden lassen", weshalb von einer stillschweigenden Verlängerung des ursprünglichen Bestandvertrags nicht ausgegangen werden kann. Die Beklagte benützt den Bestandgegenstand titellos.
Es ist daher die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen, ohne dass auf die weiters aufgeworfenen Fragen eingegangen werden müsste.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
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