OGH 7Ob37/09f

OGH7Ob37/09f13.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****gmbH & Co ***** KG, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Lessiak Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Vanis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Vertragszuhaltung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. November 2008, GZ 1 R 248/08d-10, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 25. Juni 2008, GZ 19 C 773/07a-6, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.132,28 EUR (darin enthalten 355,38 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien schlossen am 9. 2. 2000 einen Bestandvertrag über Geschäftsflächen im S***** Center ***** (S*****).

§ 3.1 des Vertrags legt eine Betriebspflicht der Beklagten fest. Die Bestimmung lautet:

Der Bestandnehmer verpflichtet sich, den Geschäftsbetrieb dauernd während der von der Bestandgeberin im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen festgelegten Mindestöffnungszeiten des Centers aufrecht und das Bestandobjekt geöffnet und beleuchtet zu halten. Demzufolge ist es dem Bestandnehmer auch untersagt, den Geschäftsbetrieb durch Betriebsurlaube zu unterbrechen. ..."

Seit es im Jahr 1995 gesetzlich zulässig wurde, die Verkaufsstellen am 8. Dezember, wenn dieser auf einen Werktag fällt, geöffnet zu halten, ist das Einkaufszentrum der Klägerin an diesem Tag geöffnet. Die konkreten Öffnungszeiten des Einkaufszentrums werden von einem Gremium festgelegt, den Bestandnehmern durch Mieterinformationen zur Kenntnis gebracht und auf der Homepage der Klägerin veröffentlicht. Alle Bestandnehmer, auch die Beklagte, folgten den festgesetzten Öffnungszeiten.

Obwohl den Vertretern der Beklagten bekannt war, dass die Klägerin das Einkaufszentrum auch am 8. 12. 2007 geöffnet haben wollte, beschloss die Beklagte im November 2007, sämtliche Filialen mit Ausnahme jener am Flughafen Schwechat an diesem Tag geschlossen zu halten. Die Klägerin erfuhr dies aus den Medien und forderte die Beklagte am 23. 11. 2007 schriftlich auf, ihrer vertraglichen Betriebspflicht am 8. 12. 2007 nachzukommen. Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass kein Unternehmen dazu verpflichtet werden könne, seine Verkaufsstellen am 8. Dezember geöffnet zu halten und setzte ihr Vorhaben um.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, während aufrechter Dauer des Bestandvertrags vom 9. 2. 2000 den Geschäftsbetrieb an jedem 8. Dezember, der kein Sonntag ist, dauernd während der Geschäftsöffnungszeiten des Centers aufrecht sowie das Bestandobjekt geöffnet zu halten. Die Beklagte weigere sich auch für die Zukunft, die rechtlich zulässig vereinbarte Betriebspflicht zu erfüllen. Das Klagebegehren beinhalte eine Festlegung der Öffnungszeiten für die Zukunft. Der Einwand der Beklagten, es sei nicht gewiss, dass sie ausreichend Mitarbeiter finden könne, die bereit wären, am 8. 12. 2007 zu arbeiten, könne die Beklagte von der Erfüllung ihrer vertraglich eingegangenen Verpflichtung nicht befreien.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Eine Verpflichtung zur Offenhaltung eines Geschäfts am 8. Dezember könne nicht wirksam begründet werden. Es handle sich um einen gesetzlichen Feiertag, den die Republik Österreich mit Art IX des Konkordats 1933 anerkannt habe. Der Anspruch könne auch deshalb nicht bestehen, weil die Beklagte auf die freiwillige Arbeitsleistung der Mitarbeiter angewiesen sei und nicht beurteilt werden könne, ob die Mitarbeiter in Zukunft bereit seien, am 8. Dezember zu arbeiten. Der Anspruch sei auch nicht fällig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsansicht, dass § 406 ZPO nicht auf Leistungen, die ihren Ursprung in einem Dauerschuldverhältnis hätten, anzuwenden sei, wenn der bereits fällig gewordene Vertrag selbst Prozessgegenstand sei. Ein dauerndes Verhalten könne schon dann mit Leistungsklage für einen zukünftigen Zeitraum verlangt werden, wenn der Beginn der Dauerleistungspflicht spätestens bei Schluss der mündlichen Verhandlung eingetreten und der Beklagte bis dahin seiner Leistungspflicht noch nicht nachgekommen sei. Nach § 13a Arbeitsruhegesetz (ARG) sei seit 1995 die Beschäftigung von Arbeitnehmern am 8. Dezember zulässig, wenn dieser auf einen Werktag falle. Der Arbeitnehmer habe das Recht, die Beschäftigung ohne Angabe von Gründen abzulehnen, und es dürfe ihm daraus kein Nachteil erwachsen. Die Festlegung der Öffnung der Geschäfte an diesem Tag erfolge daher innerhalb des Rahmens der gesetzlichen Bestimmungen. Das ARG stehe dem Konkordat 1933 nicht entgegen, weil kein Arbeitnehmer gegen seinen Willen arbeiten müsse. Es sei nicht sittenwidrig, eine Betriebspflicht für den 8. Dezember vertraglich zu vereinbaren.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. Die Beklagte stelle zwar ihre Betriebspflicht nicht grundsätzlich in Abrede, bestreite diese aber für den 8. Dezember. Damit seien nicht die einzelnen Leistungen der Beklagten strittig, sondern die im Mietvertrag geschlossene Betriebspflichtvereinbarung selbst. Es sei daher eine Leistungsklage zulässig. Seit 13 Jahren sei es allen Bestandnehmern der Klägerin möglich, ihre Geschäfte im Einkaufszentrum am 8. Dezember geöffnet zu halten. Auch die Beklagte habe dies gerichtsnotorisch bis zum Jahr 2006 zustande gebracht. Im Jahr 2007 habe sie zumindest eine Filiale am Flughafen an diesem Tag geöffnet gehalten. Es sei nicht ersichtlich, warum der Beklagten ein Offenhalten (zumindest) der Filiale im Einkaufszentrum der Klägerin am 8. Dezember plötzlich (praktisch) nicht mehr möglich sein solle. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags im Jahr 2000 habe die geltende Rechtslage bereits seit fünf Jahren bestanden. Der Einwand, dass nicht sichergestellt sei, ob die Beklagte ausreichend arbeitswillige Dienstnehmer finden werde, um der vertraglich übernommenen Betriebspflicht in Zukunft nachkommen zu können, entlaste die Beklagte ihrem Vertragspartner gegenüber nicht. Eine Betriebspflicht für den 8. Dezember, die Art IX des Konkordats 1933 nicht widerspreche, könne daher wirksam begründet werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es fehle eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs dazu, ob die Judikatur zur Zulässigkeit von Leistungsklagen bei Dauerschuldverhältnissen auch dann Anwendung finde, wenn nicht die gesamte Dauerleistung, sondern nur ein Teil derselben (Offenhalten an jedem 8. Dezember) strittig sei.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung bezieht sich § 406 ZPO nicht auf Dauerschuldverhältnisse (RIS-Justiz RS0041120, RS0001275). Bei Dauerschuldverhältnissen ist die Klage auf Vertragszuhaltung ihrer Wirkung nach auf die Zuhaltung eines fortdauernden Vertragsverhältnisses in seiner Gesamtheit gerichtet, sodass es sich in einem solchen Fall nicht unmittelbar darum handelt, ob einzelne Leistungen fällig sind (RIS-Justiz RS0001275). Es besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis an der vorsorglichen Geltendmachung, weil die Einklagung nach jeweiliger Leistungsverweigerung dem Berechtigten nicht die bedungene Ausübung seiner Rechte verschaffen könnte (MietSlg 20.696).

Die Beklagte bestreitet generell eine Betriebspflicht für den 8. Dezember, auch sofern er kein Sonntag ist, für jedes kommende Jahr, hält sie doch eine Vereinbarung einer derartigen Verpflichtung für gesetzwidrig. Es handelt sich also um einen Streit über den Umfang der im Vertrag festgelegten Betriebspflicht, sodass im Hinblick auf die oben dargelegten Grundsätze zur Klärung des Vertragsverhältnisses schon jetzt Leistungsklage eingebracht werden kann. Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, käme jegliche Einklagung nach Fälligkeit zu spät und es könnte das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin anders nicht gedeckt werden.

Dem Einwand der Beklagten, eine Leistungsklage sei nicht zulässig, weil die Klägerin für jedes Jahr die Betriebspflicht erst gesondert festlege und nicht sicher sei, ob sie diese auch in der Zukunft für den 8. Dezember anordnen werde, steht entgegen, dass die Beklagte den Umfang der vereinbarten Betriebspflicht an sich bestreitet. Sie zieht das Recht der Klägerin in Zweifel, eine Festlegung der Öffnungszeiten für den 8. Dezember überhaupt jemals vornehmen zu dürfen. Ist das Recht selbst bestritten, kommt es für die Zulässigkeit einer Leistungsklage auf eine konkrete jährliche Festlegung nicht an. Abgesehen davon steht fest, dass die Klägerin jedes Jahr ihr Einkaufscenter am 8. Dezember geöffnet gehalten hat, sofern dies gesetzlich zulässig war. Mit der Klagsführung hat sie zu erkennen gegeben, diese Praxis weiter führen zu wollen. Die Vorinstanzen haben also zutreffend erkannt, dass hier eine Leistungsklage zur Durchsetzung des Anspruchs der Klägerin zulässig ist.

Dem Argument der Klägerin, die Vereinbarung einer Betriebspflicht für einen 8. Dezember sei gesetz- und damit sittenwidrig, kann nicht gefolgt werden.

Die Beklagte erkennt selbst, dass es keine gesetzliche Bestimmung gibt, die das Offenhalten von Verkaufsstellen am 8. Dezember untersagt. Damit ist die Klägerin schon nach dem Wortlaut der Betriebspflichtvereinbarung („im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen") berechtigt, das Offenhalten von der Beklagten zu verlangen, solange die Gesetzeslage in dieser Weise besteht. Abgesehen davon würde ein - hier ohnehin nicht bestehendes - gesetzliches Verbot nicht jedenfalls eine Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nach sich ziehen, weil Nichtigkeit nur eintritt, wenn dies der Zweck des Verbotsgesetzes verlangt (RIS-Justiz RS0016837, RS0016792).

Dem Artikel IX des Konkordats 1933, BGBl II 1934/2, ist unter anderem durch § 7 ARG dahin Rechnung getragen, als der 8. Dezember auch im Sinn dieses Bundesgesetzes als Feiertag normiert ist. Weiters ist aufgrund des § 13a ARG die Beschäftigung von Arbeitnehmern am 8. Dezember insofern freiwillig, als das Recht des Arbeitnehmers festgelegt ist, die Beschäftigung an diesem Tag ohne Angabe von Gründen abzulehnen und der Arbeitnehmer wegen seiner Weigerung, an diesem Tag der Beschäftigung nachzugehen, nicht benachteiligt werden darf. Der Arbeitgeber und Unternehmer bedarf keines gesetzlichen Schutzes, weil es ja in seinem Ermessen steht, die Feiertagsruhe einzuhalten oder nicht. Es ist demnach durch die Gesetzeslage der von der Republik Österreich anerkannte Feiertag geschützt. Es steht jedem frei, ihn als solchen zu begehen. Eine allgemeine Pflicht zur Feiertagsruhe ist nicht gegeben, was die Beklagte offenbar auch gar nicht in Zweifel zieht, weil auch sie ihre Filiale am Flughafen Wien geöffnet hält.

Es ist ausschließlich eine unternehmerische Entscheidung, ob Geschäftslokale am 8. Dezember offen gehalten werden oder nicht. Die Beklagte hat diese für sich getroffen, als sie sich dazu im Mietvertrag im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen verpflichtete. Wie sie diese Verpflichtung erfüllt, ist ihre Sache. Dass die Erbringung der Leistung, nämlich das Offenhalten ihres Geschäftslokals an einem 8. Dezember, objektiv unmöglich ist, weil weder die eigenen Arbeitnehmer noch sonstige Personen unter Vertrag genommen werden können, die bereit wären, für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zu sorgen, konnte die Beklagte naturgemäß nicht einmal behaupten. Ist aber die Beklagte eine vertragliche Verpflichtung, die nicht sittenwidrig ist, eingegangen, so hat sie diese auch zu erfüllen und dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Mittel dafür bereit stehen. Dies haben bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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