OGH 10ObS63/09a

OGH10ObS63/09a12.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Dr. Reinhard Drössler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Günther S*****, vertreten durch Mag. Bernhard Stimitzer, Rechtsanwalt in Bad Goisern, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Bachmann & Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (Streitwert 5.303,45 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. September 2008, GZ 11 Rs 61/08g-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Februar 2008, GZ 17 Cgs 299/07k-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters die mit 222,91 EUR (darin enthalten 37,15 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei gewährte dem Kläger anlässlich der Geburt seiner Tochter Laura am 3. 8. 2002 für den Zeitraum vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 5.303,45 EUR sowie einen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld von 2.211,90 EUR.

Mit Bescheid vom 15. 11. 2007 widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes und des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 und verpflichtete den Kläger zum Rückersatz der unberechtigt empfangenen Leistungen in Höhe von insgesamt 7.515,35 EUR binnen 4 Wochen. Der Kläger habe im Jahr 2003 Einkünfte aus seinem Gewerbebetrieb in Höhe von 12.731,69 EUR sowie aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 142,82 EUR erzielt. Daraus errechne sich gemäß § 8 KBGG für das Jahr 2003 ein maßgeblicher Gesamtbetrag der Einkünfte von 15.732,56 EUR. Da der Kläger damit die im Jahr 2003 geltenden Grenzbeträge gemäß § 2 Abs 1 Z 3 KBGG von 14.600 EUR sowie gemäß § 9 Abs 3 KBGG von 3.997 EUR überschritten habe, habe er die unberechtigt bezogenen Leistungen gemäß §§ 30 Abs 2, 31 Abs 2 KBGG zurückzuzahlen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger rechtzeitig eine Klage auf Feststellung, „dass die im Zeitraum vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 bezogenen Leistungen in Höhe von 7.515,35 EUR (Kinderbetreuungsgeld und Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld) als berechtigt empfangen gelten". Er brachte im Wesentlichen vor, dass die für die Rückforderung maßgebenden Bestimmungen des KBGG verfassungswidrig seien. Im Übrigen liege ein Härtefall iSd § 31 Abs 4 KBGG vor, weshalb die beklagte Partei auf die Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes sowie des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld zu verzichten habe. Es liege lediglich eine geringfügige, unvorhersehbare Überschreitung der Zuverdienstgrenze im Sinne der KBGG-Härtefälle-Verordnung vor. Eine Rückforderung sei auch im Hinblick auf seine Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse unbillig.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistungen. Bloße Umsatzschwankungen, die im Wesen der unternehmerischen Tätigkeit liegen, könnten keine Unvorhersehbarkeit der Überschreitung der Zuverdienstgrenze im Sinne der KBGG-Härtefälle-Verordnung begründen. Im Übrigen liege hinsichtlich des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld die Überschreitung der gemäß § 8 KBGG festgestellten Einkünfte ohnehin weit über der in § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung vorgesehenen Grenze.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, von der Rückforderung des für den Zeitraum vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 bezogenen Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von 5.303,45 EUR abzusehen (Punkt 1. des Urteilsspruchs). Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, auch von der Rückforderung des für denselben Zeitraum ausbezahlten Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 2.211,90 EUR abzusehen, wies das Erstgericht ab. Es sprach weiters aus, dass die Zuerkennung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 widerrufen werde und der Kläger schuldig sei, der beklagten Partei binnen 14 Tagen den Betrag von 2.211,90 EUR an Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2003 zurückzubezahlen (Punkt 2. des Urteilsspruchs). Es stellte im Wesentlichen fest, dass der Kläger seit etwa 10 Jahren einen selbständigen Musikalienhandel betreibt. Die Einkünfte aus diesem Gewerbebetrieb (zuzüglich geringer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) betrugen im Jahr 2000 41.994 ATS, im Jahr 2002 6.088,36 EUR, im Jahr 2003 12.874,51 EUR, im Jahr 2005 20.101,69 EUR und im Jahr 2006 13.216,72 EUR. Im Jahr 2001 erwirtschaftete der Kläger einen Verlust von 26.880 ATS und im Jahr 2004 einen solchen von 11.985,73 EUR. Das genaue jährliche Einkommen des Klägers ist abhängig vom Erfolg auf dem Markt und daher nicht konkret prognostizierbar.

Der Kläger besitzt kein nennenswertes Vermögen. Er ist zwar Eigentümer eines Hauses mit einem geschätzten Wert von 180.000 EUR, die Liegenschaft ist jedoch mit Verbindlichkeiten in Höhe von etwa 150.000 EUR belastet. Sein Kraftfahrzeug ist etwa 10 Jahre alt. Er ist noch für vier Kinder sorgepflichtig, wobei er für seine beiden bei der geschiedenen Ehegattin lebenden Söhne Daniel und Andreas einen monatlichen Unterhalt von 370 EUR zu zahlen hat. Seine Tochter Laura ist am 3. 8. 2002 geboren, sein jüngster Sohn Rodrigo wird zwei Jahre alt. Da sich der Kläger nicht mehr gesund fühlt, strebt er in einem ebenfalls vor dem Erstgericht anhängigen Verfahren die Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension an.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass sich für das Jahr 2003 ein Gesamtbetrag von Einkünften iSd § 8 KBGG in Höhe von 15.731,87 EUR ergebe und damit der maßgebende Grenzbetrag von 14.600 EUR für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld (§ 2 Abs 1 Z 3 KBGG) um ca 8 % und der maßgebende Grenzbetrag von 3.997 EUR für den Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld (§ 9 Abs 3 KBGG) um beinahe 400 % überschritten worden sei. Hinsichtlich des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld liege ein Härtefall iSd § 31 Abs 4 KBGG iVm § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung vor, weil die Überschreitung der Zuverdienstgrenze geringfügig und für den Kläger nicht vorhersehbar gewesen sei. Die beklagte Partei sei daher verpflichtet, von der Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes Abstand zu nehmen. Hingegen lägen die Voraussetzungen für ein Absehen von der Rückforderung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld im Sinne der KBGG-Härtefälle-Verordnung nicht vor, weil hier der Grenzbetrag um fast 400 % überschritten worden sei und eine Rückforderung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld auch im Hinblick auf die näher festgestellten Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers nicht unbillig erscheine.

Während die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der Verpflichtung des Klägers zum Rückersatz des von ihm bezogenen Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld unbekämpft blieb und somit in Rechtskraft erwachsen ist, bekämpfte die beklagte Partei den Ausspruch des Erstgerichts (Punkt 1. des Urteilsspruchs), wonach von der Rückforderung des vom Kläger für den Zeitraum vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 bezogenen Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von 5.303,45 EUR abzusehen sei. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass das gesamte Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die im Zeitraum vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 bezogenen Leistungen in Höhe von 7.515,35 EUR (Kinderbetreuungsgeld und Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld) als berechtigt empfangen gelten, abgewiesen werde. Weiters sprach es aus, dass die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes und des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für die Zeit vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 widerrufen werde und der Kläger schuldig sei, der beklagten Partei den Betrag von 7.515,35 EUR in 74 monatlichen Teilbeträgen von je 100 EUR und den letzten Teilbetrag von 115,35 EUR ab dem dem Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung folgenden Monatsersten zu zahlen.

Nach seiner rechtlichen Beurteilung bestünden gegen die für die Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes maßgebenden Bestimmungen des KBGG keine verfassungsrechtliche Bedenken. Über die Frage, ob ein Härtefall im Sinne der KBGG-Härtefälle-Verordnung vorliege, könne erst nach Rechtskraft der der Rückforderung zugrundeliegenden Entscheidung und nur über Ansuchen des Rückzahlungsverpflichteten in einem sogenannten „nachgeschalteten" Verwaltungsverfahren entschieden werden. Das Gericht könne aber auch in einer Rechtsstreitigkeit über den Rückersatz von Kinderbetreuungsgeld bzw Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld die Zahlung in Raten anordnen (§ 89 Abs 4 zweiter Satz ASGG).

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Entscheidung über das Vorliegen eines Härtefalls iSd § 31 Abs 4 KBGG erst nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über das Bestehen einer Rückersatzverpflichtung erfolgen könne, noch nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 22. 12. 2008, 10 ObS 185/08s, die Revision des Klägers schon deshalb, weil Bedenken gegen die Verfassungskonformität der präjudiziellen Bestimmungen der §§ 2 Abs 1 Z 3, 8 und 31 Abs 2 zweiter SatzKBGG in der hier anzuwendenden Fassung bestanden haben, für zulässig angesehen und beim Verfassungsgerichtshof gemäß § 89 Abs 2 B-VG einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag gestellt. Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wurde gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten. Der Verfassungsgerichtshof wies mit seinem Erkenntnis vom 26. 2. 2009, G 3/09-6, unter anderem diesen Gesetzesprüfungsantrag ab, weil er die in diesem Antrag und auch die in den anderen Gesetzesprüfungsanträgen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilte. Nach Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs war das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs erweisen sich die vom Revisionswerber gegen die maßgebende Gesetzeslage vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken als nicht berechtigt. Gemäß § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG ist der Empfänger einer Leistung nach dem KBGG zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden aufgrund des von der Abgabenbehörde an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse übermittelten Gesamtbetrags der Einkünfte ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührt hat. Da der Kläger durch die von ihm im Jahr 2003 erzielten und gemäß § 8 KBGG maßgeblichen Einkünfte in Höhe von 15.731,87 EUR die Zuverdienstgrenzen sowohl für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nach § 2 Abs 1 Z 3 KBGG (14.600 EUR) als auch für den Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld nach § 9 Abs 3 KBGG (3.997 EUR) überschritten hat, ist er zur Rückzahlung der empfangenen Leistungen an die beklagte Partei verpflichtet. Die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld ist im Rechtsmittelverfahren auch nicht mehr strittig.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel dazu wiederum geltend, dass ein Härtefall im Sinne der KBGG-Härtefälle-Verordnung vorliege. Er wendet sich insbesondere gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach über die Frage, ob ein Härtefall im Sinne der KBGG-Härtefälle-Verordnung vorliege, erst nach Rechtskraft der der Rückforderung zugrundeliegenden Entscheidung und nur über (neuerliches) Ansuchen des Rückzahlungsverpflichteten in einem sogenannten „nachgeschalteten" Verwaltungsverfahren entschieden werden könne. Die beklagte Partei habe mit den bekämpften Bescheid bereits eine Entscheidung im Sinne des § 31 Abs 4 KBGG getroffen, weshalb das Erstgericht verpflichtet und auch berufen gewesen sei, das Vorliegen eines sogenannten Härtefalls zu überprüfen.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

§ 31 Abs 4 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) sieht unter anderem vor, dass der Krankenversicherungsträger bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände (Härtefälle) insbesondere in Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisses des Empfängers,

1. die Erstattung des zu Unrecht bezahlten Betrags in Teilbeträgen (Ratenzahlungen) zulassen,

2. die Rückforderung stunden,

3. auf die Rückforderung verzichten kann.

Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung die Kriterien für Härtefälle sowie Art und Weise der Rückforderung festzulegen.

Nach § 1 der KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl II 2001/405) gelten in Bezug auf die Einkommensgrenze als Härtefälle:

a) Fälle einer geringfügigen, unvorhersehbaren Überschreitung der Zuverdienstgrenze. Eine geringfügige, unvorhersehbare Überschreitung liegt nur dann vor, wenn die Grenzbeträge gemäß den §§ 2 Abs 1 Z 3 und 9 Abs 3 KBGG um nicht mehr als 10 % überstiegen werden. In solch einem Fall ist auf die Rückforderung zu verzichten.

b) Fälle, in denen die Voraussetzungen für eine Rückforderung dem Grunde nach erfüllt sind, jedoch aufgrund der individuellen Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des/der Verpflichteten eine Rückforderung ganz oder teilweise oder zum gegebenen Zeitpunkt als unbillig erscheint.

Seit der Änderung der KBGG-Härtefälle-Verordnung durch die Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen, ausgegeben am 26. 2. 2004 (BGBl II 2004/91), gilt eine geringfügige, unvorhersehbare Überschreitung der in § 2 Abs 1 Z 3 KBGG und § 9 Abs 3 KBGG vorgesehenen Zuverdienstgrenzen um nicht mehr als 15 % als Härtefall, bei dem von einer Rückforderung der ausbezahlten Leistungen abzusehen ist. Nach § 4 der KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl II 2004/91) tritt lit a in der Fassung dieser Verordnung mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft und gilt für Geburten nach dem 31. 12. 2001.

Die Bestimmung des § 31 Abs 4 letzter Satz KBGG wurde zwar mit der Novelle BGBl I 2007/76 insofern geändert, als an die Stelle der Verordnungsermächtigung der Verweis auf die §§ 60 bis 62 BHG trat, weshalb die KBGG-Härtefälle-Verordnung mit Ablauf des 31. 12. 2007 außer Kraft getreten ist; sie ist jedoch auf Anspruchsüberprüfungen der Kalenderjahre 2002 bis 2007 weiterhin anzuwenden (§ 49 Abs 15 KBGG).

Zutreffend verweist die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung darauf, dass die KBGG-Härtefälle-Verordnung in § 1 lit a und b zwei unterschiedliche Härtefalltatbestände festlegt:

Gemäß § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung gelten als Härtefälle die Fälle einer geringfügigen (nicht mehr als 15 %) und unvorhersehbaren Überschreitung der Zuverdienstgrenze. In solchen Fällen ist auf die Rückforderung zu verzichten. Dieser Härtefalltatbestand richtet sich in erster Linie an den Krankenversicherungsträger, der nach Feststellung der Überschreitung der Zuverdienstgrenze eruieren muss, ob die Überschreitung nicht mehr als 15 % beträgt und ob sie unvorhersehbar war. Liegen diese beiden genannten Voraussetzungen für ein Absehen von der Rückforderung vor, so erfolgt keine bescheidmäßige Rückforderung. Liegen diese Voraussetzungen hingegen nicht vor und ist der Rückforderungstatbestand erfüllt, ergeht ein Rückforderungsbescheid. Prüfungen des Tatbestands des § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung stellen somit ein „vorgeschaltetes" Verwaltungsverfahren dar. In einem nachfolgenden Gerichtsverfahren ist daher auch von den Sozialgerichten gegebenenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung zu überprüfen.

Demgegenüber handelt es sich in den Fällen des § 1 lit b der KBGG-Härtefälle-Verordnung um ein „nachgeschaltetes" Verwaltungsverfahren. Liegt infolge der Erfüllung eines Rückforderungstatbestands (§ 31 KBGG) ein rechtskräftiger Bescheid oder ein rechtskräftiges Urteil gegen einen Leistungsbezieher vor, so besteht gegen ihn ein hoheitlicher Rückforderungsanspruch des Bundes aufgrund einer zu Unrecht empfangenen Leistung. Für das durchzuführende Rückforderungsverfahren, insbesondere im Hinblick auf die Gewährung von Zahlungserleichterungen bzw Forderungsverzicht sowie die Aussetzung und Einstellung der Einziehung von Forderungen, sind im Wesentlichen die §§ 60 bis 62 BHG zu beachten (vgl § 2 KBGG-Härtefälle-Verordnung). Dieses Ermessen kann vom Versicherungsträger erst nach Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheides oder Urteils ausgeübt werden. Auf diesen zweiten Härtefalltatbestand beziehen sich auch die vom Berufungsgericht zitierten Ausführungen in der Regierungsvorlage zur Novelle des KBGG BGBl I 2007/76, wonach durch die neue Einschleifregelung bei Überschreitung der Zuverdienstgrenze der erste Tatbestand der KBGG-Härtefälle-Verordnung obsolet wird, der verbleibende zweite Tatbestand hingegen direkt in das Gesetz übernommen wird, wodurch für die Krankenversicherungsträger weiterhin die Möglichkeit besteht, in Härtefällen Zahlungserleichterungen unter Anwendung der Schadensrichtlinien des Bundes zu gewähren, sobald die der Rückforderung zugrundeliegende Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ist (vgl RV 229 BlgNR XXIII. GP 7).

Im vorliegenden Fall ist daher von den Gerichten die Frage zu prüfen, ob hinsichtlich der Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes der Härtefalltatbestand des § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung erfüllt ist, insbesondere ob die bloß geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze für den Kläger unvorhersehbar war. Das Kriterium der „Unvorhersehbarkeit" wird dann gegeben sein, wenn die Überschreitung der Zuverdienstgrenze trotz Anlegung eines zumutbaren Sorgfaltsmaßstabs nicht erkannt werden konnte. Zutreffend verweist die beklagte Partei darauf, dass es gerade für den Bereich der selbständig Erwerbstätigen typisch ist, dass jährliche Umsatz- und Gewinnschwankungen vorliegen, sodass allein aus dem Grund von Umsatzschwankungen noch keine Unvorhersehbarkeit im Sinn des § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung abgeleitet werden kann. Den Leistungsbezieher trifft eine Überprüfungspflicht hinsichtlich der Höhe der zu erwartenden Einkünfte. Dies zeigt sich auch darin, dass der Gesetzgeber mit dem Verzicht auf den Bezug von Kinderbetreuungsgeld (§ 5 Abs 6 KBGG) die Möglichkeit geschaffen hat, Einkünfte, welche im Verzichtszeitraum erzielt wurden, bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Sinn des § 8 KBGG unberücksichtigt zu lassen. Gerade durch diese Verzichtsmöglichkeit hat der Gesetzgeber auch auf Fälle mit unregelmäßigen Einkünften Bedacht genommen. Umsatzschwankungen, welche mit einer selbständigen Erwerbstätigkeit typischerweise verbunden sind, vermögen daher eine Unvorhersehbarkeit der Überschreitung der Zuverdienstgrenze nicht zu begründen. Andere berücksichtigungswürdige Gründe hat der Kläger nicht behauptet. Es liegt daher kein Härtefall im Sinn des § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung vor.

Zutreffend hat aber das Berufungsgericht unter Berufung auf § 89 Abs 4 ASGG eine Rückzahlung der vom Kläger zu Unrecht bezogenen Leistungen in Raten angeordnet. Dass die Raten unbillig hoch seien, wird vom Kläger gar nicht geltend gemacht. Eine gänzliche oder auch nur teilweise Nachsicht der Rückzahlungspflicht wird durch diese Bestimmung nicht ermöglicht (vgl 10 ObS 156/00i = SSV-NF 15/2 mwN ua).

Der Revision des Klägers musste daher im Ergebnis ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Klägers auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhängt, entspricht es der Billigkeit, dem in angespannten Einkommens- und Vermögensverhältnissen lebenden Kläger die Hälfte seiner Kosten im Revisionsverfahren zuzusprechen. Die Kostenbemessungsgrundlage für das Revisionsverfahren beträgt 5.303,45 EUR. Die beklagte Partei hat als Versicherungsträger im Sinn des § 77 Abs 1 Z 1 ASGG die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens selbst zu tragen.

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